Rechenzentren sind das Rückgrat der IT und damit der Digitalisierung. ITWelt.at hat mit Martin Madlo, Geschäftsführer des Rechenzentrumbetreibers Digital Realty, über die Standorte Österreich und Wien, überbordende Regulierung, sowie nachhaltige Rechenzentren und den Nutzen von künstlicher Intelligenz gesprochen. [...]
Wie beurteilen Sie die Infrastruktur in Österreich aus der Sicht eines Rechenzentrumsbetreibers? Was wünschen Sie sich von der österreichischen, aber auch von der EU-Politik? Von der DSGVO über NIS2 bis zum EU AI Act – wird in Europa zuviel reguliert?
Die Überregulierung aus Brüssel hemmt die Wertschöpfung und schwächt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft branchenübergreifend und besonders im Technologiebereich. Wir brauchen daher dringend eine Gegenbewegung, um zu verhindern, dass Europa weiter ins Hintertreffen gerät. Übermäßige Regulierung dämpft die Innovationsfreude und bremst den Fortschritt. Wer ständig eine Fülle von Vorschriften beachten muss, kann kaum kreativ sein.
Digitalisierung ist Innovation und deren Grundlage ist eine leistungsfähige, digitale Infrastruktur. Während die Breitbandinfrastruktur oft im Fokus steht, wird die Bedeutung von Rechenzentren noch zu wenig beachtet. Das muss sich ändern. Unsere Wünsche an die Regierung lauten daher: weniger Regulierung, klare Standort-Strategien sowie schnellere und effizientere Genehmigungsverfahren.
Wie beurteilen Sie Wien als Standort für ein Rechenzentrum? Warum braucht es überhaupt Rechenzentren in Österreich?
Ja, Österreich braucht eine moderne Rechenzentrumsinfrastruktur und ebenso klare Standortkonzepte. Das gilt besonders für Wien. Allerdings ist Wien ein herausfordernder Standort. Einst war die Stadt ein zentraler digitaler Knotenpunkt in Zentral- und Osteuropa, doch dieser Wettbewerbsvorsprung wurde verspielt. Heute ist das elektrische Netz das Nadelöhr.
Der Mangel an elektrotechnischer Infrastruktur bringt Wien ins Hintertreffen, was dem Wirtschaftsstandort sowohl lokal als auch international schadet. Wien vergibt hier enorme Chancen. In Deutschland gibt es beispielsweise Regionen, die aktiv um Datacenter-Provider werben und attraktive Rahmenbedingungen schaffen – von der Energieversorgung bis hin zur Nutzung von Abwärme. Eine leistungsfähige Basisinfrastruktur ist essenziell für die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit des Standorts. Hier darf Wien nicht den Anschluss verlieren.
Generative künstliche Intelligenz und Quantencomputer (vor allem wenn sie irgendwann zusammenarbeiten) werden die IT verändern. Quantencomputer können potentiell bisher sichere Verschlüsselungen knacken und generative KI beschleunigt die Automatisierung. Welche Herausforderungen stellen KI und Quantencomputer für Rechenzentrumsbetreiber dar und welche Chancen bieten diese neuen Technologien?
Heute gibt es in Österreich keine Rechenzentren, in denen große KI-Anwendungen implementiert werden können. Die Leistungsdichte der IT-Systeme wächst um den Faktor 10. Wir wissen heute nicht, was morgen gebraucht wird und Unternehmen können ihren Bedarf der nächsten zwei bis drei Jahren nicht abschätzen. Das birgt die Gefahr völlig über- oder unterdimensioniert zu sein und stellt auch uns als Colocation-Betreiber vor Herausforderung: Wir müssen heute die Rechenzentren für morgen planen. Aber ohne belastbare Zahlen und mit fehlenden definierten Standards ist dies schwierig. Die Lösung für diese Herausforderungen heißt Flexibilität. Aber Flexibilität ist auch immer eine Kostenfrage.
Die guten Nachrichten: Rechenzentren können stark von der KI profitieren. Zum einen im Bereich der Kühlung und Energieeffizienz. Mit Hilfe von KI lassen sich Rechenzentren ähnlich wie ein Smart Home intelligent steuern, um den Energieverbrauch zu optimieren.
Zum anderen kann KI die Wartungskosten erheblich senken. Viele Wartungsarbeiten der Vergangenheit waren reine Routineinspektionen. Obwohl sinnvoll, bedeutete das oft auch unnötigen Aufwand. Dank KI können Wartungen endlich bedarfsorientiert und nicht mehr kalendarisch durchgeführt werden. Das macht sie nicht nur kostengünstiger, sondern auch besser planbar. Für uns als Planer und Betreiber von Rechenzentren ist KI daher nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine enorme Erleichterung – ihr Nutzen ist deutlich spürbar.
Wie stark wird Nachhaltigkeit von Kundenseite nachgefragt?
Wir müssen unsere Rechenzentren heute nicht nur flexibel, sondern auch nachhaltig errichten und betreiben. Nachhaltigkeit ist nicht mehr optional. Das Energieeffizienzgesetz gibt hier auch schon einen Rahmen vor.
Ist der Betrieb eines CO2-neutralen Rechenzentrums überhaupt möglich? Falls ja, wie kann man dieses Ziel erreichen? Welche Nachhaltigkeitsmaßnahmen setzen Sie um?
Einerseits betreiben wir unsere Rechenzentren seit mehr als einem Jahrzehnt mit Energie aus CO²-freier Erzeugung und investieren jedes Jahr massiv in die Effizienzsteigerung unserer Systeme. Andererseits haben wir mit unserer Kooperation mit der Klinik Floridsdorf ein Vorzeigeprojekt geschaffen, bei dem wir unsere Abwärme an die Klinik liefern. Ein Krankenhaus hat einen ganzjährigen Wärmebedarf und die Entfernung ist optimal. Weiters haben wir im Sommer unser eigenes Solarkraftwerk in Betrieb genommen. Mit ungefähr 1 MWp liefert es CO²-freie Energie in unser Rechenzentrum.
Wie werden sich Rechenzentren mittelfristig weiterentwickeln und verändern ?
Rechenzentren stehen mit künstlicher Intelligenz und neuen Technologien am Beginn eines neuen Zeitalters. Mittelfristig wird sich der Trend wohl weiter in Richtung hybrider Lösungen bewegen – darauf sind wir bereits jetzt gut vorbereitet.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus? Werden neue Rechenzentren in Österreich eröffnet? Welche Herausforderungen müssen Rechzentrumsbetreiber im kommenden Jahr meistern und welche Chancen sehen Sie?
Wir haben in diesem Jahr den Spatenstich für unser neues Rechenzentrum gesetzt. Der neue Standort wird nicht nur größer, sondern auch moderner und energieeffizienter sein. Wir erhöhen die Gesamtleistung unserer Rechenzentren in Wien um 40 Megawatt – ein signifikanter Sprung von unseren aktuellen 26 Megawatt. Der neue Rechenzentrumsstandort in der Siemensstraße liegt strategisch günstig, in unmittelbarer Nähe zu unseren beiden bestehenden Rechenzentren. Die Eröffnung des ersten Bauabschnitts ist für 2026 geplant. Mit dieser Erweiterung stellen wir sicher, dass wir zukunftsorientierte Lösungen bieten können und unsere Kunden optimal auf die Anforderungen von morgen vorbereitet sind.
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