Geschäftspartner regelmäßig prüfen

Im Interview nimmt kompany-Mitbegründer und CEO Russell E. Perry zum Thema »Digitale Geschäftsmodelle während der Pandemie« Stellung und erklärt, welche Bedeutung die digitale Verifizierung von Unternehmen während und nach der Covid-19-Krise hat. [...]

Die Führungsriege von kompany: Andrew Bunce, Johanna Konrad, Peter Bainbridge-Clayton and Russell E. Perry. (c) kompany

Das weltweit tätige RegTech-Unternehmen kompany (RegTech = regulatory technology) wurde 2012 in Wien gegründet und hat Niederlassungen in London, New York und Singapur. Mitbegründer war der in New York geborene Russell E. Perry, der jedoch die Hälfte seiner Jugend in Österreich verbrachte. Bevor er kompany gründete, hat er die weltgrößte Personensuchmaschine erfolgreich zu einem profitablen Unternehmen ausgebaut und diese danach verkauft. kompany ist wohl die führende RegTech-Plattform für globale Unternehmensverifizierung und automatisierte Business KYC- und KYB-Prozesse. Die API-Plattform und der kollaborativ nutzbare und webbasierte KYC-workspace von kompany unterstützen Finanzinstitute, Zahlungsanbieter, Versicherer und andere regulierte Unternehmen bei der Audit-konformen Überprüfung von Unternehmen im Zuge der Einhaltung von Anti-Geldwäschebestimmungen. Im nachfolgenden Interview erklärt Perry wie der Echtzeit-Zugriff auf fremde Unternehmensdaten auch die eigene Firma schützen kann.

Welche unternehmerischen Herausforderungen birgt die Pandemie und wie können digitale Geschäftsmodelle Abhilfe schaffen?

Die Pandemie und damit einhergehende Lockdowns haben auf einen Schlag selbst die kleinsten Unternehmen gefordert und zum Überdenken der bestehenden Prozesse gezwungen. Dinge wie ein remote Cloud-Netzwerk, Automatisierungen und der Echtzeit-Zugriff auf Datenbanken haben sich als echte Erleichterungen herauskristallisiert, die in der Krise geholfen haben, viele zuvor sehr kostspielige Prozesse effizient und vollautomatisch zu ersetzen. Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung sind innerhalb einer sehr kurzen Zeit etwas vollkommen Normales geworden und gerade digitale Geschäftsmodelle haben den Verlauf der Krise für die Wirtschaft zwar nicht retten, aber etwas abfedern können.

Was ist KYB und wie können Betrugsfälle oder Geldwäsche bzw. zwielichtige Transaktionen durch amtliche und in Echtzeit verfügbare Unternehmensdaten geprüft und gegebenenfalls verhindert werden?

Business KYC bzw. KYB bedeutet »Know Your Customer« bzw. »Know Your Business«. Gerade durch die stark gestiegene Vernetzung sind wir nicht nur global näher zusammengerückt, sondern auch auf dem Heimatmarkt. Dies ist aber für viele Unternehmen auch mit neuen Risiken verbunden. In Anbetracht der durchaus starken Liquiditätsausfälle, Unternehmensübernahmen, gestiegenen internationalen Geschäftsbeziehungen und der zunehmend strikter gewordenen Anti-Geldwäsche-Richtlinien (AML – Anti-Money-Laundering) ist es für ein Unternehmen mittlerweile unabdingbar, die eigene Compliance auf den neuesten Stand zu bringen und die Geschäftspartner stets im Auge zu behalten. Jede Veränderung beim Geschäftspartner kann auch sehr große Auswirkungen auf das eigene Unternehmen haben. Wir raten unseren Kunden dazu, diese Unternehmensdaten aktiv im Blick zu haben, um über etwaige Veränderungen sofort informiert zu sein. Dies kann nicht nur vor Betrugsfällen schützen, sondern auch vor Lieferanten- oder Anbieterausfällen.

Inwiefern treibt die Coronakrise die Digitalisierung von Unternehmen voran und welche Geschäftsmodelle sind besonders für KMU hilfreich?

Wenn man den Software-as-a-Service-Markt überblickt, dann wird man schnell feststellen, dass es mittlerweile für so gut wie jede unternehmerische Herausforderung eine digitale Lösung gibt. In letzter Zeit sind hier viele neue Player in den Markt gedrungen oder konnten stark zugewinnen – man denke zum Beispiel an Zoom. Ob diese Firmen langfristig diesen Aufschwung mitnehmen können, wird sich noch zeigen. Viel wichtiger finde ich Anbieter, die über die Krise hinaus echten Mehrwert in ein Unternehmen bringen. Eine gute Automatisierung von mühsamen manuellen und immer wiederkehrenden internen Prozessen spart viel Zeit und Ressourcen, die derzeit anderweitig besser eingesetzt wären. Zudem wird ein laufendes Monitoring über die eigenen Unternehmensparameter hinaus auch in das Makroumfeld der eigenen Firma in der Zukunft sehr wichtig sein. Als Geschäftsführer muss ich heutzutage mehr denn je nicht nur über meine eigene Firma und den Markt, sondern auch über Firmen, von denen ich direkt oder indirekt abhängig bin, Bescheid wissen. Ein Ausfall eines wichtigen Zulieferers oder Geschäftspartners kann mich schnell das ganze Projekt kosten.

Mit welchen gegenwärtigen Hindernissen im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr haben Unternehmen, Banken oder Regierungen aktuell zu kämpfen?

Um die strikten Anti-Geldwäsche-Richtlinien erfüllen zu können, ist es für Unternehmen, Banken und andere Finanzdienstleister sehr wichtig auch grenzüberschreitende Informationen zur Hand zu haben. Gerade wenn große Summen ins Ausland transferiert oder aus dem Ausland empfangen werden, kann es hier zu massiven Problemen kommen.

Einerseits stehen die Banken und Finanzdienstleister vor einer großen Herausforderung, um etwaige Strafen zu vermeiden, wenn sie die notwendigen Herkunftsnachweise und Unternehmensdaten nicht korrekt erhoben haben. Dies kann zu sehr langsamen Transaktionszeiten oder sogar zum Einfrieren der Geldbeträge führen.

Andererseits sehen sich international agierende Unternehmen einem Generalverdacht ausgesetzt, da Meldungen oder Anzeigen an die Finanz gemacht werden, die mit einem einfachen Check nicht notwendig gewesen wären. Im schlimmsten Fall können sogar Liquiditätsengpässe entstehen, da das Geld irgendwo festgehalten wird. Wir streben langfristig mit unseren Banking-Partnern an, eine internationale Überweisung mitsamt aller notweniger Checks innerhalb von fünf Sekunden zu ermöglichen.

Wo liegen die konkreten Vorteile von geprüften und aktuellen Unternehmensdaten und weshalb sind genau solche Daten für Behörden, Unternehmer, wohl auch Privatpersonen oder die Finanz wichtig?

Ein Sofort-Zugriff auf Milliarden von offiziellen Einträgen, die revisionssicher mit Zeitstempel abgespeichert werden können, dient einerseits für große Konzerne oder Finanzdienstleister (in regulierten Industrien) als Nachweis zur Erfüllung der strikten Anti-Geldwäsche-Richtlinien. Anderseits profitieren Unternehmen bis zur kleinsten Firma von diesen Echtzeitdaten, da sie sich dann stets sicher sein können, dass der jeweilige Geschäftspartner auch der ist, den er vorgibt zu sein und die Daten korrekt sind. Dies schützt auch die eigene Firma vor Risiken wie Lieferanten- oder Anbieterausfällen oder auch dabei, einen Betrug zu vermeiden.

Welche Gefahren ergeben sich, wenn man sich auf veraltete, ineffiziente manuelle KYB-Prozesse verlässt?

Wir stehen wahrscheinlich noch am Anfang der tatsächlichen Wirtschaftskrise. Die Zentralbanken und COVID-Hilfsprogramme haben kurzfristig viel Geld in den Markt gepumpt. Dass dies nicht ewig so geht, sollte allen klar sein und eine Insolvenz konnte teilweise über ein Jahr lang hinausgezögert werden. Genau jetzt sollte man ganz genau überprüfen, welche Firma gesund ist oder was sich bei den eigenen Kunden oder Geschäftspartnern verändert hat. Diese Prüfungen haben aber viele Staaten bewusst weggelassen und wichtige Checks nicht durchgeführt, um diese Hilfen auch schnell und unkompliziert zustellen zu können. Ein veralteter, bürokratischer und oftmals manueller Prozess wäre mit den neuen Anforderungen überfordert gewesen und wurde deshalb aus pragmatischen Gründen stark vereinfacht umgesetzt. Dies öffnete dem Missbrauch natürlich Tür und Tor. Es wäre ratsam gewesen, auf eine automatisierte und auf digital verfügbaren Echtzeit-Daten basierende Verifizierung- und Prüfung dieser Anträge zu setzen. Dies hätte viel Geld eingespart und auch viel Ärger im Nachhinein verhindern können.

Kommen wir zu den Corona-Beihilfen: Wie kann mit Hilfe der Technologie sichergestellt werden, dass berechtigte Firmen Hilfszahlungen erhalten?

Derzeit ist es uns als einzigen Anbieter möglich, auf die Daten von Handelsregistern oder den Registern von Finanz- und Steuerbehörden in über 200 Ländern und Jurisdiktionen in Echtzeit zuzugreifen. Zudem sind wir eine offizielle staatliche Verrechnungsstelle für kommerzielle Register und decken mit unserer Technologie in etwa die Daten von 110 Millionen Unternehmen weltweit ab. Diese Daten sind für alle Marktteilnehmer von größter Wichtigkeit, da sie dabei helfen die eigenen unternehmerischen Sorgfaltspflichten im Bereich Compliance wie auch die strikten Anti-Geldwäsche Richtlinien zu erfüllen. Mit einem Zugriff hierauf wäre es einfach gewesen auch europaweit jeden Antrag auf seine Richtigkeit und auch seine Berechtigung zu prüfen.

Gab es Corona-Betrug in Österreich und falls ja, wie hätte man diesen verhindern können?

Genaue Daten hierzu werden sicher noch folgen, aber erst kürzlich veröffentlichte Finanzminister Blümel ein Statement, dass über 1.000 »Risiko-Anträgen« im Wert von über 20 Mio. Euro nachgegangen wurde. Derzeit ist es also noch zu früh, um genaue Prognosen geben zu können oder jemanden anzukreiden, aber in Großbritannien sind von 43,5 Milliarden Pfund im Rahmen des »Bounce Bank Loans Scheme« an angeschlagene Unternehmen bereits mehr als die Hälfte verloren gegangen.

Es steht also viel auf dem Spiel, wenn bei der Überprüfung von Unternehmen Fehler gemacht werden. Wir empfehlen bei solchen Prozessen, stets auf die aktuellsten Daten sowie auf die neuste verfügbare Technologie zu setzen, um Risiken zu vermeiden und effizient arbeiten zu können.


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