Das internationale Antipiraterie-Abkommen ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) hat grundlegende netzpolitische, rechtliche und gesellschaftliche Fragen aufgeworfen. [...]
ACTA ist ein komplexer juristischer Text und auslegungsbedürftig, so Nikolaus Forgó, Leiter des Instituts für Rechtsinformatik der Leibniz Universität Hannover, gegenüber der Nachrichtenagentur pressetext. Die neue Regelung sieht strengere Maßnahmen im Kampf gegen die Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte im Internet vor. Außerdem soll der Handel mit gefälschten Waren intensiver bekämpft werden.
Das Abkommen sollte primär dazu dienen, Produkt- und Medikamentenfälschungen einzudämmen. Dennoch scheint es so, als sollte durch ACTA auch der Online-Konsum von Film, Musik und Kunst durch die Hintertür geregelt werden. Ob ein internationales Handelsabkommen jedoch das richtige Mittel ist, um die Rechtsdurchsetzung am digitalen Markt zu regulieren, erscheint für viele Experten fraglich. „Der Text ist hoch abstrakt und lässt Interpretationsspielräume zu, die deutlich in Richtung einer einseitigen Stärkung der Durchsetzbarkeit von Immaterialgüterrechten zu Lasten von individuellen Freiheitsrechten gehen“, betont Forgó.
Gerade wegen der bisher sehr geringen Beteiligung der allgemeinen Öffentlichkeit wie auch vieler Betroffener erwarten viele eine einseitige Betonung der Interessen von Rechteinhabern um den Preis einer innovationsfeindlichen weiteren Zurückdrängung individueller Freiheitsrechte im Internet. „Unklar ist in diesem Zusammenhang auch, welche strafrechtlichen Mechanismen in den einzelnen Ländern angewendet werden. Auch die Frage des Schadensersatzes ist zu klären“, unterstreicht Forgó.
Mehr öffentliche Debatte des Textes wie der hinter ihm stehenden Wertentscheidungen ist dringend angezeigt. „Die Vertragsverhandlungen wurden unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt. Es gibt auch keine Möglichkeit mehr in den nationalen Parlamenten darüber zu debattieren“, sagt Forgó. Auch die Diskussion in Österreich sei leider zu spät erwacht. Der Ball liegt nun beim EU-Parlament, das im Juni über das Abkommen abstimmen wird. Experten gehen von einer Ablehnung aus.
Auch für Internetanbieter ist das Abkommen problematisch, denn laut der aktuellen Fassung können diese zur Durchsetzung des Urheberrechts in die Pflicht genommen werden. „Die Analyse von Inhalten kann und darf nicht den Anbietern obliegen. Wir wollen keine Hilfssheriffs für die Behörden sein“, betont Maximilian Schubert, Generalsekretär der Internet Service Providers Austria (ISPA), gegenüber pressetext. Die Aufgabe der Anbieter ist es, die technischen Voraussetzungen für den Zugang zum Netz sicherzustellen. (pte)
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