„Hacker könnten Ihre Toiletten steuern“

Obwohl die Cyberkriminellen immer einen Schritt voraus zu sein scheinen, macht es umso mehr Sinn, private oder sensible Daten im Internet zu verschlüsseln. Aber auch eine gewisse Awareness jedes einzelnen Users kann schon viel Unheil und Kosten abwenden. [...]

Im Rahmen der alljährlichen Technologiegespräche beim Forum Alpbach hat der Associate Director des Cyber Security Centre der Universität Oxford und Senior Research Fellow des Oxford Internet Institute, Ian Brown,  am Arbeitskreis „Web attack! Der Kampf gegen ­Hacker und Datenverlust“ und an der Podiumsdiskussion „Cybercrime und Cybersecurity“ teilgenommen.

Was ist in der Cyberwelt die größte Bedrohung für Privatpersonen?
Ian Brown:
Die größte „Alltagsgefahr“ im Internet ist Betrug, meist wird Geld über Bankomat- und Kreditkarten oder direkt von den Bankkonten gestohlen. Außerdem geben sich Kriminelle als jemand anderer aus, um an Kredite zu kommen, dazu benutzen sie persönliche Informationen, die sie sich online besorgt haben.

Man sagt oft, bei der Internet-Sicherheit sind die Benutzer das schwächste Glied in der Kette, sie hätten zum Beispiel zu einfache Passwörter, teilen persönliche Informationen in sozialen Netzwerken und speichern sensible Daten auf Cloud-Servern. Fehlt es hier an Sicherheits-Bewusstsein?
Es ist sogar für Fachkräfte schwierig, bei den ständig neuen Sicherheitstechnologien und -Bedrohungen am Laufenden zu bleiben. Sehr oft dienen auch Dinge wie „Ausbildungs“-Programme für die Betreiber als Ausrede, um die Verantwortung einfach an die Benutzer abzuschieben.

Was sollte man als Benutzer tun, um seinen PC, sein Smartphone und ähnliche ans Internet angeschlossene Geräte sicher, aber nicht übervorsichtig zu verwenden?
Die Leute sollten monatlich ihre Bank- und Kreditkartenabrechnungen nach unautorisierten Transaktionen überprüfen und in E-Mails und sozialen Netzwerken nie einen Link in einer Nachricht anklicken, die behauptet, sie wäre von ihrer Bank. Sie sollten auch darauf achten, dass ihre Software, vor allem das Betriebssystem wie etwa Windows, so konfiguriert ist, dass automatische Updates vorgenommen werden.

Wer sind die typischen Cyberkriminellen – Organisationen oder Einzeltäter, erfahrene Hacker oder Amateur­betrüger?
Alle diese Gruppen sind heutzutage im Geschäft. Es gibt eine hoch entwickelte Untergrundwirtschaft, in der Programmierer Software, die Informationen von unsicheren Systemen stiehlt, an kriminelle Banden verkauft und diese verkaufen wiederum die Daten, die sie damit bekommen haben, wie Kreditkarten- und Konten­details, an andere internationale Banden, die damit schließlich an das Geld der Opfer kommen.

Es gibt heute schon sehr viele „intelligente“ Geräte wie etwa Smartphones, und es sollen noch mehr werden. In einem Ihrer Fachartikel („Pricacy in the age of mobility and smart devices in smart homes“) beschäftigen Sie sich mit den möglichen Risiken, wenn solche Technologien in unsere Wohnungen einziehen. Was könnte da etwa passieren?
Wenn bei der Entwicklung dieser „Smart home“-Systeme die Sicherheit nicht ernster genommen wird als bei einem typischen PC oder Smartphone, wird ein Hacker all das machen können, was auch der Besitzer eines solchen schlauen Hauses machen kann. Zum Beispiel die Temperatur, Videokameras, Bewegungen und ähnliches aus der Ferne beobachten, die Vorhänge und Rollos auf und zu machen, die Heizung aufdrehen und sogar die Toiletten steuern.

Nach den Ereignissen um den Whistleblower Edward Snowden sind Überwachungsprogramme wie Prism, XKeyscore und die systematische und umfassende Überwachung von Internet-Benutzern und ihrer Daten besonders aktuell. Glauben Sie, dass die derzeitige Diskussion zu strengeren Gesetzen führen und Druck auf die Regierungen in den USA und der EU ausüben wird, sodass sie die Cyber-Überwachung aufgeben oder zumindest aufhören, sie ständig auszubauen – oder ist dieses Spiel schon längst verloren?
Nein. Ich glaube, es hat so eine starke ­Gegenreaktion gegeben, dass selbst die ­Geheimdienste ein paar Restriktionen auferlegt bekommen werden, und in Zukunft nicht mehr alles tun dürfen, so wie bisher. Aber es gibt generell einen großen Trend, mehr Daten zu sammeln und zu analysieren – von der Wirtschaft genauso wie von Regierungen, dass es langfristig sehr schwer sein wird, dass diese Restriktionen etwas bewirken.

Kann man überhaupt verhindern, dass man über den Cyberspace beobachtet wird: Ausgaben über Kredit- und Bankomatkarten können verfolgt werden, man kann Personen anhand ihrer Mobiltelefone orten, untersuchen mit wem sie sprechen und wem sie E-Mails schicken?
Man kann bar zahlen, Kundenkarten von Geschäften ablehnen und aufpassen, welche Informationen man auf Cloud-Servern wie Dropbox oder Google Drive speichert. Aber man kann manche Services wie Mobiltelefone und die meisten sozialen Netzwerk-Seiten nicht nutzen, ohne eine bedeutende Menge an Informationen an diese Firmen, und wie es aussieht auch Geheimdienste, abzugeben.

Was kann man tun, um die eigenen Daten privat zu halten und nicht die Aufmerksamkeit des Big Brothers auf sich zu ziehen? Wenn man seine Daten unverschlüsselt im Internet speichert, können die Anbieter und auch die Geheimdienste sie ungehindert lesen. Wenn man sie verschlüsselt, ist man im Fokus von Programmen wie XKeyscore?
Die persönlichen und sensiblen Daten zu verschlüsseln lohnt immer noch, vor allem wenn viele Leute nun ihre Daten verschlüsseln, fällt man gar nicht mehr in der Menge auf.

Glauben Sie, die USA sind das einzige Land, dessen Regierung die Internet-Aktivität von Fremden und vielleicht auch ihrer Bürger ausspioniert?
Sicher nicht. Wir wissen, dass die USA bei ihren Überwachungsprogrammen viele Partner haben. Ich halte die vom World-Information Institute veröffentlichte Liste an am Echelon-Programm Beteiligten für plausibel. Frankreich treibt Ähnliches, angeblich in Kooperation mit der Schweiz und Deutschland, genau so wie Schweden. Und ich habe überhaupt keine Zweifel, dass dies auch noch viele andere Staaten tun. (aw/apa)


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