Laut der aktuellen österreichischen Gesetzeslage ist es IT-Unternehmen nicht möglich, Software in der Bilanz zu aktivieren. Die Folge davon: Innovative Ideen und damit auch die Wertschöpfung, die diese generieren würden, wandern in andere Länder ab. Martin Mai, Österreich-Geschäftsführer von NTT Data, im Gespräch mit der COMPUTERWELT. [...]
Nach etlichen Übernahmen gehört NTT Data, Beratungs- und IT-Dienstleistungshaus der japanischen NTT Group, mit weltweit rund 76.000 Mitarbeitern inzwischen zu den größten IT-Dienstleistern der Welt. Im Gespräch mit der COMPUTERWELT erklärt Österreich-Geschäftsführer Martin Mai, was die Stärken von NTT Data sind und warum die heimische IT-Branche durch bestimmte gesetzliche Rahmenbedingungen ausgebremst wird.
Was genau macht NTT Data?
Martin Mai: Unser Geschäft beginnt beim Betriebssystem Oberkante aufwärts, im Sinne von Dienstleistung, Integrationsleistungen, Individualsoftwareentwicklung bis hin zu Advisory-Services, wo wir Unternehmen bei der IT-Strategie beraten.
Agiert NTT DATA herstellerneutral?
Wir sind grundsätzlich herstellerneutral, haben aber schon präferierte Partner. Im Bereich IT-Service-Management zum Beispiel, in Österreich einer unserer größten Umsatzbringer, haben wir BMC mit dem Produkt Remedy als Partner und sind in dem Bereich Marktführer. Da machen wir Beratung und Dienstleistung bis hin zum Applikationsbetrieb.
Gibt es weitere Schwerpunkte?
Ja, zum Beispiel das Thema i-Mobility: Da geht es uns darum, am österreichischen Markt und auch darüber hinaus Elektromobilität zu fördern. Derzeit kommen immer mehr Elektroautos auf den Markt und die muss man natürlich irgendwo aufladen können. Im Rahmen des Ballade-Forschungsprojektes, für das wir den österreichischen Staatspreis Mobilität 2011 gewonnen haben, hat A1 Elektroladepunkte in Telefonzellen eingebaut und wir haben dann die Software dazu geliefert. Aus diesem Projekt heraus ist dann sogar ein eigenes Produkt Namens Open Charging Station Controller (OCC) entstanden, das wir heute an Kunden verkaufen, die Ladestellen betreiben. Das sind Energieversorger oder Garagenbetreiber, die Ladestellen in ihren Garagen stehen haben.
Was kann OCC?
Mit der OCC-Software kann man zum Beispiel Ladevorgänge starten und stoppen oder schauen, wie voll das Auto ist. Darüber hinaus ermöglicht es OCC beispielsweise, dass man mit der ChargeNow-Karte von BMW seinen BMW i3 auch in Österreich laden kann. Im Hintergrund läuft dabei unser System und kümmert sich um Authentifizierung, Verrechnung, Kundenmanagement etc. Das ist eines unserer Schwerpunktthemen, wo wir auch Entwicklung betreiben, also wirklich investieren.
Steht das „Data“ in NTT Data für den Umgang mit Big Data?
Business-Intelligence-Lösungen für SAP sind eine unserer Stärken in Österreich – Stichwort Big Data und HANA. Diese Schlagworte sind schon länger präsent, aber nun beginnt der Markt anzuziehen und zu den Buzzwörtern kommen konkrete Projekte dazu. Echtzeitanalysen und Auswertung von großen Datenmengen sind im Kommen und stellen für uns in Österreich einen Wachstumszweig dar.
Was hat heimische Unternehmen bisher davon abgehalten, Big-Data-Lösungen einzuführen?
Da muss man sich nur anschauen, was solche Lösungen kosten und wie der Lifecycle ist. Das sind große teure Systeme, in die man ein Mal viel investiert und sie dann lange betreibt, ähnlich wie bei ERP-Systemen. Diese Investitionen zu tätigen, damit sind viele Unternehmen vorsichtig. Europa ist da noch nicht so sensibilisiert, was man mit Big Data alles machen kann und welche Flexibilität und schnelle Reaktionen Big Data erlaubt. Bei dem Thema geht es auch um kreative neue Ideen, um Innovation, aber leider ist Innovation in Österreich nicht mehr so ein wichtiges Thema. Meiner Meinung nach wird Innovation in Österreich von der Gesetzgebung gebremst.
Inwiefern?
Innovation heißt, ich muss investieren. Und da haben wir in der österreichischen Gesetzgebung einen Riegel davor. Investitionen, die ich heute im Bereich der Softwareentwicklung tätige, kann ich in meinen Büchern nach österreichischem Recht UGB (Unternehmensgesetzbuch) nicht aktivieren. Nach IFRS (International Financial Reporting Standards) geht das sehr wohl. Das bedeutet, dass Unternehmen mit einem Standort in Österreich vielfach gar nicht Innovationen treiben können, weil die wahrscheinlich nach einem halben Jahr oder Jahr sagen müssen: Das kann ich mir eigentlich gar nicht leisten, weil ich meine Baustelle, die ich habe, und Softwareentwicklung ist eine Baustelle, nicht in der Bilanz aktivieren kann. Im Baugewerbe kann man eine halbfertige Baustelle sehr wohl aktivieren, aber das kann man halt auch angreifen.
Warum ist das so?
Bei Softwareentwicklung geht es um geistige Wertschöpfung und das zu bewerten, mit Zahlen zu hinterlegen, ist nicht ganz einfach. Es gibt aber durchaus Methoden und in anderen Ländern ist das ja auch möglich. In Deutschland zum Beispiel kann ich mir aussuchen, ob ich das in die Bilanz reinnehmen will oder nicht. Da sollte man im Bereich der Gesetzgebung etwas tun, um Innovation in Österreich wieder zu forcieren. Gerade die Hightech-Branche lebt von Software und in Österreich ist es derzeit schwierig als Softwareunternehmen Innovation zu betreiben. Wenn man nach IFRS und nach UGB bilanziert und das dann vergleicht, dann sieht man deutlich den Unterschied. Das macht es für viele Unternehmen schwer, weil beispielsweise ein KSV-Rating halt an solche Dinge gebunden ist. Wenn ich Software dagegen in der Bilanz aktivieren kann, dann ist das im Sinne des Eigenkapitals natürlich ein positiver Aspekt. Gerade wenn es um Investoren geht.
Was bedeutet das für den Standort Österreich?
Wenn sich da nichts ändert, dann wandert die Wertschöpfung am Ende des Tages aus Österreich wieder ab. In einem Konzern wie NTT Data macht man innovative Softwareentwicklungsprojekte wie im Bereich i-Mobility dann eben in einem anderen Land, wo man Software in der Bilanz aktivieren kann, und in Österreich wird die Software nur verkauft. Innovative Ideen wandern dann in Folge ins Ausland und damit eben wie gesagt auch die Wertschöpfung. Und das muss ja das Ziel sein: Wertschöpfung im Land Österreich voranzutreiben. Warum sollte ich in Österreich Softwareentwickler beschäftigen, wenn es woanders einfacher und billiger ist, Software zu entwickeln? Das macht es schwierig, in Österreich Assets zu haben, wie eben Softwareentwicklung und Expertise im Bereich i-Mobility, die im ganzen NTT-Konzern verkauft wird. So etwas schafft Wertschöpfung für Österreich, weil das Geld, das NTT damit verdient, ja auch wieder nach Österreich zurückfließt, da die Software hier geschaffen wurde. Und mit diesem Geld kann ich in Folge in Österreich weiter in Softwareentwicklung investieren.
Haben Sie dadurch Probleme innerhalb des NTT-Konzerns?
Ich bilanziere nach IFRS Richtung Konzern und nach UGB hier lokal. Der Konzern sagt dann: Dir geht es eh gut, du hast ja keine Probleme, ist doch alles super. Und ich antworte: Genau. Schaut euch meine UGB-Bilanz an, die ist nicht so super. Dieses Ungleichgewicht ist schon gewaltig. Und das müssen Sie dann einem Japaner erklären.
Ausländische Unternehmen, die in Österreich Fuß fassen wollen und hier Arbeitsplätze schaffen, haben es dadurch nicht leicht. Eine modernere Gesetzgebung würde der ganzen Branche sehr helfen. Ich bin Österreicher mit Herz und Blut und mir liegt viel daran, hier weiter Leute beschäftigen zu können. Dazu muss man aber entsprechende Rahmenbedingungen schaffen.
Welche Rahmenbedingungen?
Wir sind bei der Aktivierung von Softwareentwicklungsleistungen in den Bilanzen in Österreich hintennach. Wenn man sich die EU-Staaten anschaut, dann ist es überwiegend so, dass man aktivieren muss oder darf, und in Österreich darf man nicht. Das ist eine klare Benachteiligung. Könnte ich es mir zumindest aussuchen, wie es im deutschen HGB (Handelsgesetzbuch) vorgesehen ist, dann wäre uns schon sehr geholfen.
Das Gespräch führte Oliver Weiss.
Martin Mai
Martin Mai ist seit 1. Oktober 2011 Geschäftsführer von NTT Data Österreich. Der Telekommunikationstechniker startete seine Karriere 1989 bei der Post- und Telegraphenverwaltung Wien. 2001 übernahm Mai bei Jet2Web Network Services die Rolle des IT-Managers und leitete nach der Überführung der Jet2Web Network Services zur Telekom Austria strategische Customer-Service-Projekte.
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