„Hier passiert beinharte Pionierarbeit“

INFORMATICS ist SAP-Berater und -Entwickler. Da das Linzer Unternehmen eine große Bandbreite an Branchen und Industriegrößen bedient, ist es nicht für branchentypische Schwankungen anfällig. [...]

Was zeichnet aus Ihrer Sicht den IKT-Standort Oberösterreich gegenüber anderen heimischen Regionen aus?
Otto Kitzmüller:
Oberösterreich verfügt über eine sehr gute Ausbildungssituation. Wir haben mehrere Standorte für HTL EDVO, besitzen mit Hagenberg ein renommiertes Institut für Bildung und Forschung und können schlussendlich auch auf eine starke JKU setzen. Aus dieser guten ­Mischung aus praktischer Ausbildung und intensiver Forschungsarbeit sind viele Start­ups und auch wichtige Kräfte für die IKT entstanden.

Wie zufrieden sind Sie mit den Rahmenbedingungen in Oberösterreich?  
Grundsätzlich sieht man schon aufgrund vieler Aktionsschwerpunkte in der Ausbildung und in der Vernetzung der IKT-Branche, dass diese in OÖ einen hohen Stellenwert hat. Es wird in Coworking Spaces investiert. Es wird infrastrukturell zumindest in den Ballungsräumen versucht, den Start­ups zur Hand zu gehen. Klarerweise bleibt nach wie vor die kreative und unternehmerische Kraft bei den handelnden Personen. Grundsätzlich wäre OÖ als IKT-Standort nicht dort, wenn nicht die visionären Köpfe im Land wären. Hier passiert oftmals beinharte Pionierarbeit. Sei es in den Produkten oder auch im Umdenken einer dienstleistungsorientierten Branche. Wirtschaftlich – und somit auch politisch geprägt – ist es kein Honiglecken. Wir wirken in einer personalintensiven Umgebung. Und hier erhöhen sich zunehmend die Belastungen, die uns im internationalen Vergleich Wettbewerbsfähigkeit kosten. Leider ist es nach wie vor so, dass sowohl Banken als auch Politik sich mit der Dienstleistungsbranche schwer auseinandersetzen können – weil es oftmals nichts Greifbares ist. Somit fehlt hier auch das Verständnis. Eine klare Ansage an die Politik wäre, die Lohnnebenkosten und damit die steuerliche Hauptbelastung in den Griff zu bekommen. Denn wandert die Dienstleistung ab, wandert automatisch auch enorm wichtiges Prozesswissen aus Österreich ab.

Wie zufrieden sind Sie mit der Geschäftsentwicklung in den letzten 12 Monaten?
Mit der eigenen Geschäftsentwicklung bin ich hoch zufrieden. Wobei das sicher nicht für die gesamte Branche spricht. Wir haben uns vor Jahren schon auf eine sehr große Diversifikation verstanden. So bedienen wir einen sehr große Bandbreite an Branchen und Industriegrößen. Das macht uns weder für saisonale noch für branchentypische Schwankungen anfällig. Somit spüren wir zwar, dass die Investfreudigkeit in den letzten Monaten branchenübergreifend noch nicht wieder angesprungen ist, jedoch erleben wir in manchen Industrien einen Aufschwung.
 
Was waren die Highlights aus den vergangenen Jahren in diesem Bereich?
Eine absolut erfreuliche Entwicklung ist es, dass wir als mittelständisches Privatunternehmen aus eigener Kraft ins Licht unserer Branche gerückt sind. Damit stellen wir uns auf die Ebene von großen investorengestützten Consultinghäusern aus Österreich und Europa. Das war auch ein wichtiger Schritt in unsere Internationalisierung, welche jetzt auch stark voran getrieben wird. Zudem können wir jetzt neben unseren Dienstleistungsqualitäten auch zeigen, dass wir uns ebenso als Produktentwickler behaupten können. Wir füllen auch die letzten funktionalen Lücken im SAP und können mit unserem SAP-integrierten Legal Compliance Tool die Stärken von integrativen Systemanwendungen ausspielen. Hier ist uns auch ein großer Coup mit einem der größten Verkehrsdienstleister in Österreich geglückt.

Wie zufrieden sind Sie mit der Ausbildungsqualität oberösterreichischer Einrichtungen wie Fachhochschulen oder Universitäten?
Die Ausbildungsqualität ist, wie erwähnt, in Oberösterreich eine der größten Stärken als IKT-Standort. Genau die Mischung aus praxisnaher Ausbildung und der Möglichkeit, an neuen Technologien zu forschen, bringen das notwendige Potenzial in die Köpfe und somit dann auch in die Arbeitswelt. Lediglich unsere Berufssparte – Wirtschaftsinformatik – wird derzeit meiner Meinung nach zu wenig schmackhaft ­verkauft. Man versucht, die angehenden Professionisten mit den modernen Schlagworten in der IT für sich zu gewinnen. So er­leben wir einen wahren Boom an Medientechnikern und App-Entwicklern. Wirtschaftliche IT-Prozesse geraten hierbei etwas in den Schatten und erhalten nicht die nötige Aufmerksamkeit. Wir arbeiten dazu mit unterschiedlichsten Institutionen zusammen, um im Rahmen von Praktika und Projekten diese Neugier wieder mehr zu wecken.

Wie stark leiden Sie unter dem Phänomen des Facharbeitermangels und welche Gegenmaßnahmen ergreifen Sie?
Es ist schwer, den Mangel an Fachkräften in den Griff zu bekommen. Wir kämpfen derzeit mit zwei Problemfeldern. Zum einem erleben wir in der IKT einen Generationenwechsel. Nach meinem Gefühl hat man das total verschlafen. Es wechseln viele wichtige Knowhow-Träger in die Pension und es wurde zu spät mit der Wissensweitergabe begonnen. Das zweite Problem ist der große Zuwachs an neuen IKT-Branchen. Die rasante Digitalisierung unserer Welt eröffnet so schnell neue unternehmerische Möglichkeiten, dass unser doch sehr großes Ausbildungskontingent dem noch nicht gerecht wird. Aber dennoch denke ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es wird sich in den nächsten Jahren die Problematik aus der Basisausbildung her wieder eindämmen. Dennoch wird man in der Ausbildung nicht alle IKT-Schwerpunkte unterbringen können. Deshalb werden Unternehmen wie wir immer dazu angehalten sein, die Detailausbildungen auch selber voran zu treiben. Indem wir einen großen Teil des Unternehmenserfolges wieder in die Mentoringprogramme unserer Juniors stecken, sind wir zuversichtlich, auch zukünftig mit den Anforderungen wachsen zu können.


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