Gleichzeitig mit der Einführung der Kollaborationslösung Verse präsentiert IBM eine neue Ära seiner Unternehmenskultur: Im Zentrum steht der Design-Thinking-Ansatz, der den Kunden in den Mittelpunkt stellt und alle Geschäftseinheiten von Big Blue umfasst. [...]
IBM Verse ist Unternehmensangaben zufolge das Ergebnis einer 100 Millionen Dollar-Investition und bringt erstmals Cloud-, Analytics- Social- und Security-Funktionen zusammen, um dem Arbeiten mit E-Mail den Weg in die Zukunft zu bahnen. Die COMPUTERWELT sprach mit Scott Souder, Program Director Messaging & Collaboration bei IBM Collaboration Solutions und Karel Vredenburg, Director IBM Design. Das komplette Interview lesen Sie unter www.itwelt.at.
Verse soll das erste Ergebnis von IBMs Design-Thinking-Ansatz sein. Was verbirgt sich dahinter?
Karel Vredenburg: Unser Design-Programm läuft schon längere Zeit. Wir haben uns in den letzten Jahren darauf konzentriert, entsprechendes Knowhow aufzubauen. Wir haben auch viele Designer eingestellt, derzeit sind es rund 1.000, dieses Jahr sollen 200 hinzukommen. Wir sind gerade dabei, das gesamte Unternehmen in diese Richtung zu verändern.
Welche konkrete Schritte setzen Sie, diesen Ansatz unternehmensweit auszurollen?
Vredenburg: Im Zentrum stehen die Design Camps. Wir haben Vier-Stunden-Camps für das Top-Management eingerichtet, Ein-Tages-Camps etwa für Produktleiter und Ein-Wochen-Camps, wo Designer, Entwickler, Business-Mitarbeiter und Kunden zusammenkommen, um Projekte wie Verse zu diskutieren.
Was machen Designer besser als die anderen?
Vredenburg: Unser Ansatz ist nicht der, dass nur die Designer für die Kreativität zuständig sind. Jedes Teammitglied kann etwas Einzigartiges beitragen. Entscheidend ist, dass alle Beteiligten dem Design-Thinking-Ansatz folgen. Nur wenn jeder einzelne diesen Geist entwickelt, erhält man ein tiefes Verständnis dafür, für wen man designt.
Wie war das im Fall von Verse?
Vredenburg: Früher haben wir Umfragen und Marktanalysen gestartet, um die Zielgruppe besser zu verstehen. Das Ergebnis waren eher oberflächliche Informationen. Für Verse wollten wir ganz genau wissen, wie Menschen arbeiten, wodurch Stress entsteht, was ihnen Kopfschmerzen bereitet, wer mit wem zusammenarbeitet. Auf Basis dieses tiefen Verständnisses haben wir die Funktionen von Verse entwickelt.
Was verursacht die größten Probleme?
Scott Souder: Wir adressieren vor allem drei Aspekte: Der eine ist die E-Mail-Flut. Der zweite Aspekt ist, dass ich niemanden habe, der mir hilft, die hereinkommenden E-Mails oder Kalendereinträge zu priorisieren. Drittens: Es reicht oft nicht, E-Mails einfach an Kollegen oder Vorgesetzte weiterzuleiten, es fehlt der soziale Aspekt. Dazu kommt, dass ich Dokumente suche, mich aber nicht mehr erinnern kann, ob diese Dokumente in einem Anhang waren oder im E-Mail-Text. Aus diesem Grund haben wir in Verse sehr intelligente und hochperformante Suchtechnologien integriert. Die Lösung hilft, E-Mails oder Kalendereinträge zu priorisieren und fügt auch den sozialen Aspekt hinzu.
Welche Go-to-market-Strategie verfolgen Sie?
Souder: Der Fokus liegt auf Cloud. Wir planen für Ende 2015, Anfang 2016 zudem eine On-Premise-Version.
Soll Verse Notes ersetzen?
Souder: Es gibt nach wie vor eine große Nachfrage nach Notes. Daher werden wir auch weiterhin investieren. Die Innovations-Budgets gehen jedoch in Richtung Verse. Wird Notes die eine oder andere Funktion von Verse übernehmen? Vielleicht, wir wissen es heute noch nicht. Verse ist ein vollkommen neues Produkt, das mit Notes nicht zu vergleichen ist. Wir gehen mit Verse völlig neue Wege. So verfolgen wir ein für uns neues Business-Modell: Es wird unter anderem eine Freemium-Version geben, die den vollen Funktionsumfang bieten und sich nur etwa beim Speicherangebot von der Bezahlversion unterscheidet. Je mehr Menschen Verse in einem Unternehmen nutzen, desto besser ist die Nutzererfahrung. Auch die Stärken von Watson – etwa die Priorisierung von Informationen – werden vor allem dann ausgespielt, wenn Verse von vielen verwendet wird. Ich bin aber überzeugt, dass Verse auch in der Consumer-Version genügend Mehrwert bietet. Für uns neu ist auch das Marketing: Wir sind bis jetzt nie Kampagnen auf Produktebene gefahren. Bei Verse haben wir sogar Werbung bei den NFL-Playoffs geschalten.
Der Markt an Collaboration-Tools ist sehr umkämpft, auch von Startup-Seite. Was macht Verse einzigartig?
Souder: Aus meiner Sicht sind es zwei bis drei Aspekte, die Verse einzigartig machen. Zunächst die Erweiterbarkeit. Erweiterungen können von Business Partnern kommen oder aus unserem Haus. Zweitens die Integration zahlreicher Technologien, die alle von IBM stammen. Und natürlich Watson. Die Lösung bewegt sich in Richtung Assistenzsystem. Was den Einsatz von Watson betrifft, haben wir erst an der Oberfläche gekratzt. Wir schaffen gerade Use Cases.
Vredenburg: Die Besonderheit von IBM liegt in unserer Fähigkeit, trotz der Unternehmensgröße intern sehr eng zusammenarbeiten zu können. Dazu kommt, dass die zukunftsweisenden Technologien wie etwa Watson nur einen Anruf oder ein E-Mail entfernt sind. Dank Design Thinking funktioniert die interne Zusammenarbeit sehr gut. Jede Geschäftseinheit hält sich daran.
An welche Watson-Use Cases denken Sie?
Souder: In einer künftigen Version wird das intelligente System hinter dem Kalender mögliche Terminkonflikte selbstständig lösen, indem es von sich aus einen neuen Termin organisiert. In einem anderen Beispiel analysiert Watson auf Wunsch den Grundton einer E-Mail. Ist der Ton etwa zu aggressiv, schlägt das System Alternativen vor.
Wird Verse auf allen mobilen Plattformen laufen?
Souder: Es wird native Apps für Android und iOS geben. Windows Phone wird gerade diskutiert. Wir sehen ein gewisses Wachstum – das groß genug ist, um die Entwicklung weiterhin zu beobachten, aber nicht groß genug, um umfangreich zu investieren.
Das Gespräch führte Wolfgang Franz.
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