Die Software AG ist seit 30 Jahren auch auf dem österreichischen Markt tätig und sieht die Digitalisierung als Schubthema, wie der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Streibich im COMPUTERWELT-Interview erklärt. [...]
Das Softwareunternehmen aus Deutschland, das mit 4.300 Mitarbeitern in über 70 Ländern aktiv ist, betreut von Wien aus bereits seit 1985 Kunden wie die Erste Group Bank, ÖBB, Raiffeisen und die Österreichische Nationalbank. Die COMPUTERWELT hatte im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten die Möglichkeit, mit dem Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Streibich zu sprechen.
Die Software AG ist seit 45 Jahren aktiv, 30 davon auch in Österreich, und hat schon viele Hypes mitgemacht. Wie stehen sie zum
Schlagwort Digitalisierung?
Der springende Punkt ist nicht die genaue Definition der Digitalisierung oder was man mit IT beschreiben kann. Dass Daten digital vorliegen, war der Beginn der Digitalisierung. Die IT war somit die lange Vorbereitung der Digitalisierung. Durch den technischen Fortschritt, den wir heute haben, ist der Durchstich im Tunnel geschafft worden. Heute können riesige Datenmengen in Echtzeit verarbeitet, gemessen, analysiert und automatisiert Entscheidungen davon abgeleitet werden. Das war bisher nicht möglich und hat eine explosionsartige Erweiterung der Anwendungsfälle gebracht. Das »Digital Enterpise« ist ein Unternehmen, das in Echtzeit Anwendungen hat und in Echtzeit Daten verarbeiten kann.
Schafft Digitalisierung nicht grundsätzlich neue Geschäftsmodelle?
Neue disruptive Geschäftsmodelle haben eines gemeinsam. Sie treiben einen Keil zwischen die klassische Verbindung der Firmen zu den Konsumenten. Sie absorbieren die Konsumenten und geben ihnen ein ganz neues, echtzeit-bezogenes Informationsgefühl. Sowohl bei der Information, was das richtige Produkt für sie ist, als auch über das anschließende Fulfillment.
Ist das nicht negativ für die etablierten Firmen oder haben diese den Trend verschlafen?
Was heißt denn disruptiv? Es heißt, dass die vorhandenen Strukturen, Kundenverbindungen und Geschäftsmodelle unter die Räder kommen. Fragen Sie mal Nokia, ob das ein bisschen negativ war, dass Software so leistungsfähig geworden ist, dass man große Teile der Hardware nicht mehr braucht. Das ist ein disruptives, gewaltig negatives Wettbewerbsrisiko für jede Firma, die glaubt, es geht an ihr vorbei. Vermeidbar oder nicht vermeidbar – klar, im Einzelfall immer verschlafen. Aber dass es Airbnb gibt, das ist wie höhere Gewalt für Hotels. Mittlerweile gehen wahrscheinlich Millionen Betten über diese Plattform. Oder wie bei Uber, wo Fahrten privat anstatt über Taxiunternehmen organisiert werden. Oder dass Alibaba 15 Millionen kleine Firmen von 600 Millionen Konsumenten trennt. Haben die kleinen Firmen etwas verschlafen? Nein, Digitalisierung ist wie eine Naturgewalt.
Es wird teilweise versucht, diesen Trend durch Regulierung
einzubremsen. Macht das Sinn?
Temporär kann man das mal eindämmen und verlangsamen. Aber am grundlegenden Trend der Digitalisierung wird kein Gesetzgeber irgendetwas verhindern können.
Wo steht die Software AG in diesem Trend?
Für uns ist das eine Riesenchance. Wir waren in allen drei grundsätzlichen Innovationszyklen präsent. Bei Data Center und Middleware – und jetzt sind wir über die Real Time Data Analytics-Plattform bei Themen wie Internet der Dinge und Industie 4.0 mit dabei. Wir sind quasi einer der Treiber der Digitalisierung. Durch die Middleware waren wir schon in diesem Auge des Hurrikanes präsent und haben das Portfolio durch die erwähnte Plattform – Stichwort Streaming Analytics – entsprechend erweitert.
Wie weit reicht das Verständnis der Unternehmen für das Thema
Digitalisierung?
Wir stehen ganz am Anfang und das wird uns jetzt Jahrzehnte begleiten. Wenn mal alles digitalisiert ist, dann hat man eine Situation wie mit einem digitalen Fernseher zu Hause. Ein analoger Fernseher ist wie ein dummes Terminal. Digital können sie selbst gestalten. Sie können bestimmen, wann sie was sehen wollen. Wenn die Firmen in Zukunft voll digitalisiert sind, erst dann beginnt die Geschäftsmodell-Kreativität – dann haben sie keine analogen Schranken mehr. Dann können Sie Dinge mit der Software und der Analyse der Daten machen, die vorher undenkbar waren.
Wo liegen die Herausforderungen für die Software AG?
Man muss immer einen Schritt voraus sein. Wir haben vor vier Jahren begonnen, unsere Echtzeit Datamanagement-Kompetenz mit der Akquisition von Unternehmen aufzubauen. Es dauert immer drei bis fünf Jahre, bis man ein entsprechendes Portfolio bereit hat. Wir sind bei Streaming Analytics der Technologieführer.
Wie wird es denn in drei bis fünf Jahren aussehen?
Jedes Thema entwickelt sich weiter. Mittlerweile ist jedes Device auch Datenlieferant. Jetzt ist es so, dass Produkte smart products sind. Die Daten alleine reichen nicht mehr. Es müssen weitere Kompetenzen vorhanden sein. Es muss unternehmensweit eine Plattform bereitgestellt werden, die von den Mitarbeitern genutzt werden kann. Digitalisierung ist für uns also ein Schubthema. Früher sind technologische Innovationen mit den Generationswechseln in den Führungseinheiten vonstatten gegangen. Heute gibt es drei oder vier Technologiewechsel innerhalb einer Führungs-Lebensspanne. Das ist die Problematik. Noch vor zehn Jahren haben Vorstände damit kokettiert, das sie keinen Laptop oder PC auf dem Schreibtisch stehen hätten. Das ist heute das Kokettieren mit dem Tod einer Firma. Nicht, weil er keinen Laptop auf dem Tisch hat, sondern weil er ignorant gegenüber Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung ist. Die Digitalisierung zu verstehen ist Allgemeinwissen, egal wo Sie arbeiten. Wenn Sie die Möglichkeiten der Digitalisierung nicht verstehen – ich meine nicht die Bits und Bytes – dann verstehen Sie das nicht, was heute das Business treibt, beeinflusst und nach vorne bringt. Mit ,Das versteh ich sowieso nicht‘ kommt man nicht mehr weit. Da ist man ein Analphabet beim Thema Digitalisierung.
Wie sehen Sie die Chancen, dass alteingesessene Firmen beginnen, diesen Begriff zu verstehen und nicht von jungen Startups, die Digitalisierung verstehen, aus dem Geschäft gedrängt werden?
Jede Branche wird von Startups attackiert. Jede Branche wird von digitalen Geschäftsmodellen attackiert. Deshalb wird jede Branche sich disruptiv verändern müssen. Entweder jeder tut das für sich selbst oder er fliegt aus dem Markt. Sie haben gesehen: Nokia hat es nicht geschafft. Die waren einmal Weltmarktführer. So geht es jeder Firma, die sich nicht darauf einstellt. Jede Bank, Thema Blockchain, jede Versicherung jedes Geschäftsmodell kann man auf einer Software-Plattform aufbauen.
Wenn ich als Geschäftsführer einer Firma zu Ihnen komme und Sie um drei Tipps bitten würde, wie ich anfangen soll, mein Unternehmen zu digitalisieren – was würden Sie mir raten?
Erstens: Beginnen Sie an der Kundenschnittstelle, das ist nie verkehrt. Ermöglichen Sie an der Kundenschnittstelle eine Kommunikation in Echtzeit mit potenziellen Kunden, wie es die großen »Digital Player« können. Der zweite Punkt ist, dass die internen Prozesse und Abläufe automatisiert werden. Denn wenn zwischen der digitalen Kommunikation mit dem Kunden und der internen Abwicklung nur Menschen stehen, dann funktioniert es auch nicht. Der dritte Punkt ist, dass man als produzierendes Unternehmen klar differenziert, welche Produkte man zu Smart Products machen muss, die jene Daten liefern, die man braucht, um neue digitale Geschäftsmodelle davon abzuleiten.
Wie steht es denn ihrer Meinung nach um die Digitalisierung in
Österreich?
Österreich nimmt in vielen Bereichen der Digitalisierung eine Spitzenposition ein. Insbesondere bei der digitalen Verwaltung ist der Standort im europaweiten Vergleich absoluter Vorreiter. Auf der anderen Seite herrscht noch eine gewisse Unsicherheit bei den Unternehmen. Wenn man einen Schritt in Richtung neuer Geschäftsmodelle geht, kann es bedeuten, dass das bestehende Geschäftsmodell kannibalisiert wird. Das ist durchaus bei dem einen oder anderen Unternehmen ein Thema, da ist eine Hürde da. Es gibt aber auch viele Unternehmen, die sehr gut unterwegs sind und das Thema verstanden haben. Diese tun auch etwas dafür.
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