»Immer mehr Kunden lagern aus«

PROGRAMMIERFABRIK unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung sowie der Wartung von Software- und Business-Intelligence-Lösungen sowie bei der Suche nach IT-Fachkräften. Die COMPUTERWELT hat mit Geschäftsführer Wilfried Seyruck gesprochen. [...]

Sind Lösungen im Cloud-Umfeld wie SaaS bei den heimischen Anwendern schon Commodity oder spüren Sie hier immer noch Zurückhaltung. Wenn ja, was sind die möglichen Ursachen dafür?
SaaS-Lösungen werden bei uns stark nachgefragt. Das liegt auch daran, dass wir diese Lösungen bei unserem Schwester-Unternehmen dem GRZ IT Center in Linz betreiben. Dieses Rechenzentrum gehört mit über 500 Mitarbeitern zu den größten Rechenzentren in Österreich. Da dort sehr viele Bankanwendungen laufen, können unsere Kunden darauf vertrauen, dass ihre Daten sicher sind und Österreich nicht verlassen.
Immer mehr Kunden, die sich von uns Individualsoftware erstellen lassen, lagern daher den Betrieb zu uns aus. Neben selbst entwickelten Lösungen betreiben wir aber verschiedene HR-Standardlösungen für zahlreiche Kunden. Die Lohnverrechnung für die über 10.000 österreichischen Mitarbeiter eines internationalen Automotive-Unternehmens läuft beispielsweise bei uns. Solche Kunden legen großen Wert darauf, dass der Betrieb in einem Rechenzentrum erfolgt, das alle relevanten Sicherheitszertifizierungen vorweisen kann.

Was ist Ihrer Ansicht nach in der modernen Software-Entwicklung besonders wichtig und wo wird der Weg in den nächsten ein bis zwei Jahren hinführen?
Der immer lauter werdende Ruf der Fachabteilungen nach besserer IT-Unterstützung zwingt Betriebe und Behörden dazu, IT-Projekte schneller umzusetzen. Mit agilen Entwicklungsansätzen lässt sich die Zeit bis neue Lösungen genutzt werden können, deutlich verkürzen. Zudem können so die besonders wichtigen Teile einer Lösung bereits früher entwickelt und bereitgestellt werden.

Als IT-Systemhaus können wir dabei auf umfangreiche Erfahrungen aus der Entwicklung eigener Standardlösungen zurückgreifen. Allein bei der Entwicklung der Kommunal-Management-Software k5 konnten bei über 100 Sprints, in denen mehr als 16.000 Personentage erbracht wurden, überaus positive Erfahrungen mit Scrum gemacht werden. Aus diesem Grund haben wir in den letzten Monaten weitere acht Scrum Master zertifizieren lassen.

Sie bieten maßgeschneiderte Lösungen für ganz bestimmte Branchen an. Welche sind das genau und wie individuell ist die jeweilige Software auf den Anwender zugeschnitten?
In partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den fünf führenden österreichischen Gemeinde-Software-Anbietern haben wir eine vollintegrierte Verwaltungslösung für Gemeinden entwickelt, die von unseren Partnern in ganz Österreich vertrieben wird. Derzeit verwenden schon 1.317 der 2.200 Gemeinden in Österreich diese Lösung. In den nächsten Monaten werden noch über 200 Gemeinden dazu kommen, die sich bereits für die Kommunal-Management-Lösung k5 entschieden haben. Bei der Entwicklung dieser Software mussten wir natürlich auf die besonderen Anforderungen in den einzelnen Bundesländern eingehen.
Darüber hinaus haben wir eine sehr spezialisierte Verwaltungslösung für Pathologie-Institute entwickelt, für die sich mittlerweile der Großteil der heimischen Institute entschieden hat. Unsere älteste Standardsoftware ist eine ERP-Lösung für Lagerhäuser, die viele verschiedene Branchen bedienen und daher ein speziell für sie entwickeltes ERP-System benötigen. Diese beiden Lösungen werden von uns selbst vertrieben.

PROGRAMMIERFABRIK unterstützt Kunden auch im Bereich HR. Haben Sie das Gefühl, dass der Fachkräftemangel langsam abflaut oder ist das Problem akuter denn je?
Das Problem ist akuter denn je und entwickelt sich immer mehr zur Konjunktur- und Wachstumsbremse. Die geburtenstarken Jahrgänge aus den 60er-Jahren, wo Familien noch durchschnittlich 3,4 Kinder hatten, stehen mittlerweile knapp vor der Pensionierung. Damit geht dem Arbeitsmarkt leider auch die erste starke Informatiker-Generation verloren.
Die dadurch entstehende Lücke kann durch die Absolventen der verschiedenen IT-Ausbildungseinrichtungen nicht abgedeckt werden. Auch weil demographiebedingt weniger junge Menschen mit Ausbildungen beginnen. Umso wichtiger wäre es, wenn wir das Potential an IT-Talenten voll ausschöpfen würden. Dazu müssten wir insbesondere mehr Frauen für IT begeistern, damit der Frauenanteil in der IT endlich auf die in anderen Ländern üblichen 50 Prozent steigt.

Wie beurteilen Sie die IT-Ausbildungssituation in Österreich? Ist sie in der Lage, das Problem in den Griff zu bekommen?
Wir haben hervorragende Ausbildungseinrichtungen für IT-Berufe. Diese können den Bedarf an IT-Fachkräften aber bei weitem nicht decken. Eine Erhöhung der IT-Ausbildungsplätze ist daher dringend erforderlich. An der Technischen Universität Wien beispielsweise bewerben sich jedes Jahr 900 junge Menschen um einen der knapp 600 Studienplätze.
Um den Bedarf zu decken müssen aber noch viel mehr junge Leute – insbesondere Frauen – für IT begeistert werden. Damit kann nicht früh genug begonnen werden. Mit dem Erlernen von problemlösungsorientiertem Denken, also dem Computational Thinking, muss daher schon in der Volksschule begonnen werden. Ab der Sekundärstufe I braucht es darüber hinaus einen verpflichtenden Informatik-Unterricht an allen Schulen in Österreich. Damit in der Schule aber auch wirklich Freude an der IT geweckt werden kann, muss auch die Ausbildung der Lehrkräfte verbessert werden. Eine informatische Ausbildung muss daher ein verpflichtender Bestandteil der Pädagogen-Ausbildung werden.

In welchem Geschäftsbereich erwarten Sie 2018 das größte Wachstum und warum?
Nachdem wir heuer mit der Bundesbeschaffungsgesellschaft mehrere Rahmenverträge abschließen konnten, über die öffentliche österreichische Organisationen bequem Software-Entwicklungsleistungen abrufen können, rechnen wir in diesem Bereich mit einem größeren Wachstum. Zumal der Bedarf der öffentlichen Hand im Bereich Data Warehouse beziehungsweise BI, App-Entwicklung sowie klassischer Software-Entwicklung mit C# durchaus gegeben ist.


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