In drei Schritten zur Steuerungsoptimierung

Das kontinuierliche Wachstum der Raiffeisen Informatik führte dazu, dass die bestehende betriebswirtschaftliche Steuerung optimiert werden musste. Das Projekt SPiRiT sollte den Grundstein für den zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens legen. [...]

Das bestehende Kostenrechnungssystem der Raiffeisen Informatik erfüllte die in der heutigen Zeit immer wichtiger werdenden Anforderungen zur Steuerung der IT-Services – einem der Kerngeschäfte des Unternehmens – nicht mehr. So wurde beispielsweise die unterjährige Kostensteuerung dadurch erschwert, dass vorab keine an Kostentreibern orientierte Kapazitätsplanung stattfand. Darüber hinaus waren die Umsatz- und Kostenplanungen vor Projektbeginn voneinander unabhängig und wurden erst spät im Prozess zusammen­geführt. Abweichungsanalysen und Forecasts waren dadurch aufwendig und schwer nachvollziehbar. In der Regel wurden Kosten- und Umsatzschlüsselungen eingesetzt, die nur begrenzt zu aussagefähigen Produkt- und Kundenergebnisrechnungen führten.

Im Zuge der prozessualen und organisatorischen Neuausrichtung des Unternehmens bestand der Wunsch nach einer gesamtheitlichen Neugestaltung der betriebswirtschaftlichen Planung und Steuerung. Zu diesem Zweck wurde im Jänner 2011 das Projekt SPiRiT („Steering the Productivity in the R-IT“) initiiert. Ziel war es, durch die Realisierung identifizierter Verbesserungspotenziale insbesondere die Transparenz und Steuerungsfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen. Das Projekt SPiRiT fokussierte zwar primär auf die betriebswirtschaftliche Steuerung, es wurde aber bereits zu Projektbeginn auf eine enge Abstimmung mit dem parallel laufenden Projekt „IT Service Management“ („iTSM“) zur fachlichen Betriebssteuerung geachtet. Folgende Projektziele wurden für SPiRiT formuliert:

  • Definition der steuerungsrelevanten Sichten, in welchen Kosten und Umsätze berichtet, aber auch geplant werden (Steuerungslogik). Um Auswertungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu ermöglichen, war hierbei eine Überleitung zwischen den Sichten sicher zu stellen.
  • Definition eines IT-Produktkataloges für die Wertschöpfungskette der Raiffeisen Informatik. Der IT-Produktkatalog soll als Basis für die verursachungsgerechte Zuordnung von Aufwänden dienen. Die Granularität und Struktur des Produktkatalogs wurde vorab – in Form von Designprinzipien – mit dem Top-Management der Raiffeisen Informatik festgelegt.
  • Spezifikation einer neuen Kosten-/Leistungsrechnung, welche eine verursachungsgerechte Zuordnung von definierten Aufwänden bis auf die Produkt-, Lösungs- und Kundenebene der Raiffeisen Informatik ­ermöglicht. Die daraus entstehenden Detailinformationen sollten in einer derartigen Granularität vorliegen, dass zukünftig funktionale Bereiche sowohl hinsichtlich Kosten als auch Umsatz gesteuert werden können.
  • Definition der Produkt- und Ergebnisrechnung, die eine belastbare Auskunft über die jeweilige tatsächliche Profitabilität der Kunden und Produkte ermöglicht.
  • Neugestaltung der Planungs- und Forecastprozesse, so dass der Planungsaufwand bei gleichzeitiger Steigerung der Planungsqualität wesentlich reduziert wird. Das neu zu definierende Kosten- und Leistungsrechnungsmodell sollte hierfür eine wichtige Grundlage schaffen.
  • Überarbeitung der Zielableitungslogik, um eine engere Kopplung zum Strategie-Prozess zu bewerkstelligen.

DREI PHASEN ZUR NEUEN LÖSUNG
Vor Projektbeginn hat sich Raiffeisen Informatik in einem mehrstufigen Auswahlprozess entschieden, das IT-Factory Framework von Horváth & Partners einzusetzen, um die definierten Projektziele zu erreichen. Die grundlegende Steuerungsidee des IT-Factory-Ansatzes passte gut zum iTSM-Steuerungsansatz und ermöglichte, die anvisierte Steuerungstransparenz zu erreichen. Das IT-Factory Framework betrachtet alle steuerungsrelevanten Einzelaspekte aus Sicht der Raiffeisen Informatik und stimmt diese aufeinander ab. Dementsprechend wurden im Projekt SPiRiT alle sieben Themenfelder des IT-Factory Frameworks behandelt und auf Basis von Best-Practice-Standards Empfehlungen und Lösungsansätze für die Neugestaltung der Unternehmenssteuerung erarbeitet. Das Projekt wurde in die drei klassischen Hauptphasen unterteilt:

  • In der Grobkonzept-Phase (Januar bis März 2011) wurden die wesentlichen Leitplanken für die weitere Ausarbeitung im Projekt ­gesetzt. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Festlegung der grundlegenden Center-Struktur der Raiffeisen Informatik und der Definition eines einheitlichen Ergebnisrechnungsschemas als betriebswirtschaftliches Hauptsteuerungsinstrument für alle Steuerungssichten. Des Weiteren wurden die Gestaltungsprinzipien des Produkt­katalogs sowie der Kostenträgerrechnung und des Verrechnungsmodells definiert.
  • In der Fachkonzept-Phase (April bis Dezember 2011) wurde das Grobkonzept weiter detailliert und um die zusätzlichen Themenfelder des IT-Factory Frameworks ergänzt. Die Erstellung und Verfeinerung des Produktkatalogs in iterativen Workshops mit den Betriebsverantwortlichen stellte einen wesentlichen Schwerpunkt ­dieser Phase dar. Zusätzlich wurde ein Ziel­ableitungs-, Planungs- und Forecast­Prozess definiert, der dem entwickelten Ergebnisrechnungsschema entspricht.
  • Die Umsetzungsphase des Zielsystems (seit Jänner 2012) sollte in einem stufenweisen Go-Live geschehen. Nach der Entwicklung des IT-Konzepts für die Umsetzung in SAP wurden zunächst jene Teilbereiche konfiguriert bzw. entwickelt, die für die Pflege und die Migration der bestehenden Verträge in die neue Systematik notwendig waren. Im Rahmen dieser Umsetzungsstufe wurden über 2.000 Verträge migriert, die nun auch die neu definierten Verrechnungsartikel referenzieren. In mehreren Stufen erfolgte im nächsten Schritt die Implementierung der neuen Kosten-/Leistungsrechnung sowie des Reportings. Parallel dazu fanden im Rahmen von Change-Management-Maßnahmen zielgruppenorientierte Schulungen und Kommunikationsveranstaltungen statt, die von über 400 Mitarbeitern absolviert bzw. besucht wurden. Neben klassischen Schulungen wurden zusätzlich Planspiele und ein dreiminütiges „simpleshow“-Video entwickelt, um die wesentlichen Konzepte einfach und anschaulich zu vermitteln sowie nachhaltig in der Organisation zu verankern.

Die durch die neu etablierte Ergebnisrechnung geschaffene Transparenz ermöglicht Raiffeisen Informatik, die Profitabilitätssteuerung wesentlich zu verbessern. Insbesondere konnte mittels der verursachungsgerechten Zuordnung von Leistungen und der damit verbundenen Aufwände zu Kundenaufträgen die Vertragskalkulation auf ein neues Niveau gehoben werden.

Nicht fakturierte Leistungsumfänge können nun bis hin zum Kundenauftrag transparent dargestellt werden und somit als Entscheidungsgrundlage für die weitere Zusammenarbeit mit dem Kunden dienen. Mit der umgesetzten Center-Struktur ist nun die Steuerungsverantwortung innerhalb des Unternehmens anhand des definierten Deckungsbeitragsschemas ein­deutig zugeordnet. Die vertriebsorientierten Bereiche sind als Profit Center ausgerichtet, um den Marktfokus zu stärken. Sie übernehmen seither die Verantwortung für die Gesamt-Deckungsbeitragssteuerung der ihnen zugeordneten Kunden- und Produktsegmente. Die Betriebsbereiche sind durchgängig als Service Center aufgestellt, um den Fokus auf die Produktivitätssteuerung zu setzen. Sie verantworten nun die Herstellkostensteuerung der ihnen zugeordneten Leistungen.

Die klare Verantwortungsteilung zwischen den Centern hilft Raiffeisen Informatik, die Abstimmungsprozesse zwischen den Bereichen besser zu strukturieren. Die Neugestaltung des Planungsprozesses sieht eine enge Verzahnung mit dem jährlich stattfindenden Strategie-Review vor. Die aus dem Strategie-Review abgeleiteten Ziele dienen zukünftig als Top-down-Vorgaben in den Planungsprämissen der einzelnen Center. Damit gelingt eine optimale Kopplung zwischen mittel- bis langfristig ausgerichteter Strategie, Planung und unterjähriger, operativer Steuerung.

* Der Autor Jürgen Narath ist Bereichsleiter Finance & Controlling Raiffeisen Informatik.


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