Seit 2018 ist Peter Lenz Managing Director von T-Systems in Österreich und seit 1. Januar 2020 verantwortet er auch die Geschäfte der Schweiz, zusammengefasst in einer Region Alpine mit insgesamt rund 1.100 Mitarbeitern. Beim Umsatz ist T-Systems trotz der Corona-Krise auf Plan. Hohes Interesse ortet Lenz derzeit vor allem bei Digitalisierungsprojekten und im Bereich Cyber Security. [...]
Was bedeutet denn die aktuelle Situation für T-Systems, was gibt es für Vorgaben? (Stand 12.11.2020)
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten derzeit, wo immer es geht, im Homeoffice. Momentan sind nur rund 20 Prozent unserer Belegschaft im Büro im T-Center, wenn überhaupt. Generell funktioniert Homeoffice für uns sehr gut, aber ich merke natürlich, dass uns da auf Dauer etwas fehlt. Oder anders gesagt: wenn alle im Homeoffice sind, dann ist das schon fast wie ein Freelancer Team. Aber was macht dann überhaupt noch eine Organisation aus? Macht es dann noch einen Unterschied, ob man für ein Projekt bei Atos, Kapsch oder T-Systems arbeitet? Wo bleibt dann unsere T-Systems-Familie, die viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so schätzen?
Und wie kann man dem begegnen?
Leider weiß ich das selbst noch nicht so genau. Das ist jetzt einmal die Erkenntnis, dass mir etwas fehlt. Ich habe auch neulich in einer Tageszeitung gelesen: Verloren im Homeoffice. Ich denke, wir müssen verstärkt herausarbeiten, was das Quäntchen mehr an einer Organisation und einem Unternehmen ausmacht und was der Unterschied zum Freelancertum ist. Schwierig ist natürlich auch das Onboarden neuer Mitarbeitet, und das Zuteilen neuer Aufgaben ist aus dem Homeoffice nicht so einfach. Ich denke auch, dass wir in Zukunft fünfzig Prozent der physischen Arbeitsplätze vor Ort nicht mehr brauchen werden. Homeoffice ist sicher gekommen, um zu bleiben, aber eben nicht nur Man muss neu definieren, was in Zukunft im Büro stattfindet und was von zu Hause gearbeitet werden kann. Ich denke, dass im Büro künftig wenig Routinetätigkeiten, sondern Dinge wie Kollaboration, Brainstorming, Co-Creation – einfach alles Kreative, alles Gemeinsame passieren wird.
Heißt das, dass Sie hier auch daran denken, Desk-Sharing verstärkt umzusetzen?
Wir haben Desk-Sharing bereits vor einiger Zeit implementiert. Jeder kann de facto sitzen wo er oder sie möchte. Aber wie wir die leeren Flächen jetzt besser nutzen, darüber müssen wir noch nachdenken. Unsere Firmenzentrale, das T-Center ist derzeit sehr leer, was in der momentanen Situation natürlich gut und wichtig ist, um eine Ansteckung zu vermeiden. Wir haben aber im T-Center auch kritische Infrastruktur, wie beispielsweise für unsere Konzernschwester Magenta, die hier ihr Network Operation Center betreibt. Aber die Zusammenkünfte und persönliche Anwesenheit muss man in Zeiten wie diesen jedenfalls neu definieren.
Wurden Projekte mit den Kunden gestoppt oder hat die Krise für Beeinträchtigungen gesorgt?
Zu Beginn war der Fokus: Alles läuft unverändert aus dem Homeoffice weiter, das hat bei uns auch sehr gut geklappt. Bei den Kunden waren Bandbreite und Collaboration Tools hoch im Kurs. Bei einigen Unternehmen wurden die Projekte mit voller Kraft weiter fortgesetzt, bei anderen wurden Dinge verschoben, weil es von der Umsetzung her zu schwierig erschien, ein Projekt weiter remote durchzuführen. In Summe sind wir aber voll auf Plan und werden unsere Unternehmensziele erreichen.
Von den Unternehmensbereichen, wie sieht da die Gewichtung aus?
Zunächst zur aktuellen Entwicklung: Bei der Bandbreite war eindeutig ein erhöhter Bedarf bei den Unternehmen da. Ich war auch positiv überrascht, wie gut die Datennetze in der Krise funktioniert haben, wir hatten immerhin 30 Prozent mehr Traffic bei Daten und 100 Prozent mehr bei Sprache. In den ersten Wochen der Krise ist extrem viel telefoniert worden. Den größten Teil unseres Gesamtumsatzes machen wir im Bereich Managed Infrastructure und Private Cloud, gefolgt vom Datennetzgeschäft, SAP-Betrieb mit den S/4 HANA, Cyber Security und Digitalisierungsprojekten. Bei letzteren sehen wir, dass sehr viele Projekte in den letzten Wochen und Monaten angedacht und konzipiert worden sind. Dabei geht es um durchgängige Digitalisierung von Geschäftsprozessen. Wir haben dazu intern auch eine kleine Competition im Vertrieb laufen: Wir prämieren die drei besten Projekte, die möglichst zu hundert Prozent digital sind, von der Anbahnung bis hin zur digitalen Unterschrift bei Vertragsabschluss. Gerade für den Vertrieb war das krisenbedingt eine riesige Umstellung, weil normalerweise der Vertrieb auf persönlichen Kontakten aufbaut und auf vielen Events und Messen mit Kunden und Interessenten gesprochen wird. Den Vertrieb total digital abzuwickeln – da haben wir in den letzten Monaten sehr viel dazu gelernt.
Was sind die größten Themen bei den Digitalisierungsprojekten?
Das Ausmerzen von Medienbrüchen ist ein wichtiges Thema. Ein weiteres Thema ist der Umstieg ins Digitale, etwa beim Vertrieb, im Abwicklungsprozess von Projekten oder auch im Umstieg von Filialen auf E-Commerce Lösungen.
Wie handhaben Sie den digitalen Vertrieb, der ja früher stark auf Messen und Events fokussiert war?
Es gibt wesentlich mehr digitale Formate, viel Vertriebsarbeit passiert nun auf Social Media Sehr gut waren aber doch auch beispielsweise die realen CIO Events von Confare in Wien und Zürich im Frühherbst, bei denen wir tolle persönliche Gespräche führen konnten. Das kam bei allen Teilnehmern sichtlich gut an. Jetzt haben wir den zweiten Lockdown – aber es ist eine extrem wichtige Zeit, da wir alle im Planungsprozess stecken und die Budgets für 2021 erstellen.
Welche Themen wollen Sie 2021 pushen?
In der Infrastruktur und im Betrieb – da geht es unverändert weiter. Wer schon etwas betreiben lässt, macht hier weiter. Die weitere Überlegung bei den Unternehmen ist: Das eine oder andere Thema gebe ich an einen Hyperscaler, da geht es um Cloud-Orchestrierungsthemen, auch natürlich der Mix aus on-Premise und Public Cloud, also AWS, Azure oder Google. In der Schweiz sehe ich ein bisschen mehr Datennationalismus. Staatliche Stellen sind sehr erpicht, dass ihre Daten in der Schweiz sind und bleiben. Auch in Österreich forciert Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck das Label der Österreich Cloud. Das ist vor der Krise sicher nicht so stark gesehen worden. Weiter forcieren wollen wir auch Datenleitungen und Digitalisierungsprojekte, wo es wie zuvor gesagt, eine gute Nachfrage gibt. Neu sind Tracking und Tracing-Modelle, etwa um zu überschauen, wie viele Leute im Büro oder in der Produktionshalle sind oder ob der entsprechende Sicherheitsabstände eingehalten werden.
Gibt es dazu schon eine standardisierte Lösung?
Das ist als Branchenlösung gedacht, nicht nur am Smartphone, sondern auch in der Produktion, wo man den Leuten zum Beispiel einen Token in die Tasche mitgibt. Wenn man sich zu nahe kommt, dann gibt es einen Alarmton, der signalisiert: Vorsicht, Du bist zu nahe. Ein großer Bereich ist auch Cyber Security, denn gerade in den letzten Wochen haben die Verschlüsselungsthemen stark zugenommen. Auch große Unternehmen sind da angegriffen worden. Wir betreiben in Österreich ein großes Security Operation Center mit über 100 Mitarbeitern und unserer Mutter, die Deutschen Telekom beschäftigt an die 1.700 Mitarbeiter in diesem Bereich. Wir haben weltweit Honeypots im Einsatz und überblicken damit sehr gut, was weltweit gerade passiert. Wir haben die Armee der Guten geschaffen und werden diesen Bereich in Zukunft noch stärker personell ausbauen.
Haben Sie den Eindruck, dass die IT durch die Krise einen höheren Stellenwert bekommen hat?
Das ist eindeutig so. Es klingt ein wenig komisch, das zu sagen, aber wir erleben gerade eine Sternstunde der IT. Einige IT-Verantwortliche haben mir berichtet, dass sie nun erstmals auch in der Geschäftsführer-Sitzung mit dabei sind. Für bestimmte Themen wird auch mehr Budget bereitgestellt. Die Clientanwendung hat durch die Homeoffice-Situation eine Aufwertung erfahren, auch Cyber Security, Endpoint-Security und alles, was mit Collaboration zu tun hat. Bei den SAP-Kunden dominiert die Migration zu S/4HANA. Die Frist wurde von SAP zwar verlängert, aber die Projekte werden konkret jetzt begonnen. Das zieht sich durch alle Branchen.
Stichwort Cloud und IT-Architektur, sehen Sie da Veränderungen bei den Unternehmen?
Public Cloud ist sehr notwendig geworden und wird auch stark eingesetzt. Bei manchen Kunden, vor allem aber im öffentlichen Sektor ist es wichtig, dass die Daten in Österreich liegen. Im produzierenden Bereich sieht man das wesentlich gelassener. Die Krise polarisiert da noch mehr.
Zusammengefasst, was sind denn in den Unternehmen im kommenden Jahr die brennendste Themen?
Security wird als Dauerbrenner noch mehr nachgefragt sein, die S/4 HANA Migration wird weitergehen und es geht darum, Wertschöpfungskette durchgängig zu digitalisieren. Stichwort Artificial Intelligence: Zentral dabei ist, mit den vielen gesammelten Daten, Nutzen zu generieren, Muster sichtbar zu machen und herauszuarbeiten, was man von seinem Datenschatz hat. Wir bieten in diesem Bereich auch Beratung zum Thema Business Intelligence und Data Science an. Dazu haben wir ein eigenes Team, das in der Business Unit Digitalisierung angesiedelt ist. Und wir generieren gemeinsam mit unseren Kunden Ideen, wie sie ihr Business besser digitalisieren können, um Kosten zu senken und die Wertschöpfung zu heben.
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