Infor-CEO: „Business-Software sucks“

Infor hat es geschafft, das Image des ERP-Bauchladens loszuwerden. CEO Charles Phillips zeigte sich auf der Hausmesse Inforum entsprechend selbstbewusst und sparte nicht mit Kritik an den Benutzeroberflächen der Konkurrenz. Produktneuheiten gab es auch. [...]

Infor galt aufgrund vieler Zukäufe lange als unsortierter ERP-Bauchladen. Inzwischen scheinen gezielte Maßnahmen gegen das schlechte Image zu greifen und Infor liegt bei Geschäftssoftware international hinter SAP und Oracle auf Platz drei. 2,8 Milliarden Dollar erwirtschaftete das Unternehmen im letzten Geschäftsjahr, das Wachstum bei den ­Lizenzumsätzen liegt bereits über fünf Quartale in Folge im zweistelligen Bereich.

Rund 50 Unternehmen hat Infor in den letzten Jahren übernommen. „Die Idee bestand darin, aus vielen Lösungen einen Riesenbaukasten von Kompetenzen an­zubieten, sozusagen Best-of-Breed von der Stange“, sagt Karsten Sontow, Vorstand des ERP-Beraters Trovarit. Das sei kein trivialer Ansatz, entsprechend schwer habe sich der Anbieter damit getan, das riesige Portfolio an Unternehmen und Meinungen zu konzertieren. Wie viel Kraft und internes Tauziehen Übernahmen verlangen, ist kein Geheimnis. „Die Vertriebsstrategie wurde immer wieder umgestellt, vom Produkt auf Regionen oder auf Zielgruppen. Dieser ganze Hergang hat bei Bestandskunden zu Verunsicherung geführt und das Neu­kundengeschäft erschwert“, resümiert Sontow. Viele Kunden hätten einiges durchlitten und waren denkbar unzufrieden mit Service, Account-Management und Support.

ANWENDERZUFRIEDENHEIT STEIGT
Doch mit dem Vorstandswechsel 2010 änderte sich einiges. „Das neue Management mit Ex-Oracle-Manager Charles Phillips an der Spitze hat neue Initiativen eingebracht. Es soll vor allem mehr um Investitionen in Produkte gehen und nicht nur darum, bestehende Systeme zu pflegen und die Wartungsgebühren zu kassieren“, sagt Christian Hestermann, Research Director ERP beim Marktforschungsinstitut Gartner. Das spiegelt sich auch in der ­Trovarit-Zufriedenheitsstudie „ERP in der Praxis“ wieder, in der sich für Infor 2012 im Vergleich zu den Vorjahren ein deutlich verbessertes Bild ergeben hat. „Infor LN ist in der Gesamtzufriedenheit mit dem Service um fast eine halbe Schulnote gestiegen, das ist ein bemerkenswerter Sprung. Auch bei Infor Xpert und Infor Com wurden Hotline-Support und Ansprechpartner deutlich besser bewertet. Damit kann Infor zum guten Mittelfeld aufschließen“, sagt Sontow. Das sei ein deutlicher Indikator dafür, dass sich die Turbulenzen weitgehend gelegt haben.

Mit der verbesserten Wahrnehmung durch die Anwender steigt auch das Selbstbewusstsein von Infor wieder und dementsprechend geizte Infor-Boss Phillips auf der jährlichen Hausmesse Inforum in Orlando nicht mit Seitenhieben auf die Konkurrenz: SAP-Software sehe aus, als ob sie in den 80er-Jahren designed worden wäre, Oracle-Produkte wie eine Webseite aus dem Jahr 1995, JD Edwards wie DOS und „so gut wie alles in Microsoft erinnert an ein Excel-Spreadsheet“. Kurz gesagt: „Business-Software sucks.“

Neben den Attacken auf die Konkurrenz stand die neue Middleware Infor 10x im Mittelpunkt der Infor-Hausmesse, über die der Anbieter seine industriespezifischen Lösungen mit Social-, Mobile-, Analyse- und Cloud-Funktionen erweitern will. Mit Infor 10x bekommen sämtliche größeren Anwendungen eine neue HTML5-Nutzeroberfläche und die Kollaborationsplattform Infor Ming.le soll eine Nutzererfahrung bieten, wie man sie aus dem Consumer-Bereich kennt. Ming.le transferiert Social-Media-Konzepte in eine Geschäftsumgebung und lässt Nutzer Unternehmenswissen teilen, Kommunikation mit Geschäftsprozessen verknüpfen und Nachrichten, Workflows und Inhalte in Echtzeit verfolgen, so die Vision.

MIDDLEWARE ION ALS BASIS
Mit Infor ION hingegen ermöglicht der Hersteller kontextbezogene Analysen innerhalb von vordefinierten Workflows. Die ION-Technologie erlaubt als proprietäre Middleware aber auch die Integration von weiteren Infor- oder aber Drittanwendungen. Darüber hinaus dient ION als Framework für die Modellierung von Geschäftsprozessen, Workflows und Benachrichtigungen.

Darüber hinaus erlaubt Infor 10x das Entwickeln und Betreiben von mobilen Anwendungen, die dann auch den Zugriff auf Kerngeschäftssysteme ermöglichen. Mit einer neuen kontextbezogenen Business-Intelligence-Funktion, die in rollenbasierende Workflows eingebettet ist, erleichtert 10x Infor zufolge zudem die Entscheidungsfindung. So können IT-Manager maßgeschneiderte mobile Dashboards zusammenstellen, die Informationen visuell aufbereiten und leicht verständlich darstellen und es Mitarbeitern erlauben, über mobile Geräte Handlungsanweisungen auszugeben. Infor 10x liefert zudem Zugang zu Analyse- und Reporting-Tools.

Die Modernisierungen durch 10x beziehen sich auf die zwölf wichtigsten vertikalen Branchenlösungen von Infor sowie auf die horizontalen Geschäftsapplikationen. Dazu gehören die Bereiche Finanzen, Human Capital Management (HCM), Enterprise Asset Management (EAM), Supply Chain Management (SCM), Product Lifecycle Management (PLM) und Customer Relationship Management (CRM). Das Release wird schrittweise ausgerollt. Den Anfang machen die Anwendungen Infor ION, Infor Ming.le, EAM, CRM, Hansen, LN und SunSystems. In einem Zeitraum von etwa zwölf bis 24 Monaten wird 10x dann auf weitere Kern-Produktlinien ausgedehnt. Geplant ist, den Roll-out im Herbst 2015 abzuschließen.

Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Geschäftsdaten in vielen Unternehmen über verschiedene Unternehmensanwendungen, Altsysteme und kundenspezifische Lösungen verstreut sind, hat Infor des weiteren mit Infor Sky Vault eine Big-Data-Initiative angekündigt, die in der zweiten Jahreshälfte 2013 startet. Basierend auf Amazon Web Services und der ION-Middleware sollen sich künftig Daten schneller aus diversen Systemen extrahieren und über die Cloud-Plattform für Analysen bereitstellen lassen. Das Programm liefert vordefinierte Inhalte für Vertrieb, Finanzen und Produktion – weitere Funktionsbereiche und Branchen werden sukzessive hinzugefügt. (oli)


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