Innovationspotenzial richtig nutzen

Die Digitalisierung schafft Raum für Innovation. Eine neue Studie von Capgemini zeigt, dass viele Unternehmen daran scheitern, Innovationen im großen Stil umzusetzen und deswegen das enorme Potenzial von Zukunftstechnologien nicht voll nutzen können. [...]

Olivier Hervé, Leiter des Beratungsbereichs Strategie bei Capgemini Invent. (c) Capgemini
Olivier Hervé, Leiter des Beratungsbereichs Strategie bei Capgemini Invent. (c) Capgemini

Die Digitalisierung durchdringt immer mehr Branchen und sorgt für Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen. Manche Unternehmen vergessen dabei, dass die Digitalisierung die Grundlage schafft, innovativ zu sein und neue Geschäftmodelle und -bereich zu schaffen. Doch darum geht es im internationalen Wettbewerb mehr denn je: Die Konkurrenz durch Innovation zu übertreffen.

Dabei steht es nicht schlecht um den Erfindungsreichtum der Unternehmen: 2019 wurden nach Angaben der Marktforscher von Crunchbase („Der globale VC-Bericht Q4/EOY 2019: Ein starkes Ende eines guten, aber nicht fantastischen Jahres“, Jänner 2020) weltweit rund 300 Milliarden Dollar in fast 32.000 Risikokapitalgeschäfte investiert, die wiederum Startups mit neuen Geschäftsideen zugute kamen. Überdies reichten Erfinder auf der ganzen Welt im Jahr zuvor 3,3 Millionen Patentanmeldungen ein, fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Insgesamt steigen die Einreichungen seit über neun Jahre in Folge kontinuierlich an, wie die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) in ihrem Bericht „Weltweite Indikatoren für geistiges Eigentum“ (Oktober 2019) festhält.

Es ist kein Geheimnis: Die COVID-19-Pandemie hat nicht nur die Digitalisierung gepusht, sondern auch den Bedarf an Innovation und Erneuerung noch verstärkt: So gaben laut der Capgemini-Studie, „Vorwärts in die Zukunft: Die neue Normalität nach COVID definieren und gewinnen“ vom Juli 2020 68 Prozent der Führungskräfte an, dass sie bestehende Transformationsinitiativen beschleunigt haben. Dennoch steckt die Fähigkeit zur Skalierung von Innovationen noch in den Kinderschuhen, da es vielen Organisationen nicht gelingt, die Früchte großer Wetten auf Innovationen zu ernten. Dies geht aus der brandneuen Studie „Scaling Innovation – Whats the Big Idea?“ des Capgemini Research Institute hervor, die erklärt, warum die meisten Innovationen nicht erfolgreich im großen Maßstab umgesetzt werden. Wirkung und Wert solcher Innovationen entstehen laut dieser Studie jedoch nicht durch die Idee selbst oder durch Experimente. Vielmehr profitieren Unternehmen, die Innovationen skalieren und im großen Rahmen umsetzen, von einer schnelleren Geschäftsentwicklung und langfristigen Wettbewerbsvorteilen.

Die Capgemini-Studie „Scaling Innovation – Whats the Big Idea?“ basiert auf den Erkenntnissen von über 40 Führungskräften aus globalen Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von über 1,7 Billionen US-Dollar sowie Akademikern und stützt sich auf wichtige Erkenntnisse, bewährte Praktiken und Erfahrungen, um handfeste Empfehlungen in Sachen erfolgreiche Skalierung zu geben.

Großunternehmen müssen Ideenfindung und Skalierung getrennte behandeln

Innovation und die erfolgreiche Skalierung derselben sind zwei verschiedene Funktionen, die oft unterschiedliche Einstellungen und Fähigkeiten erfordern. Nur wenige Unternehmen unterscheiden jedoch zwischen dem Frontend der Innovationserzeugung und dem Backend der Innovationsskalierung. Sie denken nicht an die Skalierung selbst – eine Disziplin, die sich in ihrem Zweck, ihren Anforderungen und Herausforderungen klar unterscheidet. Obwohl die Skalierung erst in der nachgelagerten Phase des Innovationsprozesses erfolgt, ist sie oft zu gering und kommt zu spät.

Der Capgemini-Studie zufolge konzentriert sich die Suche nach Innovationen häufig auf das, was wünschenswert ist – Konzepte und Projekte mit großer Wirkung, die darauf abzielen, ein unerfülltes oder nicht genanntes Kundenbedürfnis zu lösen. Selten konzentriert sie sich auf die beiden Aspekte, die für ein Großunternehmen relevanter sind – Rentabilität und Machbarkeit.

Indem die Betrachtung der Skalierung von Innovationen als eigenständige Disziplin etabliert wird, ist gewährleistet, dass von den Unternehmen bereits zu Beginn der Ideenfindungsphase Teams oder Einzelpersonen eingesetzt werden, die sich stärker auf die Durchführbarkeit und Machbarkeit von Innovationen konzentrieren.

COVID-19 als Katalysator nutzen

COVID-19 hat laut Capgemini Innovation in vielen Bereichen forciert. Die Unternehmensberater haben festgestellt, dass viele Unternehmen in dieser Pandemie- und Krisenzeit erhebliche Fortschritte gemacht haben, insbesondere beim Kampf gegen die Bürokratie, der Rationalisierung von Prozessen, der Umstrukturierung von Belegschaften und der Stärkung der Führungsspitzen. Infolgedessen waren einige Unternehmen in der Lage, ihre Maßnahmen um fast zwei Jahre zu beschleunigen, wenn es um die Skalierung von Innovationen geht.

Capgemini rät Unternehmen jetzt auf diesem Schwung aufzubauen, um zu verstehen, wie sie einige der traditionellen Governance-Herausforderungen überwinden können, die einer Skalierung im Wege stehen. Dazu gehört beispielsweise wie sie ihre besten Talente dazu bringen, sich auf das Thema zu konzentrieren oder indem sie bürokratische Hürden oder organisatorische Silos überwinden.

Nicht jede Idee lässt sich langfristig skalieren

Die Entwicklung einer Innovationskultur ist nicht nur wichtig für die Ideenfindung und das Testen neuer Ideen, sondern auch für deren erfolgreiche Skalierung innerhalb bestehender oder neuer Märkte. Entscheidend für eine Innovationskultur, die Größenvorteile nutzt, ist eine Lernkultur zu fördern, die Fehler akzeptiert sowie die Bereitschaft, Initiativen zu stoppen, selbst wenn sie zunächst in großem Maße erfolgreich waren.

Nicht jede Idee kann langfristig skaliert werden und es ist von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen verstehen, wann sie ein Scheitern in verschiedenen Phasen der Innovationsreise akzeptieren müssen. Ein Scheitern ist demnach immer möglich, es gilt dabei den Zeitpunkt zu erkennen und zu akzeptieren und die entsprechenden Aktivitäten zu stoppen.

Jedenfalls ist die Unternehmenskultur die größte Hürde bei der Skalierung von Innovation. Die Fähigkeit, Hürden zu beseitigen und Probleme anzugehen, muss sich vom Management ausgehend über alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des gesamten Unternehmens erstrecken.
Die Capgemini-Studie zeigt, dass Unternehmen, die bereits große Erfolge mit Skalierung realisieren, eher bereit sind, bestehende Experimente und Innovationen zu stoppen, um Neues auszuprobieren.

Olivier Hervé, Leiter des Beratungsbereichs Strategie bei Capgemini Invent, fasst die Ergebnisse folgendermaßen zusammen: „Die Skalierung von Innovationen muss als eigene Disziplin innerhalb der Innovationsreise behandelt werden, weil sie grundlegend anders ist. Sie ist typischer Weise in einem Geschäftsbereich eines Unternehmens angesiedelt, der von der Ideenfindung völlig getrennt ist. Skalierung erfordert auch eine andere Denkweise und andere Fähigkeiten. Indem sie Skalierung als eine spezifische und einzigartige Disziplin behandeln, die richtige Governance einführen und eine Kultur aufbauen die bereit ist, harte Entscheidungen zur Skalierung von Innovationen zu treffen, können Unternehmen dies mit einer Geschwindigkeit erreichen, bei der Konkurrenten nur schwer mithalten können.“


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