Der durch die Pandemie ausgelöste Digitalisierungsschub war gleichzeitig ein Innovationstreiber, wie ein Blick auf die Patentämter in der EU und in Österreich zeigt. So verzeichnete Europa trotz Pandemie einen Patentrekord. [...]
Die schwierigen Rahmenbedingungen während der COVID-19-Pandemie wirkten sich offenbar nicht negativ auf die europäische Innovationskraft aus. Im Gegenteil: Das Europäische Patentamt verzeichnete bei den Patentanmeldungen 2021 sogar einen Anstieg von 4,5 Prozent – eine kräftige Erholung nach einem leichten Rückgang im Jahr 2020.
Auch Österreich zeigte sich 2021 mit 11.534 Patentanmeldungen wesentlich stärker als 2020, wenngleich der Rekord von 11.731 Anmeldungen aus dem Jahr 2019 nicht gebrochen werden konnte. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, in deren Zuständigkeitsbereich auch die Bereiche Innovation und Technologie fallen, sieht Österreich damit wieder als „ein Land der Erfinderinnen und Erfinder“ bestätigt. In punkto Patentanmeldungen pro Million Einwohner sei Österreich zudem in der EU auf Patz 5 und weltweit auf die zehnte Stelle vorgerückt, freut sich die Ministerin.
Auch Patentamtspräsidentin Mariana Karepova konstatiert für das Jahr 2021 einen noch nie dagewesenen Run aufs Patentamt. Dabei seien vor allem Marken und Beratungen stark gefragt gewesen, erklärt Karepova und ergänzt: „Patentanmeldungen von Österreicherinnen und Österreichern gingen hingegen zurück, sowohl beim Österreichischen Patentamt, als auch international.“
Anders beim Europäischen Patentamt (EPA oder EPO für European Patent Office): Dieses verzeichnete mit 188.600 Patentanmeldungen einen Steigerung um 4,5 Prozent zum Vorjahr und damit zugleich einen neuen Rekord. Die Zahl der Patentanmeldungen ist laut EPO ein Frühindikator für die Investition von Unternehmen in Forschung und Entwicklung. Die starke Nachfrage nach Patenten im vergangenen Jahr zeuge jedenfalls von robuster Innovationsfähigkeit, betont EPA-Präsident António Campinos. Zudem zeige das starke Wachstum in Digitaltechnologien eindrücklich, »dass sich die digitale Transformation branchenübergreifend und über verschiedene Sektoren hinweg vollzieht.« So stiegen die Patentanmeldungen in neun der zehn anmeldestärksten Technologiefeldern, wobei Digitale Kommunikation (+ 9,4 Prozent im Vergleich zu 2020) und Computertechnik (+ 9,7 Prozent) das stärkste Wachstum verzeichneten. Der Bereich Digitale Kommunikation hat dieses Jahr die Medizintechnik (+0,8 Prozent) als größtes Technologiefeld für europäische Patentanmeldungen abgelöst, gleich dahinter folgt als drittstärkstes Gebiet die Computertechnik.
Der starke Zuwachs bei Patentanmeldungen in digitalen Technologien beim EPA ist wiederum der fortschreitenden digitalen Transformation geschuldet. Das Europäische Patentamt verweist hier beispielsweise auf intelligente urbane Mobilitätslösungen (smart urban mobility). Zu den digitalen Technologien zählen auch die Bereiche audiovisuelle Technologie (+ 24 Prozent) und Halbleiter (+ 21 Prozent), die – wenn auch von einem geringeren Level aus – sehr stark wuchsen.
Es verwundert zudem nicht, dass insbesondere in einer Zeit der Pandemie die Bereiche Arzneimittel (+ 6,9 Prozent) und Biotechnologie (+ 6,6 Prozent) ebenfalls erneut sehr starke Patentaktivitäten aufwiesen – man denke etwa an die rege Erfindungstätigkeit bei Impfstoffen.
Österreich im weltweiten Vergleich
Unter den 50 größten Patentanmeldeländern beim Europäischen Patentamt belegt Österreich 2021 den beachtlichen 14. Platz, vor Finnland und nach Belgien. Deutschland kommt auf dem zweiten Platz und die Schweiz auf dem siebten Platz zu liegen.
Dabei reichen die Österreicher und Österreicherinnen nach wie vor die meisten Patente beim österreichischen Patentamt ein (21 Prozent). Das US-amerikanische Patentamt liegt mit 20,9 Prozent der Einreichungen auf dem zweiten Platz und dicht gefolgt, aber erst an dritter Stelle, stehen die Einreichungen beim Europäischen Patentamt (19,3 Prozent).
In Europa stammen ein Viertel aller Anmeldungen aus den USA, die damit mit Abstand das größte Anmeldeland in der EU sind. Danach folgen Deutschland (14 Prozent), Japan (11 Prozent), China (9 Prozent) und Frankreich (6 Prozent). Damit stammen 64 Prozent der europäischen Patentanmeldungen 2021 aus nur fünf Ländern und die zwanzig anmeldestärksten Länder sind für 95 Prozent des Gesamtaufkommens verantwortlich.
Innovative Unternehmen in der EU und Österreich
Während beim Ländervergleich die Innovationskraft der USA ungebrochen ist, zeigt sich beim Blick auf die Patentanmeldungen der einzelnen Unternehmen ein anderes, eher asiatisch dominiertes Bild. So stammten die meisten Patentanmeldungen beim EPA wie auch schon 2019 vom chinesischen Netzwerktechnikspezialisten und Hersteller von smarten Endgeräten Huawei. Danach folgen die südkoreanischen Unternehmen Samsung (Nummer 1 in 2020) und LG. Viertstärkster Anmelder war Ericsson und auf Platz fünf kommt Siemens zu liegen – allesamt IT- oder stark IT-lastige Unternehmen.
In Österreich sind die Patente stärker über die einzelnen Branchen gestreut: Die Nummer eins in Österreich ist AVL List mit 205 angemeldeten Erfindungen, gefolgt von Julius Blum (70) und Zumtobel (34). In Patentzahlen haben einige österreichische Unternehmen sogar die Innovation Leader der EU in diesen Bereichen überholt: Borealis, Lenzing oder die TU Wien im Bereich der Kunststoffe, Infineon und AMS im Bereich Halbleiter, Tridonic, ZKW, Zumtobel und AVL List im Bereich Elektrotechnik, Blum im Möbelsegment, Austria, Trumpf und Fronius beim Maschinenbau, Werkzeuge und Spezialmaschinen, AMS und EV Group im Bereich Mikro- und Nanotechnologie und Primetals Technologies bei Werkstoffen und Metallurgie.
Ein weiterer Bereich der Exzellenz ist laut österreichischem Patentamt das Segment der grünen Gebäudetechnologien: Hier ist Österreich Europameister und weltweit Zweitplatzierter. Auch bei den klimaschonenden Verkehrstechnologien und bei Abwasserklärung und -recycling liegt Österreich bei Patentanmeldungen über dem EU-Schnitt.
Heimische KMU zu zaghaft beim Innovationsschutz
Zwar ist die Pandemie an niemandem spurlos vorüber gegangen, aber in Österreich haben bei den Patentanmeldungen vor allem große Unternehmen zugelegt, wie eine vom Patentamt gemeinsam mit Joanneum Research durchgeführte Befragung von 500 Kundinnen und Kunden ergeben hat. Während sich neben AVL List, die sogar 2021 einen Anmeldungsrekord schafften, viele der Top-Anmelder wie Siemens Mobility, Engel, MIBA, Plasser & Theurer und Trumpf Maschinen patentmäßig weiter verbessern konnten, sind jedoch bei den klein- und mittelständischen Unternehmen die Patentanmeldungen stark zurückgegangen. Zwar hätten auch die hiesigen KMU geforscht, entwickelt und erfunden, aber häufig Patentanmeldungen hinausgeschoben, ist Patentamtspräsidentin Karepova überzeugt. Natürlich sei es verständlich, dass das Patentieren in Zeiten von Produktions- und Lieferproblemen auf der Strecke bleibe, sagt Karepova, aber auf lange Sicht sei das problematisch. „Vergisst man nämlich, seine Ideen zu schützen, kann der Wettbewerbsvorteil schnell dahin sein“, ist Karepova besorgt.
Tatsächlich machten kleinere Unternehmen beim EPA einen erheblichen Anteil der Anmelder aus: So kam jede fünfte Patentanmeldung in der EU von einem KMU.
Die Patentamtbefragung zeigt klar, dass für viele der unmittelbare Nutzen beim Absichern der Innovationen mit einem Patent noch in einer nicht klar ersichtlichen Zukunft liegt. Das Patentieren wird von Unternehmen zwar als wichtig, aber in der Krisenzeit als nicht dringend empfunden.
Finanzielle Erleichterungen für KMU
Mit besonders günstigen Konditionen für Patente und Marken will das Österreichische Patentamt, aber auch das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) hier gegensteuern. Konkret sparen heimische KMU und Startups bis zu 50 Prozent bei nationalen Patenten und bis zu 75 Prozent bei Marken, erläutert Karepova. Ein österreichisches Patent kostet ab 2022 nämlich 275 Euro. Das ist die Hälfte der üblichen Gebühr. Eine österreichische Marke kostet mit dieser Förderung 71 Euro. Die Förderaktion gilt übrigens das ganze Jahr.
Leistungsschau der Innovation: Staatspreis Patent 2022
Der Staatspreis Patent 2022 ist bereits die vierte Auszeichung dieser Art. Dieser Preis wird alle zwei Jahre vergeben und zeichnet dementsprechend österreichische Erfinder und Erfinderinnen aus, die in den letzten zwei Jahren Patente bekommen haben. Darüber hinaus wird neben dem „schönsten, sinnvollsten, nützlichsten Patent des Landes“«, wie es Patentamtspräsidentin Karepova formuliert, auch die „stärkste, originellste Marke des Jahres“ ausgezeichnet. Die diesjährige Spezialkategorie ist dem Thema „Weltraum“ gewidmet und sucht nach exzellenten Erfindungen, die überdurchschnittlich dazu beigetragen haben, den Weltraum erkunden zu können.
Wie es sich für die höchste Auszeichnung österreichischer Erfinder und Erfinderinnen gehört, können sich die prämierten Erfindungen der letzten Jahre sehen lassen: 2020 hat ein höchst innovatives Verfahren gewonnen, mit dem Kunststoffe künftig mit heißem Wasser anstatt mit umweltschädlichen Lösungsmitteln hergestellt werden können. 2018 hat ein Braille-Ring gewonnen, mit dem sehbehinderte Menschen Nachrichten auf ihrem Smartphone lesen können und 2016 eine künstliche Schneewolke, die ressourcenschonend Kunstschnee erzeugt. Der Spezialpreis ging 2020 an den Erfinder des Tremipen, der unkontrolliertes Zittern in den Händen misst und in wenigen Sekunden eine Auswertung liefert.
Die Nominierten des Staatspreis 2022 stehen bereits fest. Zum einen ist das eine Erfindung des AEE Institut für nachhaltige Technologien. Deren Energiefassade CEPA „Thermal-Regulating Facade System“ nützt die Außenhülle von Gebäuden als Energieträger. Eine vorgehängte hinterlüftete Fassade dient zur Energieoptimierung und Energieverteilung von Betriebsanlagen sowie für die Sanierung von Wohnhäusern.
Des weiteren wurde das „Sequence Logic Modelling“ von Markus Gruber, Gründer des steirische Startups SELMO, nominiert. SELMO hat eine Art Betriebssystem für Maschinen sowie eine dazugehörige Methode entwickelt, die es Maschinenbauern erlaubt, robuste Steuerungsprogramme ohne Programmierkenntnisse zu erstellen.
Last but not least ist ein von der TU Wien entwickeltes Wasserstoffaufbereitungsverfahren mittels elektrochemischer Trenntechnik nominiert. Da Wasserstoff als nachhaltiger Energieträger immer wichtiger wird, ist es Ziel dieser Erfindung, über die existierende Infrastruktur bestehender Erdgasnetze den transportierten Wasserstoff sauber zurückzugewinnen und für die Anwendung zu komprimieren.
Die Nominierten der Spezialkategorie „Weltraum“ sind ebenfalls bekannt. Es ist zum einen mit Beyond Gravity Österreichs größtes Weltraumunternehmen, das mit einer breiten Palette an Flughardware für Satelliten und Raketen vertreten ist, die auf einem Großteil der Missionen der Europäischen Weltraumorganisation ESA sowie auf internationalen Weltraummissionen zum Einsatz kommen.
Mit Enpulsion hat es auch ein niederösterreichisches Startup unter die drei Nominierten geschafft. Das auf den New-Space-Bereich spezialisierte Unternehmen ist Marktführer im Segment elektrischer Antriebe für manövrierbare Satelliten.
Schließlich wurde mit Peak Technology ein Hightech-Unternehmen nominiert, das ursprünglich aus der Formel 1 kommt, aber seit einigen Jahren sein Weltraumgeschäft ausbaut. Peak Technology ist Technologieführer bei Treibstofftanks und Strukturbauteilen für Satelliten und Raketen.
Die Jury setzt sich aus Expertinnen und Experten zu den auszuzeichnenden Bereichen zusammen und besteht aus Henriette Spyra (Juryvorsitzende Patent, Sektionsleiterin Klimaschutzministerium), Harald Kainz (Rektor TU Graz), Gerfried Stocker (Künstlerischer Leiter und Geschäftsführer der Ars Electronica), Klaus Pseiner (Geschäftsführer FFG), Iris Filzwieser (Geschäftsführerin Mettop), Laura Bettiol (Weltraumforscherin), Laura Egg (Juryvorsitzende Marke, Geschäftsführerin Austrian Angel Investors), Alfred Noll (Rechtsanwalt), Eva Czernohorszky (Direktorin Technologie Services Wirtschaftsagentur Wien) und Hannah Lux (Social Entrepreneuse).
Wer von den Nominierten mit dem Staatspreis 2022 ausgezeichnet wird, wird bei der Vergabe des Preises am 26. April 2023 bekannt gegeben.
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