Intelligent, aber bitte nicht gläsern!

Um eine Großstadt "smart" zu machen, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Etwaige Lösungen müssen praktisch und nah am Bürger sein, ohne ihn gläsern zu machen. [...]

Technologie allein macht noch keine smarte Stadt. Vielmehr müssen Innovationen im kommunalen Bereich das tägliche Leben erleichtern und bürgernah umgesetzt werden. Gelingt das, profitiert auch der Wirtschaftsstandort. Auf welche Herausforderungen Stadtplaner, Forscher und Lösungsanbieter dabei stoßen, haben Experten in Wien diskutiert: „Mehr als die Hälfte aller Menschen lebt bereits in Städten, Tendenz steigend: Deshalb braucht es radikale Innovation und neue Konzepte für Smart Citys“, erklärte etwa Doris Österreicher vom Austrian Institute of Technology. Eine wichtige Voraussetzung sei die Vernetzung der Stadtplanung in den Bereichen Energie, Gebäude, Mobilität und Industrie sowie eine Integration der verschiedenen Netze, also der elektrischen, thermischen und IKT-Infrastruktur.

Die Expertin fordert ein multisektorales Denken, „weil wir die einzelnen Industrien nicht mehr einzeln betrachten können.“ Die Entwicklung der Smart City dürfe aber nicht zur gläsernen Stadt führen. Entsprechenden Befürchtungen müsse mit In­formation begegnet werden. Beim Smart Metering, dem Einsatz von intelligenten Stromzählern, sei etwa kaum interessant, wann wer das Badezimmer benutzt. Vielmehr gehe es darum die Potenziale der Lastverschiebung zu nutzen, so Österreicher.

SMART CITY IST MEHR ALS EIN ÖKONOMISCHES THEMA
„Ein relevanter Punkt ist sicher, wie wir mit Privacy umgehen“, betonte auch Thomas Madreiter von der MA18, zuständig für Stadtentwicklung und Stadtplanung. Oft stehe gar nicht die technische Lösung im Vordergrund, wie die Elektronische Gesundheitsakte zeige. „Beim Online-Banking gibt es Vertrauen, da wurden Standards geschaffen. Das müssen wir etwa im Bereich Energie auch erreichen“, sagte Madreiter. Er sieht die Smart City nicht nur als ökologisches, sondern auch als arbeitsmarkt- und technologiepolitisches Thema. „Jene Städte, die beispielsweise im Bereich CO²-Reduktion als Musterstadt gelten beziehungsweise gute Produkte und Lösungen anbieten, werden wirtschaftlich erfolgreich sein“, so der Experte. Wien verfüge, auch wegen der Innovationskraft der Unternehmen, über alle Voraussetzungen, als Smart City eine führende Rolle in Europa einzunehmen.

Die Lösungen müssten allerdings praktisch, nah am Bürger und richtungsweisend sein. „Das heißt auch, nicht alles nach kurzem wieder zurückbauen zu müssen“, ergänzte Manfred Moormann von A1 Telekom Austria. Er ist ebenfalls der Meinung, dass smarte Städte nicht gläserne Bürger bedeuten dürften. Bei möglichen intelligenten Anwendungen verwies der Telekom-Manager auch auf weniger im Blickpunkt stehende Lösungen, etwa im Bereich Müllentsorgung oder bei der Salzreduktion im Straßendienst durch smartes Tracking bei der Schneeräumung.

Der Experte gibt allerdings zu bedenken, dass beim Trend zu digitalen kommunalen Angeboten nicht jeder in der Lage sei, mit der entsprechenden Technologie umzugehen. „Bei entsprechenden Schulungen ist das Zielpublikum nicht nur im Bereich 70+ zu finden, sondern auch Schulklassen, die keine oder eine mangelhafte Infrastruktur haben, melden sich da“, so Moormann. Das sei ein schlechtes Zeichen für das Bildungssystem und schlecht für den Wirtschaftsstandort.
Probleme auf dem Weg zur Smart City würden sich aber nicht nur durch Informations- und Kommunikationstechnologie intelligent lösen lassen, erklärte Christian Kittl von der Forschungs- und Entwicklungseinrichtung Evolaris. Er verwies auf die Rolle der Architektur.

Wichtig sei auch die Kreativität der Bewohner in Form von Open Innovation oder sogenannten „Private-Public-People-Partnerships“ einzubinden, sagte Kittl. „Wichtig bei der Betonung der Potenziale von IKT zur Gestaltung von Smart Citys ist auch, die negativen Effekte, die diese neuen Technologien und vernetzten Infrastrukturen mit sich bringen, nicht zu übersehen“, ist er überzeugt. Auf Sicherheit, Vertrauen und Anwenderakzeptanz sei daher ein besonderes Augenmerk bei der Gestaltung der entsprechenden Systeme zu legen. Vor allem in den Kernbereichen Energie, Verkehr und IKT müsste angesetzt werden. „Die möglichen Änderungen sind weitläufig, vom gemeinschaftlich genutzten Elektroauto, über die intelligente Heizung bis hin zu neuen Kommunikationsmedien auf Basis Green IT“, so Robert Ludwig von Nextiraone. (aw)


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