Oliver Marjanovic, Geschäftsführer von youngculture Österreich, über die nachhaltigen Vorteile von neuen Zusammenarbeitsmodellen wie Nearshore Sourcing oder Team Sourcing. [...]
Was sind aus Ihrer Sicht die Stärken des IKT-Standortes Tirol?
Oliver Marjanovic: Tirol hat mit Innsbruck eine ausgezeichnete Universität, die jedes Jahr hoch talentierte und auf höchstem Niveau ausgebildete Absolventen hervorbringt. Da youngculture eine Studentin dieser Hochschule bei ihrer Masterarbeit begleiten und unterstützen durfte, habe ich selbst etwas Einblick bekommen. Das Engagement vieler Personen, die sich mit der Region identifizieren und den Standort stärken möchten, hat dazu geführt, dass sich in Tirol große, namhafte wie auch spezialisierte IKT-Firmen angesiedelt haben, welche ihren Mitarbeitern ein sehr attraktives Gesamtpackage anbieten können. Betonen möchte ich auch die hohe Geschäftsethik und Verbindlichkeit von Businesspartnern sowie die fortschrittlichen Ansätze in der Mitarbeiterführung und -bindung. Für Naturfreunde wie mich ist Tirol natürlich ohnehin „the place to be“.
In welchen Bereichen gibt es Aufholbedarf?
Die nachhaltigen Vorteile von neuen Zusammenarbeitsmodellen wie Nearshore Sourcing bzw. Team Sourcing müssen noch stärker den Weg in die strategischen Agenden der Unternehmensführung finden. Das Problem des Mangels an lokalen Spezialisten kann damit langfristig entschärft werden. Dabei geht es nicht um klassisches Outsourcing, sondern um intelligente Formen der Einbindung von Partnern. Dies erlaubt gerade lokal stark verwurzelten Firmen, ihre Wettbewerbsposition durch Flexibilisierung zu stärken, ohne ihre Identität und das Kernwissen zu verlieren.
Wie war das abgelaufene Geschäftsjahr für Ihr Unternehmen, und welche Erwartungen haben Sie für 2015?
Wir konnten 2014 auf Gruppenebene zweistellig wachsen. Aufgrund der jetzigen Auftragslage gehen wir von einem ähnlichen Wachstum 2015 aus. Die Eröffnung eines weiteren Entwicklungsstandorts sowie die Erhöhung der Mitarbeiterzahl auf fast 200 haben viel Einsatz gefordert, waren jedoch mit sehr positiven Momenten und Begegnungen mit interessanten Menschen verbunden.
Wie beurteilen Sie den Mangel an IT-Fachkräften in Tirol, und wie wirkt er sich auf Ihr Geschäft aus?
Der offensichtliche Mangel an IT-Fachkräften ist für uns Fluch und Segen zugleich. Einerseits können wir stark unterbesetzten Firmen meist aus organisatorischen Gründen nicht unmittelbar helfen, andererseits bieten wir mit unserem Modell und 12 Jahren Erfahrung eine nachweislich funktionierende Lösung an, wie das Problem des Fachkräftemangels mittel- bis langfristig zu lösen ist. Mit dem weiteren Wachstum des IKT-Bereichs und dem quantitativ beschränkten Humankapital in Tirol sind wir zuversichtlich, dass wir den IKT-Standort Tirol unterstützen können und werden. Die weitere Präsenz von hoch qualifizierten Mitarbeitern vor Ort bleibt aber weiterhin unerlässlich, hier ist vor allem die Politik gefordert, die entsprechenden Rahmenbedinungen zu verbessern – für Firmen und Mitarbeiter.
Für welche Technologien bzw. Lösungen erwarten Sie heuer eine verstärkte Kundennachfrage?
Wir merken eine starke Zunahme der Nachfrage im mobilen Bereich sowie bei Individualsoftware. Mehr Anfragen bestehender und potenzieller Kunden bekommen wir im Bereich Ablösung veralteter Technologien und Systemen, hier scheinen wieder mehr Budgets zugesprochen worden zu sein. Strategische Überlegungen nehmen bei ERP-Providern zu, wenn es um das Thema E-Commerce geht. Große Player stehen gerade im Zuge der Übernahme von Hybris durch SAP vor der Frage, welche E-Commerce-Plattform langfristig die wirtschaftlich sinnvollste ist. Einige Firmen planen den Ausbau von eigener Hybris-Kompetenz. Unsere spezialisierten Hybris-Engineers sind im Moment sehr gefragt.
Was war Ihr Vorzeigeprojekt im letzten Jahr?
Für die umsatzmäßig größte E-Commerce-Plattform der Schweiz, swiss.com, haben wir zusammen mit dem Team vor Ort und mit acht eigenen .NET- Entwicklern das Re-Design-Projekt umgesetzt, bei welchem unter anderem der gesamte Buchungsprozess komplett neu aufgesetzt wurde. Die Laufzeit betrug zehn Monate und wurde auf der Basis von „distributed modified scrum“ umgesetzt. Für viele Beteiligte war es das erste wirklich agile Projekt, und wir konnten neben dem Projekterfolg viele interessante Erkenntnisse mitnehmen, die uns und unseren Kunden in Zukunft helfen, noch besser zu werden.
Oliver Marjanovic ist Geschäftsführer von youngculture Österreich.
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