„IT-Branche schafft Arbeitsplätze“

Die IT-Branche generiert dreimal so viel Umsatz wie der Tourismus und schafft auch Arbeitsplätze in anderen Branchen. Laut Martin Puaschitz, Obmann der Wiener Fachgruppe UBIT, wird sie dennoch noch zu wenig wahrgenommen. [...]

In den letzten Jahren hat sich die Wiener Fachgruppe Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie (UBIT Wien) mit mehr als 20.000 Mitgliedern zur größten Fachgruppe Österreichs entwickelt. Nach der fünfjährigen Leitung durch Robert Bodenstein ist seit Juni 2015 Martin Puaschitz der neue Obmann der Fachgruppe. Im  Interview spricht er über den Standort Wien und die Stärken der IKT-Branche. 

Wie bewerten Sie den Stellenwert der IKT-Branche in Wien?
Die Wertschöpfung der IKT-Branche in Wien ist etwa dreimal so hoch wie der des Tourismus in Wien. Man nimmt diesen Umstand aber nicht so wahr, weil man auf den ersten Blick nicht erkennt, wo IT überall drinnensteckt. Der zweite Punkt ist, dass die IKT-Branche einen enormen Beschäftigungsmultiplikator darstellt. Ein Arbeitsplatz in der IT schafft direkt und indirekt nochmal 3,5 weitere Arbeitsplätze: entweder ebenfalls in der IT-Branche oder aber in der Zulieferbranche oder in einer anderen Branche. Das bedeutet, dass jeder Arbeitsplatz, den wir in Wien in der IT schaffen, uns ermöglicht, weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Das funktioniert nur, weil die Branche im Hintergrund groß ist und fulminant unterwegs ist, ist aber vielleicht nicht so offensichtlich.

Was bietet der Standort Wien?

Wien ist der Melting Pot der österreichischen IT-Branche. Hier sind ungefähr ein Drittel der UBIT-Mitglieder, ein Großteil der IT-Dienstleistungen und IT-Fachkräfte sind in Wien. Natürlich ist es ein Ballungsgebiet und beheimatet viele große Unternehmen.

Thema Fachkräftemangel: Ist Wien von dem Problem nicht betroffen?

Fast alle IT-Unternehmen haben das gleiche Problem: Sie würden gerne Mitarbeiter aufnehmen. Es fehlen junge, fachausgebildete Arbeitskräfte und wir haben einen schleppenden Lehrlingsmarkt. Viele junge Menschen wollen zwar in eine Lehre hinein, sind aber mangels Vorwissen komplette Quereinsteiger. Wir haben 400 Lehrlinge in 11.000 Betreiben. Das ist überschaubar. Die Ausbildung geht eher in höhere Sphären. Wir haben viele Uni-Absolventen, die sehr spezialisiert sind. Aber die breite Masse an Fachkräften wie HTL-Absolventen oder Lehrlinge fehlt. In Wien ist die Situation zwar besser als in den Bundesländern, aber es ist nicht so, dass man nicht weiß, wen man nehmen soll. Alle würden gerne suchen, aber es ist eher üblich, dass man gegenseitig die Mitarbeiter abwirbt.

Wo müsste man hier ansetzen?

Es müssten alle Bildungsmöglichkeiten ausgebaut werden. Wir haben ein Hochlohnland. Wir werden wirtschaftlich nur mit Innovationen punkten können. Es gibt diese in Österreich, auch wenn man das nicht so mitbekommt. Um Fachkräfte zu bekommen und auch um das Problem der Arbeitslosigkeit zu verkleinern, gibt es zwei Stellschrauben: Die erste ist, in Bildung zu investieren und die zweite, dass IT-Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir haben derzeit ca. 25 Prozent Durchschnittswachstum in der IT-Branche. Das bedeutet, dass wir auch andere Branchen mitziehen und weitere Arbeitsplätze schaffen können. Bevor man versucht, andere Branchen zu heben, würde es meiner Meinung nach leichter funktionieren, über den Umweg der IT-Branche zu agieren. Es gibt tolle Startups, wo plötzlich hundert Mitarbeiter einen Job finden und die auch international gut unterwegs sind. Aber das wird hier oft nicht gesehen. Wir werden die Innovation brauchen, um langfristig überleben zu können. Die Digitalisierung betrifft jeden Geschäftsbereich, vom Lagerarbeiter bis zum CEO. Also brauchen wir Fachkräfte, damit wir die Innovationen ankurbeln können, um uns am Ende des Tages gegen Niedriglohnländer beweisen zu können. Wir werden wahrscheinlich in Österreich nicht mehr Hardware produzieren. Wir können uns auf die Dienstleistungen und auf Innovationen verlassen. Und das müssen wir mit Bildung unterlegen.

Wie beurteilen Sie den Grad der Digitalisierung in Wien?

Digitalisierung betrifft alle Branchen. Ich kann mich nicht erinnern, dass früher Reinigungsfirmen einen Facebook-Auftritt hatten und auf Google Werbung geschalten haben. Das passiert mittlerweile und es wird immer mehr, egal, ob es sich um einen Handwerksbetrieb handelt oder um einen Gewerbebetrieb. Alle Branchen versuchen, die Effizienz über die IT zu steigern. Stichwort Industrie 4.0: Ja, da könnten Arbeitsplätze verloren gehen beziehungsweise passiert das schon seit Jahren – wie zum Beispiel in der Automobilindustrie. Aber mit Bildung und Innovation kann man andere Arbeitsplätze schaffen. Schöpferische Zerstörung. Und die Grundlage dafür ist die Digitalisierung. Wir müssen eher nach vorne schauen, als auf der Stelle zu treten. Was noch nötig ist, um den Standort Wien zu verbessern, ist ein Abbau der Bürokratie. Als Unternehmen hat man immer auf irgendeine Art und Weise mit Bürokratie zu kämpfen. Und alle Ressourcen, die man für die Verwaltung aufwendet, wendet man nicht für das Produkt oder Innovation an. Und das bremst am Ende des Tages die Entwicklung.

Wie beurteilen Sie den Breitbandausbau in Wien?
Die schönste Warenwirtschaft im Internet bringt nichts, wenn die Bandbreite so gering ist, dass man damit nicht arbeiten kann. Österreich steht im internationalen Vergleich nicht gerade überragend da. Wien ist hier aber sicher besser unterwegs als die Bundesländer. Aber auch hier gibt es viele Gewerbegebiete, die keine sehr gute Anbindung an das Internet haben. Eines der großen Themen ist also, die Bandbreite weiter zu erhöhen. Initiativen, wie die Breitbandmilliarde, sind wichtig und es wäre gut, wenn auch Wien davon profitieren könnte. Breitband ist die Grundlage der weiteren Entwicklung und Innovation. Wir werden immer verlieren, wenn wir Innovation nicht übertragen können. Zum Beispiel müsste bei jedem Neubau oder einer grundlegenden Renovierung eine Leerverrohrung mitverlegt werden, um Glasfaser bis in die Wohnungen bringen zu können, wie es in manchen Ländern schon verpflichtend ist. Wir kämpfen nach wie vor mit der alten Kupfertechnologie, die, seit das Telefon existiert, in den Straßen liegt, und versuchen auszunutzen, was möglich ist. Hier wäre eine Änderung im Baurecht sinnvoll. Es ist für Breitband vorzusorgen – und zwar mit der neuesten Technologie.


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