Journey to the Cloud – aber richtig

Die Erfahrungen besonders der letzten Monate haben gezeigt: Es führt kaum ein Weg an der Cloud vorbei. Gleichzeitig wurde deutlich, wie wichtig kompetente Partner auf dieser Reise sind. Lesen Sie hier einige der zentralen Aspekte des COMPUTERWELT Roundtables in Sachen Cloud-Journey. [...]

Die Teilnehmer (v.r.n.l.): Nicolai Czink, Christine Wahlmüller-Schiller, Dominic Sabaditsch, Martin Zandonella, Sarah Müllner und Peter Goldbrunner. (c) timeline/Rudi Handl
Die Teilnehmer (v.r.n.l.): Nicolai Czink, Christine Wahlmüller-Schiller, Dominic Sabaditsch, Martin Zandonella, Sarah Müllner und Peter Goldbrunner. (c) timeline/Rudi Handl

Die Moderatorin des Roundtables, Christine Wahlmüller, weist in ihrem Eingangs-Statement darauf hin, dass das Thema Cloud Computing in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen hat. Das würden nicht nur Gespräche mit zahlreichen CEOs und CIOs zeigen, sondern auch der Cloud Monitor 2021 für Österreich, der von KPMG in Kooperation mit dem Digitalverband Bitkom erarbeitet wurde. Während im vergangenen Jahr nur 47 Prozent eine Cloud-Lösung einsetzten, berichten nun 63 Prozent der befragten heimischen Unternehmen, dass sie Cloud Computing in irgendeiner Form nutzen – das sei ein Anstieg um 16 Prozentpunkte innerhalb eines Jahres, so die Studie.

Die Expertenrunde hat sich zur Aufgabe gemacht, herauszuarbeiten, wo österreichische Unternehmen in Sachen Cloud heute stehen und wohin die „Journey to the Cloud“ führen sollte.

Nicolai Czink, Leitung Strategie und Transformation bei Bacher Systems, zeichnet die typische Reise in die Cloud nach: „Die meisten Kunden starten mit Software-as-a-Service-Dienstleistungen wie Office 365, um Vorteile daraus zu nutzen. Wenn die Unternehmen dann eine Integration vornehmen wollen, wie zum Beispiel die Anmeldung zu zentralisieren, nutzen sie bereits Plattformen, also PaaS-Dienste. Und sobald Unternehmen mehr als einen SaaS-Dienst nutzen, sind sie auch schon in der Multi-Cloud. Gleichzeitig wollen die Programmierer auf den schnell verfügbaren, einfachen Cloud-Plattformen zu entwickeln beginnen und dadurch Mehrwert schaffen. Wir sehen hier viel Experimentierfreude.“

Dominic Sabaditsch, Head of Cloud bei Ingram Micro Österreich und Gastgeber des Roundtables, unterstreicht die Bedeutung der Corona-Krise als Turbo: „Es passiert derzeit sehr viel im Collaboration- und Security-Bereich, weil sehr überhastet auf Home Office gewechselt wurde. Die Journey ist noch lange nicht abgeschlossen. Viele Unternehmen haben die ersten Schritte gemacht, die ersten Lerneffekte erzielt und eine Basis gelegt.“ Sabaditsch beleuchtet in seinem Statement die Rolle der Anbieter, die ebenfalls auf die Reise gegangen sind: „Ingram Micro hat vor 3,5 Jahren in Österreich damit gestartet, Cloud als Unternehmensstrategie hervorzuheben. Für uns ist das auch eine Journey. Wir sind eigentlich als Distributor bekannt. Persönlich finde ich den Begriff nicht passend. Aufgrund unseres Portfolios sehe ich uns mittlerweile als Technologiepartner. Hier in Österreich haben wir 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Davon sind zehn Prozent im Cloud-Bereich tätig. Das zeigt deutlich den Stellenwert von Cloud bei Ingram Micro. 50 bis 60 Prozent der Systemhäuser und der Reseller sind schon auf diesem Weg oder haben den Weg gestartet.“

Beschleuniger & Bremser

„Unternehmen nutzen diverse Anwendungen, wie etwa Collaboration-Tools, und das in einer sehr großen Verbreitung“, sagt Peter Goldbrunner, Vice President & General Manager Central Europe bei Nutanix. „Das wird kaum mehr diskutiert, man tut es einfach. Bei den Daten allerdings, die üblicherweise im Rechenzentrum liegen, das sogenannte Tafelsilber, gibt es sicherlich noch größere Bedenken und Zurückhaltung. Zudem sind es in vielen Fällen rechtliche Vorgaben, die Unternehmen daran hindern, in die Cloud zu gehen.“

Laut Nicolai Czink werde die Journey dadurch gebremst, „dass mehrere Abteilungen – Infrastruktur, Applikationsentwicklung, Cloud Competence Center, Security etc. – unterschiedliche Berater an ihrer Seite haben und jeder quasi sein eigenes Süppchen kocht, ohne einen gemeinsamen Plan zu haben. Unternehmen, die über eine klare Strategie verfügen und diese umsetzen, sind hier wesentlich erfolgreicher, da keine Energie durch Reibung verloren geht.“

Peter Goldbrunner spricht in diesem Zusammenhang die zunehmende Komplexität in der IT an. „Die Heterogenität in der IT ist seit vielen Jahren gewachsen und erzeugt zusätzlich Komplexität. Je mehr Komponenten ich beim Zusammenbauen betrachten muss, desto schwieriger ist auch der Weg innerhalb der Transformation. Das heißt nicht, dass es nicht möglich ist. Es ist einfach komplexer, weil ich viele Abhängigkeiten berücksichtigen muss: In der Infrastruktur gibt es Storage-, Compute-, Netzwerk-, Security- und Virtualisierungsthemen, die mich an verschiedenen Stellen einbremsen, wenn ich zu einem Public-Cloud-Anbieter gehen möchte.“

Martin Zandonella, Obmann-Stellvertreter Fachverband UBIT der Wirtschaftskammer Österreich, illustriert die Komplexität anhand von drei Szenarien: „Das einfachste ist ein Szenario, in dem ein Gründer oder eine Gründerin auf der grünen Wiese baut. Da ist keine Komplexität vorhanden, wenn klar ist, welches Geschäftsmodell genutzt werden soll und wenn gut vorbereitet gegründet wird. Häufig wird sehr viel aus der Cloud bezogen, weil es am schnellsten geht und weil man leicht skalieren kann. Im zweiten Szenario geht es um Unternehmen, die am Markt mehr oder weniger etabliert sind und neue Dinge beginnen wollen. Hier stellt sich die Frage, wie der neue Bereich mit dem klassischen Geschäft verknüpft sein muss. Beide Bereiche werden in der Regel ganz bewusst getrennt gesehen – nicht wegen der Technik, sondern wegen des Mindsets. Das dritte Szenario beschreibt ein etabliertes Unternehmen, das zur Überzeugung kommt, dass bestehenden Geschäftsprozesse digitalisiert, angepasst oder fundamental geändert werden müssen. Das heißt: Ich muss transformieren und das ist der eigentliche Punkt, der in die Komplexität führt. Unsere Aufgabe ist nicht, die Komplexität weiter zu erhöhen. Wir müssen viel mehr die Komplexität herausnehmen, sonst werden wir Schiffbruch erleiden, wie so manches Projekt in der Vergangenheit gezeigt hat“, so Zandonella.

Erste Schritte

Wie sollen Unternehmen ihre Reise in die Cloud gestalten? Dominic Sabaditsch von Ingram Micro betont, dass es keine „one fits all“-Lösung gäbe. „Was optimal ist, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Es gibt branchenspezifische Anforderungen. Wichtig sind zudem Fragen wie: Wo steht mein Unternehmen? Wo steht der Mitbewerb? Wie innovativ muss ich sein? Ich habe noch nie zwei Projekte erlebt, die sich gleichen, außer es geht um klassische Collaboration-Projekte. Und selbst bei Office 365 gibt es feine Nuancen.“ Genau hier seien beratende Unternehmen gefordert: „Sie müssen hunderte unterschiedliche Faktoren einberechnen, um bestimmen zu können, welchen Weg ein Unternehmen gehen soll. Was in Zukunft kaum vorkommen wird: Unternehmen, die ausschließlich eine On-premise-Umgebung fahren. Selten werden auch reine Cloud-Umgebungen vorkommen – Einzelunternehmer vielleicht ausgenommen, weil sie in der Regel keine IT-Expertise haben. Ich sehe das hybride Modell als Standard für die Zukunft. Aber, wie gesagt, man muss sich immer den Einzelfall ansehen.“

Sarah Müllner, Cloud First Country Lead bei Avanade Österreich, spricht in diesem Kontext die mitunter konservative Haltung heimischer Unternehmen in Sachen Innovationen an. „Wir in Österreich tendieren dazu, nur Lösungen zu implementieren, die zu 160 Prozent perfekt sind. Wir müssen uns ein bisschen mehr trauen, indem man mit 60 Prozent startet und gleichzeitig garantiert, dass es ständig Neuerung gibt – Stichwort ›Continuous Innovations‹. In den Kundengesprächen geht es immer darum, welches konkrete Ziel erreicht werden soll. Ich bin kein Freund davon, Workloads mit ›Lift & Shift‹ in eine Public Cloud zu heben. Das bringt meiner Meinung nach keinen Mehrwert, das löst nur kurzfristig die Probleme und die Pain Points. Wir versuchen daher, immer langfristiger zu schauen: Wohin geht die Reise? Was ist das Ziel und wie sieht das Big Picture aus? Gleichzeitig will ich aber nicht monatelang ›discovern‹, wie man in der IT-Branche so schön sagt.“

Peter Goldbrunner von Nutanix unterstreicht die Wichtigkeit der richtigen Vorbereitung: „Bevor ich mit der Transformation beginne, muss ich erst prüfen, ob ich überhaupt ausreichend standardisiert beziehungsweise industrialisiert bin, um weitere Themen in Angriff nehmen zu können. Das heißt: Ich muss Schnittstellen schaffen, ich muss Produkte einsetzen, die eine gewisse Offenheit mitbringen. Auch für die Beauftragung von Dienstleistern ist es wichtig, zu wissen, wo man heute steht. Ist es überhaupt sinnvoll, ein Transformationsprojekt anzugehen oder wäre es klüger, davor andere Themen zu erledigen?“

Welche Cloud ist die richtige?

„In welche Cloud ich gehe, ergibt sich aus den Anwendungsfällen“, sagt Nicolai Czink von Bacher Systems. „Möchte ich in der Cloud programmieren, ein breites Plattformangebot wie beispielsweise KI-Algorithmen nutzen und das ganze sehr weit skalieren können, dann ist wahrscheinlich ein Public-Cloud-Anbieter die erste Wahl – mit all der Lockin- und Security-Thematik, die sich daraus ergibt. Muss ich auf der anderen Seite aus regulatorischen Gründen stark absichern, dann wähle ich entweder ein lokales Rechenzentrum oder einen lokalen Cloud-Anbieter, der an die DSGVO gebunden ist. Insofern habe ich Tradeoffs, die ich abwägen muss.“

Die Diskussionsteilnehmer sind sich einig, dass die Reise in Richtung eines hybriden Szenarios geht, oder wie es Czink formuliert: „Die Architektur der Zukunft sehe ich in der Multi Could mit der Hybrid Cloud als starkem Standbein.“

Sarah Müllner ist überzeugt, dass Unternehmen verstärkt Public-Cloud-Services ins Business bringen sollten, „weil diese einen Mehrwert bringen. Das bedeutet: Wir sollten uns die Business-Anforderungen ansehen, beginnen, Lösungen in der Cloud zu entwickeln, in eine Standardisierung reinkommen, um die Lösungen umso effizienter und skalierbarer zur Verfügung stellen und auch betreiben zu können.“
Wenn es um die Wahl des Hyperscalers geht, so empfiehlt Peter Goldbrunner „das Beste von allen dreien zu nutzen. Das ist auch das, was wir bei den Kunden sehen. Ich verwende die Cloud nicht um der Cloud willen, sondern um einen bestimmten Service zu beziehen. Als Betriebskonzept sind die drei Anbieter unterschiedlich aufgestellt, sie haben unterschiedliche Stärken. Für Kunden bedeutet das: Sie brauchen eine Infrastruktur, die ihnen ermöglicht, alle drei zu nutzen. Und genau hier unterstützen wir.“

Und wie sieht es mit der Sicherheit aus?

„Mein Eindruck ist, dass sich Unternehmen gar nicht die Zeit nehmen, sich mit den Security- und Compliance-Möglichkeiten beim Thema Public Cloud zu beschäftigen“, sagt Sarah Müllner. „Tatsache ist, dass es sehr viele Möglichkeiten gibt, Cyberattacken zu verhindern oder das Home Office sicherer zu machen. Man muss es nur umsetzen. Ich glaube, dass das Portfolio teilweise zu groß ist, um die für mich optimale Lösung zu finden.“

Dass Unternehmen Security auf ihrer Cloud-Agenda nicht ganz oben haben, bestätigt auch Nicolai Czink: „Cloud-Provider bieten implementierte Sicherheitsvorkehrungen, die dazu geeignet sind, Workloads in ihrer eigenen Cloud abzusichern. Diese müssen aber auch richtig eingesetzt werden. Außerdem sind diese meist nicht dafür gebaut, Workloads über mehrere Clouds hinweg und schon gar nicht ins Data Center hinein abzusichern. Da sehe ich ein großes Risiko, das oft vergessen wird.“

Breitgefächerte Hilfestellung

Damit Unternehmen ihre Reise in die Cloud erfolgreich – und auch sicher – gestalten können, haben Hersteller und Parter breitgefächerte Angebote, die zahlreiche Aspekte wie Beratung, Orchestrierung oder Security abdecken. Hier ein paar Beispiele aus der Diskussion: „Wir sind mittlerweile 240 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Sarah Müllner von Avanade Österreich. „Wir betreuen Kunden bei ihrer Journey in die Cloud – egal, ob es der Wechsel von on premise in Richtung Cloud oder ein hybrides Szenario ist. Wir unterstützen die komplette Microsoft-Plattform von der Umsetzung bis zum Betrieb.“

Peter Goldbrunner von Nutanix: „Wir helfen Kunden, Brücken zu bauen, um etwa von der Private Cloud in die Public Cloud oder von Public-Cloud-Anbieter A zu Public-Cloud-Anbieter B zu kommen – und eventuell wieder zurück ins eigene Rechenzentrum. Damit unterstützen wir Unternehmen, mit der gesamten Infrastruktur mobiler zu werden.“

Nicolai Czink von Bacher Systems nennt als Beispiel die Verbindung zwischen Data Center und Cloud: „Hier sind zwei Dinge wesentlich: Wie stelle ich die Sicherheit bei dieser Verbindung her? Und zweitens: Wie orchestriere ich diese Verbindung? Cloud verspricht ja Einfachheit. Ich kann schnell neue Workflows provisionieren, ich kann rasch Kapazitäten ausweiten oder auch wieder zurücknehmen und habe dadurch keinen finanziellen Lockin. Das ist alles wunderbar. Doch wo bleibt die Einfachheit bei der Verbindung von Data Center und Cloud? Um die Herausforderung zu lösen, braucht es entsprechende starke technische Lösungen. Deshalb setzen wir bei Bacher Systems auf Lösungen von Check Point für Sicherheit in der Cloud und auf Nutanix für die Orchestrierung.“

Dominic Sabaditsch weist auf die Bedeutung der Distributoren für die großen strategischen Themen hin: „Die Mitbewerbsgrenzen im Channel beginnen nicht zu verschwinden, aber zumindest weniger zu werden. IT-Systemhäuser fangen an, sich zu spezialisieren und zu fehlender Expertise untereinander zu verzahnen. Da braucht es jemanden wie Ingram Micro, der das Big Picture verfolgt.“

Last but not least betont Martin Zandonella die Besonderheit der heimischen Wirtschaft, die zu 97 Prozent von sehr kleinen Unternehmen ohne oder mit sehr wenigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen getragen wird, und für die das Cloud-Thema sich anders gestaltet als für größere Unternehmen. Für diese hat die UBIT, die rund 73.000 Berater und Beraterinnen, Dienstleister sowie Buchhalterinnen und Buchhalter vertritt, beispielsweise Checklisten: „Was sollte beachtet werden, wenn man in die Cloud geht, damit alles reibungslos funktioniert?“ Es gebe immer wieder Fördertöpfe für Beratung und Umsetzung speziell für Klein- und Kleinstunternehmen, so Zandonella. „Die Töpfe sind momentan leider leer. Damit sieht man, dass der Bedarf und das Interesse dieser kleineren Betriebe, Beratung zu konsumieren und erste Schritte zu setzen, enorm gewachsen ist.“

Eines ist klar: An der Cloud führt kaum ein Weg vorbei, um in einer globalisierten Welt bestehen zu können. Das gilt für große Unternehmen wie für KMU. „Österreichische Unternehmen sollten daher danach trachten, dass sie überholen und nicht überholt werden. Dafür braucht es Mut zur Innovation. Und es braucht Kreativität, um die Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen“, betont Dominic Sabaditsch abschließend.


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