Österreich gilt in Europa als Spitzenreiter im Bereich E-Government. Maßgeblich beteiligt ist daran das BRZ als größter IT-Dienstleister der österreichischen Verwaltung. Markus Kaiser leitet seit Mai die Geschicke des BRZ und sieht noch Luft nach oben [...]
Das Bundesrechenzentrum ist der IT-Dienstleister und marktführender E-Government-Partner der österreichischen Verwaltung. Mit rund 1.200 Mitarbeitern betreut das BRZ mehr als 30.000 IT-Arbeitsplätze an 1.200 Betriebsstandorten und hat 2015 einen Jahresumsatz von 260 Mio. Euro erzielt. Insgesamt entwickelt und betreibt das Unternehmen mehr als 400 E-Government-Anwendungen, die von mehr als fünf Millionen Nutzern in Anspruch genommen werden. Seit Mai diesen Jahres ist Markus Kaiser Geschäftsführer des BRZ. Im Interview mit der COMPUTERWELT spricht der CEO darüber, welche Auswirkungen die Digitale Transformtion auch auf die öffentliche Verwaltung hat.
Die Digitale Transformation verändert derzeit die gesamte Businesswelt. Welche Auswirkungen hat sie auf die Aktivitäten des BRZ?
Die Digitalisierung hat signifikante Auswirkungen auf alles, was wir tun. Das ist für uns als IT-Dienstleister der Republik nicht anders als für jeden anderen Marktteilnehmer, sei es in der Technolgiebranche oder in irgendeiner anderen Branche. Die Herausforderungen sind vergleichbar. Die Treiber sind vielleicht unterschiedlich, aber im Großen und Ganzen sind es einheitliche Trends, die uns leiten.
Welche Trends sind das?
Zum Beispiel Personalisierung. Lösungen werden noch viel individueller auf die Enduser-Perspektive und auch auf die Businesskunden-Perspektive zugeschnitten werden müssen. Dann gibt es den Trend „Alles on demand“ und „by my own design“. Egal ob es um das neue Auto oder die IT-Dienstleistung geht. Ein weiterer Trend ist Instant Provisioning. Es darf keine langen Vorlaufzeiten mehr geben mit einem Jahr Pflichtenheft, einem Jahr Lösungskonzept und zwei Jahren Realisierung. Sondern es wird eine App geben, mit der ich auswähle, was ich haben will, und die Lösung muss schnellstmöglich verfügbar sein. Mit dieser Erfahrung als Konsument kommen nun die „Digital Natives“ in Entscheidungspositionen in die Unternehmen und sagen: Warum soll das jetzt anders sein, nur weil ich in einem Organisationsumfeld bin? Egal ob das ein Industrieunternehmen oder ein Ministerium oder ein Bundesland ist. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die unterbrechungsfreie Weiterentwicklung. Amazon entwickelt zum Beispiel permanent neue Features, ist aber trotzdem immer verfügbar. Also Continuous deployment ist auch ein großes Thema. Manche Kunden meinen noch immer, dass Digitalisierung bedeutet, dass man ein Dokument scannt und dann speichert. Aber man kommt in den Diskussionen mit den Kunden schnell drauf, wo die Chancen liegen. Und die liegen darin, zu sagen, welche neuen Dienstleistungen oder Services kann ich einem Kunden bzw. den Bürgern anbieten, unter Nutzung der Daten, die ich zur Verfügung habe. Wenn man Digitale Transformation auf die öffentliche Verwaltung legt, sind das die gleichen Herausforderungen. Der Konsument lässt sich nicht mehr in Öffnungszeiten von Organisationen und vorgegebene Interaktionsmodelle zwängen. Der Kunde sucht sich sein Auto um zwei Uhr früh auf der Couch aus und er möchte auch seine Steuererklärung und auch alle anderen Amtswege dann machen, wann er will, und nicht, wann die Ämter meinen, dass es gut ist. Das sind die Trends, die uns treiben, und das stellt uns vor massive Herausforderungen in Bezug auf unsere Art zu arbeiten und Lösungen zu entwickeln. In Bezug auf die Skills, die unsere Mitarbeiter brauchen, in Bezug auf die Fähigkeiten, die wir bei neuen Talenten suchen. Wie jede andere Branche werden wir durch die Digitale Transformation richtig durchgeschüttelt und müssen uns da an vielen Stellen neu ausrichten.
Das BRZ ist der E-Government-Partner derösterreichischen Verwaltung. Wo stehtÖsterreich bei diesem Thema im internationalen Vergleich?
Wir sind nicht schlecht unterwegs, aber wir könnten auch viel besser sein. Es gibt internationale Benchmarks, die uns hier in einer Spitzengruppe positionieren. Wenn man einzelne Lösungssegmente ansieht, dann haben wir an manchen Stellen gute State-of-the-Art-Lösungen. Das, was meiner Meinung nach der nächste Schritt sein muss, ist, dass man eine digitale Strategie definiert. Und zwar eine operationalisierte digitale Strategie, die haben wir meines Erachtens bisher nicht. Wir müssen uns andere Länder ansehen, die sagen: digital first. Wenn dort neue Services designt werden, dann werden sie für ihre Kunden, also die Bürger gemacht. Die Services werden unter dem Aspekt entwickelt, dass die Interaktionen mit den Bürgern über eine digitale Infrastruktur passieren sollen. Das passiert bei uns so noch nicht, und zwar durchgängig. Das wäre ein wesentlicher Paradigmenwechsel.
Was müsste sich in Österreich in diesem Bereich ändern?
Um hier wirklich einen Schritt nach vorne zu kommen, braucht es meines Erachtens eine sehr viel stärkere zentrale Governance, als es sie heute gibt. Es gibt keine konsolidierten Kraftanstrengungen und es gibt zu verteilte Aktivitätszentren, die nicht immer miteinander arbeiten. Hier würde ich mir mehr Konzernverhalten erwarten und erhoffen, als es heute an den Tag gelegt wird. Hier sind andere Länder weiter. Wir haben aber eine gute Basis und letztendlich hängt es auch immer davon ab, wie der Anspruch ist. Wenn wir uns mit Deutschland vergleichen, ist Österreich ein Champion, aber wenn wir uns mit Dänemark, Estland und Großbritannien vergleichen, dann sind wir im Mittelfeld. Unser Anspruch muss es aber sein, in der Champions League ganz vorne dabei zu sein. Weil am Ende des Tages sind das alles Fragen der Standortqualität, über die man entscheidet. Das ist sehr wesentlich für Österreich und deswegen denke ich, muss unser Anspruch sein, nicht nur im Spitzenfeld, sondern an der Spitze dabei zu sein.Zudem finde ich es schon spannend, dass man es sich in Zeiten des Fachkräftemangels insbesondere in technologienahen Studienfächern erlauben kann, die Studienplätze in der Informatik zu begrenzen. Das geht völlig in die falsche Richtung. Ich glaube, dass deutlich mehr Mittel in Aus- und Weiterbildung investiert werden müssten. Wir habe zu wenig gut ausgebildete Leute. Wir finden zwar schon unsere Mitarbeiter, die wir brauchen, aber nicht schnell genug. Das ist ein Innovationshemmnis.Es gibt keine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie für die öffentliche Verwaltung. Es gibt keinen CIO der Bundesregierung. Diese Rolle mit operativen Kompetenzen zu etablieren, das wäre eine hilfreiche Maßnahme. Aber die Handlungsfelder sind identifiziert und da versuchen wir als BRZ, unseren Beitrag zu leisten, indem wir unsere Kunden mit Innovationen unterstützen.
Wie sieht das genau aus?
Wir leisten unseren Beitrag, indem wir Budgets freimachen. Das heißt, wir haben ein Programm zur nachhaltigen Senkung unserer Betriebskosten aufgesetzt. Da gibt es auch schon signifikante Erfolge. Unser Anspruch muss es sein und ist es auch, dass wir wettbewerbsfähig sind und darüber hinaus den USP haben, dass wir unsere Kunden besser verstehen als jeder andere. Es muss ja keiner bei uns kaufen.Wir stehen im Wettbewerb. Wir sind ein Full-IT-Service-Provider. Das ist unser Fokus.
Wie planen sie diese Ziele umzusetzen?
Die Digitale Transformation setzt unsere Kunden enorm unter Handlungsdruck. Und so wie jedes Unternehmen wird auch die öffentliche Verwaltung von ihren Kunden, sprich den Bürgern, unter Druck gesetzt. Dann muss man in Innovationen investieren, um dieser Erwartungshaltung gerecht zu werden. Wenn wir nicht der verlässliche Partner sind, dann werden sie sich einen anderen Partner suchen. Wir haben einen Marktanteil von 50 Prozent in der Bundesverwaltung. Da gibt es noch genug andere. Innovation ist die Grundlage unseres Geschäftserfolges.Unser Anspruch ist es, dass wir der Motor der Digitalen Transformation in der öffentlichen Verwaltung werden. Dazu wollen wir uns entsprechend mit innovativen Lösungen und wettbewerbsfähigen Preisen positionieren. Das bedeutet natürlich auch eine große Transformation für das BRZ. In diesem Prozess sind wir gerade mitten drinnen.
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