Viele Unternehmen machen Bewerbern Versprechen, die sie nicht halten können. Christian Moser, Head of HR bei der Grazer Softwareschmiede Parkside, will seine Mitarbeiter langfristig binden und setzt dabei unter anderem auf Employer Branding. [...]
Wie beurteilen Sie das Thema Fachkräftemangel in Österreich?
Christian Moser Der Begriff Fachkräftemangel wird inzwischen hyperinflationär benutzt und trifft sicherlich nicht auf alle Branchen zu. Im IT-Bereich, insbesondere bei Software Engineers, ist es tatsächlich schwierig, genügend Mitarbeiter zu finden. Bei Parkside als Softwareunternehmen mit hohem Anspruch an Usability, Design und Qualität, potenziert sich das Problem noch. Unsere Herausforderung ist es daher, aus der ohnehin geringen Menge an verfügbaren Software Engineers nochmal die Besten auszuwählen – und diese nach Österreich zu holen und zu halten.
Woran fehlt es? Gibt es zu wenig Ausbildungsmöglichkeiten?
Wir haben in Österreich grundsätzlich ausgezeichnete Ausbildungsmöglichkeiten für Software Engineers, unter anderem die TU Graz, FH-Joanneum Graz oder auch HTLs wie beispielsweise die HTL Kaindorf. Die digitale Transformation betrifft inzwischen aber alle Industrien, somit haben zum Beispiel auch Versicherungsunternehmen oder Banken einen immensen Bedarf an IT-Fachkräften.
Wer ist gefordert? Die Politik? Die Unternehmen?
Beide – es bedarf gemeinsamer Anstrengungen, um noch mehr hochqualitative Ausbildungsmöglichkeiten anzubieten, darunter neben klassischen Bachelor- und Masterstudien auch mehr duale Ausbildungsmöglichkeiten sowie mehr Anreize und passende Rahmenbedingungen für Frauen, in die Technik zu gehen. Die Unternehmen sind in erster Linie gefordert, eine Unternehmenskultur zu entwickeln, die den Bedürfnissen der nachkommenden Generationen und in unserem Fall insbesondere Programmierenden entspricht, darunter beispielsweise zeitliche Flexibilität oder autonomes Arbeiten innerhalb von vereinbarten Zielen.
Wie beurteilen Sie die Qualität der Ausbildungsmöglichkeiten in Österreich?
Die Ausbildungsmöglichkeiten für Software Engineers sind ausgezeichnet. Wir als Unternehmen sagen: gerne noch mehr davon. Es bräuchte nur schlicht mehr Absolventen.
Welche Möglichkeiten gibt es für Unternehmen, geeignete Mitarbeiter zu finden? Wie und wo finden Sie Mitarbeiter?
Wie schon erwähnt, sind wir recht wählerisch, was unsere Mitarbeiter angeht und haben deshalb die strategische Entscheidung getroffen, weltweit nach passenden neuen Mitarbeitern zu suchen. Für uns ist die wichtigste Möglichkeit, Kandidaten anzusprechen natürlich die persönliche Empfehlung und das professionelle Netzwerk unserer eigenen Mitarbeiter. Weiterhin setzen wir aber auch auf internationale Plattformen wie Stack Overflow. Hier haben wir die Möglichkeit, sehr gezielt interessante und passende Kandidaten anzusprechen. Mittlerweile haben wir unser Recruiting Tool direkt an Stack Overflow angebunden, was ein großer Vorteil ist.
Was versteht man unter Employer Branding und wie können es Unternehmen nutzen?
Employer Branding ist für uns das authentische Kommunizieren des Arbeitgeberversprechens an potenzielle Bewerber. Viele große Unternehmen machen den Fehler, dass sie am Arbeitsmarkt ein Arbeitsumfeld – zum Beispiel flache Hierarchien oder einen wertschätzenden Umgang – versprechen, dies aber nicht einhalten können. Deshalb beginnt schon die Einarbeitungszeit mit vielen Enttäuschungen der neuen Mitarbeiter. Wenn der Anfang schon schwierig ist, wie sollen dann erst die folgenden Jahre werden? Deshalb kündigen viele direkt wieder oder fühlen sich nicht mit ihrem Arbeitgeber verbunden, was zu weniger Engagement führt.
Es braucht also ein ideales Zusammenspiel zwischen Organisation, Human Resources (HR) und dem Employer Marketing. So ist es ratsam, dass sich die HR-Abteilung mal mit den eigenen Software Engineers zusammensetzt und schaut: Wie ticken diese Menschen eigentlich? Was wünschen sie sich und wie können wir mit ihnen zusammen einen guten Weg für die Ansprache neuer Kollegen finden. Dabei lassen sich übrigens auch hervorragend aktuelle Herausforderungen besprechen und aus dem Weg räumen. Denn Software Engineers zu halten ist schon eine großartige Leistung.
Be the first to comment