Susanne Tischmann ist CTO beim ÖAMTC, CIO Award Gewinnerin 2024 und Verfechterin einer menschenzentrierten IT. ITWelt.at sprach mit ihr über aktuelle Projekte sowie die Möglichkeiten und Herausforderungen, die mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz verbunden sind. [...]
Sie haben geschrieben, dass Komplexität Menschen davon abhält, Software sinnvoll zu nutzen. Hat sich das gebessert?
Auf der einen Seite will man alles parat haben. Auf der anderen Seite soll alles einfach sein. Dieser Spagat ist uns noch nicht gelungen. Die Situation verschlimmert sich gefühlt, weil die Komplexität mit der Anzahl der Einzelteile und dem Wunsch, dass diese permanent miteinander kommunizieren, weiter steigt. Das ist weniger an den Oberflächen zu bemerken als im Betrieb, in der Betreuung und in der Weiterentwicklung. So gesehen gefällt mir das Konzept der Microservices und der APIs sehr gut, bei denen alles in kleinere Pakete geteilt wird, um sie handhabbar zu machen. Die Realität ist aber die: Wenn ein Microservice zu einem zentralen großen Service wird und Dutzende Systeme darauf zugreifen, dann ist es alles andere als egal, wenn es einmal ausfällt. Dadurch steigt die Komplexität und macht es notwendig, dass die Überwachungstools besser werden.
Hilft die KI bei der Reduktion oder macht sie alles noch schlimmer?
Mit den LLMs haben wir gelernt, dass es Menschen braucht, die die Systeme betreiben und überwachen – besonders dann, wenn es um Einsatzgebiete geht, in denen man sich darauf verlassen können muss, dass die Informationen richtig sind. Da kommt man mit einem Standard ChatGPT nicht weiter, weil dieses darauf ausgerichtet ist, immer Antworten zu geben – Stichwort halluzinieren. Auch die großen Unternehmen tüfteln gerade, wie sie das Problem in den Griff bekommen.
Wenn man LLMs als Unterstützung bei der Arbeit verwendet, dann erspart man sich das Schreiben, nicht das Konzeptionelle. Man kommt auch nicht umhin, die Ergebnisse zu überprüfen und zu verifizieren. Was KI uns also nicht bringt, ist eine Reduktion der Komplexität. Im Gegenteil.
Durch den KI-Hype werden oft falsche Erwartungen geweckt. Man ist als IT-Leiter gefordert, zu erklären, was die Technologie nicht kann, wie sie am besten zu nutzen ist und worauf man eine Auge werfen sollte.
Man sagt, dass die Data Governance das Um und Auf jedes KI-Systems ist. Wie sieht es damit beim ÖAMTC aus?
Wir sind jetzt dort, wo wir geplant haben. Wir haben das Regelwerk geschaffen, wir führen heuer die ersten Use Cases ein. Wir haben an verschiedenen Stellen der Quellsystemen noch Themen in der Datenqualität, die wir mit Hilfe der Data Governance und mit den gemeinsamen Definitionen, wie wir in Zukunft damit umgehen wollen, letztendlich transparent lösen.
Was die Daten aus den Fahrzeugen betrifft, so treiben wir gerade das Thema intensiv mit Hilfe einer Unterschriftenaktion durch unsere Mitglieder voran. Es gibt von diversen Herstellern Bestrebungen, den Security Act heranzuziehen, um den Zugang zu den Fahrzeugdaten zu erschweren bzw. unmöglich zu machen. Wenn ich etwa in einem entlegenen Gebiet keine Netzwerkverbindung schaffe und damit keine Zwei-Faktor-Authentifizierung, dann darf ich nicht auf die Daten zugreifen, auch wenn der Kunde neben seinem Auto steht und den Zugriff freigibt. Daher sind wir auf europäischer Ebene bestrebt, den gesicherten Zugang zu den Fahrzeugdaten zu erhalten.
Was sind Ihre wichtigsten aktuellen Projekte?
Wir haben vor kurzem unser zentralstes System, die Mitgliederverwaltung, auf S/4HANA gebracht. Die Finanzbuchhaltung war schon 2022 an der Reihe, aufgrund der Komplexität haben wir diese Transformation in zwei Teilen umgesetzt. Bei der Mitgliederverwaltung gibt es viele verschiedene Zusammenhänge zu berücksichtigen – z. B. gemeinsame Mitgliedschaften von Haushalten, für Firmen gibt es Sonderkonditionen usw. Dadurch steigt auf unserer Seite die Komplexität. Das haben wir aber gut über die Bühne gebracht.
In einem nächsten Schritt widmen wir uns dem Thema RPA, um die repetitiven Aufgaben im Verrechnungsbereich zu automatisieren. OCR ist schon lange im Einsatz. Wir analysieren gerade, wie wir die Verarbeitung von einlangenden Dokumenten in Zukunft besser gestalten können. Wir haben auch die Großaufgabe vor uns, das Legacy-System der Nothilfe-Organisation auszutauschen. Hier haben wir uns für eine schrittweise Umsetzung entschieden. Denn eine medizinische Dienstleistung hat einen ganz anderen Prozess und Workflow als eine Pannenhilfe. Um das alles in einem einzigen System verarbeiten zu können, brauchte es von den Kollegen und Kolleginnen Kompromisse und Zugeständnisse und auch hier ist die kleinteiligere Betrachtung und Bearbeitung das Mittel der Wahl.
Wir bearbeiten in Programmform Use Case für Use Case und wir prüfen gerade die Unterstützung durch KI etwa bei automatischen Übersetzungen und der Standortoptimierung. Das heißt zum Beispiel: Wie bekommen wir am besten die Informationen des Kundenstandorts zu uns? Was LLMs betrifft, so wird mit Ende Mai für alle Mitarbeitenden Systeme in der Enterprise-Version ausgerollt. In dem Bereich haben wir mehrere Proofs of Concepts, die wir heuer noch umsetzen wollen, was etwa die Themen Spracherkennung und Sprachgenerierung betrifft. Das bedeutet, dass die Kundengespräche mit Hilfe der KI verbessert werden sollen. Die KI hört mit und präsentiert proaktiv Antworten – etwa durch automatisierte Übersetzung. Bei den Wartezeitvorhersagen sind wir gerade am Modellrechnen, wie das Thema auf Basis von historischen Daten und Echtzeitsituationen automatisiert werden kann. Bei den Stützpunkten soll die Unterstützung auch optimiert werden. Wir sind gerade in der Beschreibung der Requirements, wie wir die Kunden im Zuge der technischen Dienstleistungen besser abholen können.
Wie ist die IT aufgestellt und in der Organisation verankert? Ist Diversität ein Thema?
Ich berichte direkt an den CEO sowie an die Direktoren und Direktorinnen unseres Landesvereinsgremiums. Das Team besteht aus rund 90 Personen, die in elf Teams aufgeteilt sind. Ein Team kümmert sich um die klassischen Bereiche wie Service Desk, ein Team widmet sich den Daten und mehrere Service-Teams verantworten die Bereiche Nothilfe und Stützpunkte. Quer darüber stehen die Services für die Mitglieder, ein SAP-Team sowie die Application bzw. Service Manager. Wir selber sind so aufgestellt, dass von zwölf Führungskräften vier weiblich sind. Es ist uns außerdem gelungen, Lehrlinge von beiden Geschlechtern auszubilden.
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