KI fehlt es an Intelligenz

Beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) geht es laut Helmut Leopold um den intelligenten Einsatz der Maschinen. Dazu wird es immer Menschen brauchen, die den Maschinen etwas beibringen. Die Angst, dass sie uns bald ersetzen, hält er für unbegründet. [...]

Helmut Leopold vom Austrian Institute of Technology hat keine Angst, dass ihn eine Maschine in naher Zukunft ersetzen könnte. (c) AIT
Helmut Leopold vom Austrian Institute of Technology hat keine Angst, dass ihn eine Maschine in naher Zukunft ersetzen könnte. (c) AIT

Helmut Leopold leitet seit 2009 am Austrian Institute of Technology (AIT) das Center for Digital Safety & Security und ist in seiner Rolle für das Sicherheitsprogramm des AIT und damit für Cybersecurity und Schutz für kritischer IT-Infrastrukturen zuständig. Das AIT ist laut dem Manager Österreichs größte Research and Technology Organisation, spielt bei vielen Infrastruktur-Themen weltweit in der ersten Liga und ist damit ein leistungsstarker Entwicklungspartner der Industrie. Die COMPUTERWELT hat mit ihm über das Thema künstliche Intelligenz gesprochen.

KI ist derzeit in vielen Bereichen das Thema Nummer 1. Kritiker behaupten, dass uns die Maschinen bald die Arbeit wegnehmen. Ist auch Ihr Arbeitsplatz in Gefahr?
Es ist derzeit wirklich so, dass jeder KI haben will. In jedem Meeting mit Unternehmen kommt irgendwann die Frage, ob wir auch KI können. Aber KI ist neben Blockchain der derzeit missverstandendste Begriff in der Branche. Das ist ein philosophisches Thema. Wir bauen eine Maschine, die so viele Daten sammeln kann, dass sie die Intelligenz der Menschheit überflügeln kann? Wir nehmen mit unseren Sinnen auch unendlich viele Daten auf, die unser Gehirn mit verschiedensten Mechanismen sortiert in Wichtiges und Unwichtiges. Aber, dass wir ein Hirn nachbauen, halte ich für einen Blödsinn. Vielleicht in 200 bis 1.000 Jahren. Aber in unserer näherer Zukunft halte ich das für unmöglich.

Dass wir sehr weit gehen können und alles, was trainierbar ist auch Maschinen beibringen können, die bestimmte Mechanismen verstehen, ist natürlich klar. Aber da handelt es sich um einfache, triviale Vorgänge. Die triviale Arbeit ist bei uns aber schon lange verschwunden und wird von Maschinen gemacht. Fabriken mit 10.000 Leuten sind ja schon eine Seltenheit bei uns. Aus meiner Sicht sind wir an diesem Punkt: Maschinen können einfache und wohldefinierte Arbeiten in Problembereichen durchführen. Aber eine Maschine kann nicht alle Aufgaben lösen, die ein Kleinkind schon kann, da überschätzen wir sie.

Aber dazu bedarf es keiner Intelligenz.
Intelligenz ist der falsche Begriff. Schachspielen kann eine Maschine natürlich und viele Menschen können das nicht. Aber das ist eine Sache der Rechenleistung und keine Intelligenz für mich.
Die Technologie ist aber natürlich schon auch spooky. Deshalb weil keiner mehr weiß, worum es geht. Ich rede jetzt von neuronalen Netzen. Diese liefern Ergebnisse und niemand kann das mehr nachvollziehen. Und damit diese Mechanismen funktionieren, haben wir sehr viel zu tun, denn wir brauchen sehr viele validierte Lerndaten. Da hat Google einen gewaltigen Vorsprung. Wenn man einen Prozess laufen lässt, bei dem Studenten auf der ganzen Welt Bilder oder Geräusche annotieren. Dann kann man eine Maschine trainieren. Das ist eine große Herausforderung für uns. Damit wir beginnen, diese Dinge zu verstehen und für spezifische Anwendungsgebiete zu verwenden, müssen wir entsprechende Lerndaten bekommen. Das ist mein Appell: Wir müssen in Europa Mechanismen schaffen, damit wir gemeinsam Daten sammeln und auswerten und Algorithmen trainieren. Hier sind wir derzeit in Europa zu fragmentiert und das Silicon Valley hat einen großen Vorsprung.

Also müssen wir uns keine Sorgen um unsere Arbeitsplätze machen?
Da ist so viel an Engineering-Arbeit zu leisten bis ein Algorithmus funktioniert. 20 Prozent ist Software aber 80 Prozent ist die Arbeit, diese in das System einzubinden. Man muss Schnittstellen, Prozesse und Maschinen ändern, damit sie die Daten lesen können. Diese Arbeit beginnt erst jetzt. Ich sehe eigentlich nur Arbeit auf uns zukommen. Dazu brauchen wir natürlich eine gewisse Qualifizierung. Das ist die Herausforderung: Fachkräfte und Experten zu finden.

Auch die triviale Arbeit, die ein Roboter leicht leisten kann, wird zur Herausforderung. Ein Tischler, der etwas einbaut, der Design und Materialaspekte bedenken muss, wird nicht so schnell ersetzt werden. Bei Ikea können das natürlich schon Maschinen leisten. Aber ich halte das für eine übertriebene Angst. Der Druck für die Jugend steigt aber, sich die nötigen Qualifizierungen anzueignen.

Das heißt, den Maschinen fehlt das gewisse Etwas.
Es gibt diese Dinge, die einen Menschen ausmachen und die eine Maschine nie haben wird: Gefühl, ein Gespür haben für etwas, abschätzen können, Herz, Bauchgefühl. Also alles das, was wir tun. Und das brauchen wir immer mehr, damit wir als Gesellschaft funktionieren. Das merke ich auch beim Arbeiten. Ich glaube nicht, dass wir unsere Arbeit automatisieren können. Ich glaube wir sind auch deshalb erfolgreich als Mensch, nicht weil wir automatisiert haben, sondern weil wir eine Kultur geschaffen haben, in der jeder an etwas glaubt und sich jeder mit seiner Arbeit identifizieren kann. Darum bringen wir viel weiter. Wenn in einem Unternehmen keine gute Atmosphäre herrscht, dann wird nicht viel weitergehen.

Es geht durch die viele Technik, mit der wir es zu tun haben, etwas verloren. Diversität und Kulturentwicklung ist wichtig. Aber das ist eine gesellschaftlich Angst. Das blinde Vertrauen auf Technik ohne zu reflektieren. Das ist Aufgabe der Hersteller: etwas zu bauen, für das sich der Kunde entscheidet. Es ist wichtig, mit der Technik umgehen zu lernen. Das haben wir in den letzten 30 Jahren versäumt – da schließe ich jetzt auch mich ein – dass wir die Kinder bei der Technik nicht begleitet haben und nach wie vor nicht begleiten.

KI bringt für die Industrie aber auch Vorteile.
Klar. IoT (Internet of things) oder predictive maintenance sind Lösungen, die Abläufe effizienter machen aber wenig mit Intelligenz zu tun haben. Wir brauchen solche Maschinen unbedingt, weil Technologien wie Digitalisierung, Sensoren oder M2M immer wichtiger werden. Kein Mensch, kein Ingenieur versteht aber heute mehr komplett die Summe seines technischen Systems von Ende zu Ende. Das ist nicht mehr durchschaubar. Wer weiß wirklich, was in den Handys oder in der Cloud alles passiert. Die Komplexität steigt asymptotisch an. Wir bauen also Maschinen, die keiner mehr versteht. Diese Komplexität, das alles wieder ein wenig zu beherrschen, dabei kann auch KI helfen. Damit wir diese Komplexität wieder besser in den Griff bekommen.

Die Technologie ist eine weitere Unterstützung für den Menschen. Nur weil ich unterstützt von Maschinen immer komplexere Maschinen baue, heißt das nicht, dass ich irgendwann keinen Menschen mehr brauche. Roboter sind eher eine Chance, Produktion wieder zurück nach Europa zu holen. Das Knowhow dazu haben wir. Es rentiert sich wieder, auch hier in Produktion zu investieren und das ist gut für den Standort. Da ist noch viel zu tun.

Das ist wie beim Thema Blockchain. Was es wirklich bedeutet und wie man es verwendet, wissen nur wenige. Ein Startup, das eine fertige Blockchain verwendet, hat nichts mit Blockchain zu tun. Die verwenden das als Tool. Aber was dahinter steckt an Verschlüsselung, an Protokollen, das verstehen die wenigsten. Und auch die Vermischung mit dem Thema Bitcoin führt dazu, dass jeder von Blockchain redet. Aus meiner Sicht ist Bitcoin aber eine reine Spekulation. Und diese enorme Energieverschwendung, die dafür betrieben wird, ist ein absoluter Irrsinn.

Wir sind in diesen Bereichen jetzt am Anfang und es wird sicher auch Rückschläge geben. Es geht im Grunde um den intelligenten Einsatz der Maschinen. Das ist zwar ein großes Feld, aber beherrschbar. Also Angst, dass uns Maschinen übernehmen wie beim Terminator, die habe ich nicht.


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