KI im Unternehmen

2024 ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmens-IT zunehmend unverzichtbar. Im Round Table von ITWelt.at diskutierten Experten, worauf es bei der Einführung von KI ankommt, welche Technologien zur Verfügung stehen, welche Rahmenbedingungen zu beachten sind und welche Rolle dabei der Mensch spielt. [...]

Die Teilnehmer des Roundtables von links nach rechts: Klaus Lorbeer (ITWelt.at), Ivo Titscher (ByteSource Deutschland), Michael Kommenda (Tietoevery) und Martin Bachler (Netconomy). (c) timeline / Rudi Handl
Die Teilnehmer des Roundtables von links nach rechts: Klaus Lorbeer (ITWelt.at), Ivo Titscher (ByteSource Deutschland), Michael Kommenda (Tietoevery) und Martin Bachler (Netconomy). (c) timeline / Rudi Handl

Die Tage sind nicht mehr fern, da der Verzicht auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz ganz sicher ein Wettbewerbsnachteil ist. KI wird schon bald die gleiche Bedeutung für Unternehmen haben wie heute Office-Programme oder professional Services – diese können bei Bedarf bezogen werden und funktionieren wie gewünscht. Und niemand diskutiert mehr die zugrundeliegende Technik. Das waren die Kernaussagen im Round Table „KI im Unternehmenseinsatz: Das volle Potenzial der Digitalisierung“. Die Weichen in Sachen KI werden jetzt gestellt. Was Unternehmen von dieser Technologie zu erwarten haben, welche Vorbereitung und Strategien, es braucht, um die Herausforderungen zu meistern und mit KI das volle Potenzial der Digitalisierung zu erschließen, disktutierten Martin Bachler, CTO bei Netconomy, Michael Kommenda, Senior AI Consultant bei Tietoevry und Ivo Titscher, Managing Director bei ByteSource Deutschland.

Nur ein weiterer Automatisierungsschritt?

Mit der Veröffentlichung von Chat-GPT 3.5 Ende 2022 hob der amerikanische Hersteller OpenAI die Automatisierung mit generativer KI auf ein neues Niveau. Um die Möglichkeiten und das Potenzial von KI besser beurteilen zu können, müsse man hinter den Hype schauen, der in den letzten eineinhalb Jahren um ChatGPT entstanden ist, sagt Martin Bachler. „Das Problem ist gegenwärtig, dass die Erwartungshaltung, die hier zum Teil bewusst erzeugt wird, so hoch ist, dass sich erst der Nebel nach dem Hype setzen muss, um wirklich in der Realität anzukommen. Das heißt, dass die Firmen wirklich prüfen müssen, was heute schon machbar ist und mit welcher nachhaltigen Strategie man das umsetzen kann.“ Ein Treiber für den Einsatz von KI sei für viele Unternehmen „the Fear of missing out“ gewesen, also die Angst etwas zu versäumen und ins Hintertreffen zu geraten. Deswegen wurden oft überstürzt KI-Projekte umgesetzt. Jetzt komme es aber darauf an, solche Projekte nachhaltig, strukturiert und mit einer guten Strategie umzusetzen, sagt Bachler.

Letztendlich entspreche das, was mit generativer KI ermöglicht wird, dem, was man mit strukturierten Strategien und Daten bereits seit zwanzig Jahren mache, ergänzt Michael Kommenda. Jedoch biete generative KI jetzt die Möglichkeit, „unstrukturierte Daten effizient und vom Konzept her zu erfassen – Sprache, Bilder, Videos – und diese Daten zu verstehen, zu kombinieren und daraus auch neue Inhalte zu generieren“. In Verbindung mit Daten ermögliche das, völlig neue Anwendungsfelder zu erschließen, ist Kommenda überzeugt.

Ivo Titscher ergänzt, dass die Möglichkeiten der KI weit über bloße Bürotätigkeiten hinausgingen. Diejenigen, die meinten, einen Industriebetrieb betreffe Automatisierung durch KI nicht, da nach wie vor Vieles nur per Hand gemacht werden könne, fordert Titscher zum Überdenken diese Annahme auf. „Ganz im Gegenteil, auch hier verändert generative KI deutlich die Möglichkeiten, insbesondere im Einsatz von Robotertechnik und deswegen kommen die Möglichkeiten der generativen KI tatsächlich einer industriellen Revolution gleich. Eben weil KI nicht nur Texte im Büroumfeld verfasst, sondern grundsätzlich in allen Bereichen – eben auch im industriellen Bereich – einsetzbar ist.“ Leider seien Unternehmenslenker normalerweise konservativ und sehen Innovation oft skeptisch, weiß Titscher. Das Thema sei zu wichtig als dass Unternehmen diese Technologie bloß beobachten und für nächstes Jahr einen Workshop dazu planen. „Denn wenn vom Management das Thema tatsächlich umarmt wird, dann ist das Potenzial der Effektivitätssteigerung und auch Unternehmenswertsteigerung enorm“. Anstatt auf Regulationen, auf ein neues KI-Modell zu warten, oder darauf, was der Mitbewerb mache, sei es besser, so Titscher, Unternehmen würden frühzeitig erkennen, wie sie KI nutzen und damit Wettbewerbsvorteile erreichen können.

Die Use Cases seien jedenfalls bereits da, sagt Titscher und führt als Beispiel ein System an, dass Siemens zusammen mit der Firma Schaeffler implementiert hat. Dabei läuft als Steuerung für die Produktionsbänder eine Software und diese Software bzw. die Maschinen müssen manchmal recht aufwendig umprogrammiert werden. So kommt extra eine Fachkraft ans Band und erkundet, was gewünscht ist, geht ins Büro und programmiert das. „Doch durch die neue Lösung“, so Titscher, „gibt es eine Konsole direkt an der Maschine, wo der Maschinenführer die Abläufe durch normalsprachliche Eingabe umprogrammieren kann und die Änderung sofort umgesetzt wird.“

Unternehmen müssen hier strategisch vorgehen. Wie das am besten geht, skizziert Ivo Titscher in vier Schritten: 1) Jedes Unternehmen muss definieren, was erlaubt oder verboten ist, also ob etwa KI oder ChatGPT von den Mitarbeitenden verwendet werden darf oder nicht. 2) Im nächsten Schritt ist eine Anlaufstelle zu schaffen. Im Schritt 3 werden die Mitarbeiter aufgefordert, weiterführende Ideen und Vorschläge aus ihrem Bereich dort einzureichen. Dabei werden oft ähnliche Ideen geannt und von diesen fünf oder sechs Varianten. Schließlich (Schritt 4) wird jeweils eine davon ausgesucht und umgesetzt.

Michael Kommenda betont, dass eine Umsetzung auch aus Sicherheitsgründen möglichst schnell zu erfolgen hat. „Wir bei Tietoevry haben ein Framework für einen sicheren Umgang mit Large Language Models geschaffen, das man sehr schnell unternehmensweit ausrollen kann, um Datenabfluss zu vermeiden, sodass sensible Daten nicht irgendwo öffentlich übertragen werden.“ Ein zweiter Aspekt dieses Frameworks sei zudem, so Kommenda, dass es Mitarbeitern die Möglichkeit gebe, Use Cases selbst zu evaluieren. „Sie können in einer gesicherten Umgebung Dokumente hochladen, die zur Verarbeitung verwendet werden. Mit den Möglichkeiten des Customizing von KI-Modellen sind Sie zumindest teilweise in der Lage, selbst den Use Case durchzuspielen und herauszufinden, was funktioniert und ob es einem persönlich bei der Arbeit hilft. Wer das schon selbst evaluiert hat, kann diese Erkenntnisse mit Überzeugung einbringen.“ Das Ergebnis: Die Mitarbeiter wollen automatisieren, weil ihre Arbeit so noch schneller erledigt werden kann.

Das sieht Martin Bachler genau so: „Es ist sehr wichtig, den Mitarbeitern etwas in die Hand zu geben und quasi Learning on the Tool zu ermöglichen. Denn die Art, wie man mit einem LLM kommuniziert – Stichwort Prompt Engineering – führt schon zu sehr großen Unterschieden in der Qualität der Ergebnisse. Und das lernt man wirklich nur, wenn man es ausprobiert.“ Diese Demokratisierung mittels Learning on the Tool ist für Bachler ein wichtiger Aspekt, um die Mitarbeiter vom Nutzen einer KI-Einführung zu überzeugen.

Hausaufgaben machen und auf Standards setzen

Eine Herausforderung bei der Erstellung einer KI-Strategie sei die rasante Entwicklung der generativen KI, die das Aufsetzen einer Drei-Jahre-Strategie quasi verunmögliche, weiß Bachler. Trotzdem sei es jedoch extrem wichtig, dass Unternehmen in gewissen Bereichen ihre Hausaufgaben machen, so der Netconomy-CTO. Er denkt dabei an das Erheben strukturierter Daten, Stichwort Data Lake, sowie an die Bereiche Governance und Compliance. So kenne Bachler einen Fall, wo generative KI die Effizienz massiv erhöhen und Kosten sparen würde, dennoch prüfe die Rechtsabteilung des Unternehmenss seit sechs Monaten, wie sie die Daten verwenden können und dürfen. „Wer da seine Hausaufgaben noch nicht gemacht hat, für den ist es jetzt höchste Zeit“, ruft Bachler Unternehmen auf, hier tätig zu werden, denn das sei die Basis jeder Strategie.

Ivo Titscher nennt noch auf eine weitere Möglichkeit: „Wenn der Kunde sich nicht in der Lage fühlt, die Verantwortung zu übernehmen, dann gibt es ein Managed Service. Hier wird beschrieben, was zu tun ist, welche Daten herein kommen, welche hinausgehen, wie sie gemanaged wie sie gesichert werden und so weiter.“

In eine ähnliche Kerbe schlägt Michael Kommenda, wenn er Unternehmen rät Standardsoftware zu verwenden und diese zu kombineren. Bei Tietoevery setze man auf Microsoft Azure. Konzerne wie etwa Microsoft, seien sehr weit in der Adaption dieser Systeme. „Es liegt nahe, KI-Modelle genau in dieser Form zu nutzen“, rät Kommenda, dann habe man automatische Skaliereffekte. „Bei uns fangen wir bei so einem Framework mit 50 Mitarbeitern an und skalieren ohne Probleme auf mehrere Tausend Benutzer.“

Zwar sei Netconomy ein Google-Partner, letztlich gelte aber, dass es unabhängig für welchen Provider bzw. Plattform man sich entscheide, es dafür bereits Lösungen gebe, betont Bachler. „Aus meiner Sicht ist es wirklich wichtig für ein Unternehmen auf eine bewährte Plattform, sei es ein Hyperscaler, sei es etwas Spezialisiertes, zu setzen“, sagt Bachler. Er sehe zwar seltener als früher, aber doch immer wieder, dass Unternehmen das Gleiche nachbauen wollen, was Amazon, Microsoft oder Google bereits haben. Das sei ein Fehler, weil es in dieser Qualität und dieser Skalierbarkeit nicht gelingen könne.

Human in the loop

Der Mensch habe als letzter Entscheidungsträger jedenfalls noch nicht ausgedient, ist Martin Bachler überzeugt. „Einen Roboter oder eine Programmierung völlig automatisiert machen zu lassen, würde heute ohne einen Human in the Loop noch niemand machen.“ Gegenwärtig gelte es zu eruieren, wie und wo man wirklich automatisieren kann, ohne einen Menschen in der Entscheidungsschleife dabei zu haben bzw. für welche Cases das wirklich möglich ist, so Bachler.

Einig sind sich alle Diskutanten darin, dass KI-Systeme sehr oft die besseren Entscheidungen treffen als Menschen. „In bestimmten Anwendungsfällen für medizinische Diagnosen, im Finanzbereich etwa für Börsenvorhersage oder Assetssteuerung und auch beim autonomen Fahren weisen alle aktuellen Studien KI-Modelle als dem Menschen überlegen aus. Das ist die Realität und das sollte doch zu denken geben“, sagt Titscher.

Halluzinationen, also falsche Auskünfte der KI, können drastisch minimiert werden, wie Kommenda beschreibt: „Am einfachsten vermeidet man Halluzinationen, indem man zusätzliche Informationen bereitstellt. Wenn ich die richtigen Informationen identifizieren kann und dem Modell im Hintergrund bereitstelle, wird es die entsprechenden Antworten geben können.“

Wenn die KI transparent und damit trustworthy ist, dann sei es auch keine Blackbox mehr und Entscheidungen können nachvollzogen werden, ist auch Bachler überzeugt. „Und ich kann mich als User auf die Antwort der künstlichen Intelligenz verlassen“, versichert auch Ivo Titscher.


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