Für viele Unternehmen schafft der Einsatz von modernen ERP-Systemen die Voraussetzungen für KI und die Vorstufen intelligenter Systeme. Diese Entwicklung geht Hand in Hand mit den zugehörigen Rahmenbedingungen für Compliance und IT-Sicherheit. [...]
Der Einsatz von KI ist in der Fertigungsindustrie noch nicht wirklich angekommen, obwohl ERP-Systeme die Grundlage bilden würden, davon zu profitieren. Laut einer PwC-Studie setzen nur vier Prozent der befragten Unternehmen KI ein, zwei Prozent sind dabei, entsprechende Technologien zu implementieren, geplant haben dies 17 Prozent. Rund die Hälfte der Befragten halten das Thema für derzeit nicht relevant.
Wenn KI im Einsatz oder vorstellbar ist, dann vor allem in Richtung Datenanalysen für Entscheidungsprozesse (70 Prozent) oder für die Prozessautomatisierung bestehender Geschäftsprozesse (63 Prozent). Dabei geht es Unternehmen vor allem darum, Mitarbeiter zu unterstützen und zu entlasten (71 Prozent). Autonom agierende Systeme spielen eine eher untergeordnete Rolle.
KI-Kultur und Vertrauen schaffen
Grundsätzlich stellt sich in Unternehmen die Frage wie KI-Anwendungen am besten im Unternehmen eingeführt werden können. Zwei Aspekte sind dabei wesentlich: Auf welche Weise kann eine KI-Kultur im Unternehmen geschaffen werden und wie kann seitens der Mitarbeiter Vertrauen in die Technologie geschaffen werden?
»Vor diesem Hintergrund sind unterschiedliche Wege denkbar, um intelligente Systeme schrittweise in den industriellen Alltag einzubinden“, sagt Dirk Löhmann, Regional Vice President Continental Europe bei Epicor.“Um eine organische Entwicklung von KI zu fördern und diese Veränderung erfolgreich zu steuern, sind aus unserer Erfahrung im Zuge von ERP- Projekten zwei Schritte für die Fertigungsindustrie wichtig: Zuerst braucht es eine zentrale Software für das Unternehmensmanagement – in unserem Fall das ERP-System – die sich durch einen Plattformorientierten Ansatz sowie eine Service-orientierte Software-Architektur auszeichnet. Dann ist die Voraussetzung gegeben, KI-Services als Cloud-Anwendungen, wie sie etwa über Microsoft Azure zur Verfügung stehen, flexibel nach Bedarf zu integrieren.
Zum anderen gilt es, in Unternehmen die Scheu vor KI abzubauen, die zumeist mit autonomen Robotern in Verbindung gebracht wird. Denn in der Realität können – und werden bereits – KI-Funktionalitäten sehr intuitiv in alltägliche Prozesse und Entscheidungen eingebunden. In einer Form, die als komfortable IT-Technologie und weniger als künstliche Intelligenz wahrgenommen wird. Sprachsteuerung oder Trend- und Mustererkennung auf Knopfdruck sind hier typische Beispiele.“
Virtueller Agent als erster Schritt
Exemplarisch für diesen Ansatz steht der virtuelle Agent von Epicor, kurz EVA genannt. Entwickelt wurde EVA unter Nutzung der KI-Services von Microsoft Azure und kann in allen Epicor-ERP-Umgebungen eingesetzt werden – ob in der Cloud oder im eigenen Rechenzentrum – unabhängig von der Größenordnung. Dadurch können auch kleine und mittlere Unternehmen von KI profitieren. Als mobile Anwendung erscheint EVA auf dem Bildschirm als virtueller Assistent, auf den Anwender über Text- und insbesondere auch Spracheingaben Zugriff haben. Mithilfe von Natural Language Processing (NLP) – eine der vielen Formen von KI-Technologien – liefert EVA zielgerichtete Informationen, um schneller bessere Entscheidungen zu treffen.
Darüber hinaus nutzt EVA KI-Funktionen für proaktive Alarmmeldungen und die Durchführung spezifischer Aktionen, basierend auf der Kombination von Ereignissen, Marktstatistiken und historischen Daten. Der virtuelle Agent ist darauf ausgerichtet, KI branchenorientiert in der alltäglichen Arbeit zu nutzen und den Weg hin zu einer erweiterten Nutzung von KI und kognitiven Technologien zu bereiten.
Nachfolgende Versionen von EVA sollen diese Entwicklung fördern – beispielsweise mit weiteren KI-gestützten Microsoft Azure Technologien wie HoloLens 2 mit seinen“mixed-reality“ Anwendungen. HoloLens 2 ist auf industrielle Augmented-Reality-Anwendungen ausgerichtet, etwa in der Fertigung vor Ort oder in entfernten Anlagen. In Verbindung mit dem virtuellen, sprachgesteuerten Agenten bleiben bei Informationsabfragen beide Hände frei, der Blick immer auf den Arbeitsbereich gerichtet. So könnte EVA beispielsweise in der Produktion über Industrial IoT (IIoT)-Vernetzung Sensordaten kontinuierlich analysieren. Sobald Anomalien in der Roboterfertigung auftreten, sendet die KI-Anwendung Alarmmeldungen an das mobile Gerät des Produktionsleiters, der daraufhin auf den Button“Instandhaltungsplanung“ klickt und EVA dafür einen Arbeitsauftrag ansetzt. Als nächstes schlägt EVA vor, auf welcher anderen Produktionslinie der aktuelle Produktionsauftrag ausgeführt werden könnte und ergreift nach Bestätigung entsprechende Maßnahmen.
Flexible KI-Optionen für vernetzte ERP-MES-Plattformen
KI-Services, wie sie über Microsoft Azure zur Verfügung stehen, als integrierten Teil von industriespezifischen ERP-Systemen einzusetzen, eröffnet flexible Wege, intelligente Funktionen abgestimmt auf individuelle Geschäftsanforderungen zu implementieren. Gleiches gilt für IoT, Machine Learning oder andere innovative Technologien.
So ging beispielsweise Sistema, eine bekannte Marke für Kunststoff-Vorratsbehälter, den Weg, einen digitalisierten Closed-Loop in Echtzeit zwischen Geschäftssystemen und der Produktion (Manufacturing Execution System, MES) zu schaffen. Diese integrierte ERP- und MES-Plattform ist die Grundlage für weitere Entwicklungen in Richtung Predictive Analytics, IoT-Vernetzung über Sensoren an den Produktionsmaschinen und Business Intelligence über die gesamte Organisation hinweg.
Ein Ansatz, den auch die Bitkom in ihrem Positionspapier für zukunftsorientierte ERP-Systeme verfolgt. Es wird erwartet, dass die Architektur von ERP-Systemen komplett neu aufgesetzt wird, in Richtung Cloud und hin zu Plattform Computing. Aus den so verfügbaren Funktionen in Form von Cloud-Services wird sich eine neue Dynamik entwickeln. Unternehmen erhalten dadurch die Freiheit, spezifische Funktionalitäten und Innovationen für ihre Differenzierung und Wettbewerbsvorteile zu kombinieren, bei geringeren Kosten und Implementierungsaufwand.
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