Es reicht nicht aus, KI zu nutzen, um einen Geschäftsprozess zu optimieren – zum Beispiel, um bessere Vorhersagen zu treffen oder eine manuelle Aufgabe zu automatisieren. Unternehmen müssen einen Schritt weiter gehen und die Erkenntnisse aus ihren KI-Projekten nutzen, um zur lernenden Organisation zu werden. [...]
Während viele Organisationen sagen würden, dass sie aus ihren Erfolgen und Fehlern lernen, haben nur wenige formale Prozesse, um diese Erkenntnisse zu übernehmen und im gesamten Unternehmen zu verbreiten – insbesondere, wenn es um den Einsatz von KI geht. Infolgedessen sahen nur elf Prozent der Unternehmen im Jahr 2020 einen signifikanten Nutzen aus ihren KI-Initiativen, so ein Bericht der MIT Sloan Management Review in Zusammenarbeit mit der Boston Consulting Group.
Beispiel Scoring von Kreditanträgen: Ein Großteil der mühsamen Dateneingabe wird manuell von Sachbearbeitern durchgeführt. Durch den Einsatz von KI oder maschinellem Lernen kann der Prozess signifikant optimiert werden, wodurch die Kosten gesenkt und weniger Sachbearbeiter benötigt werden.
KI lässt sich jedoch auch einsetzen, um neue Erkenntnisse aus denselben Kreditantragsdaten zu gewinnen. Eine Bank könnte zum Beispiel unterversorgte Kundensegmente entdecken, was eventuell zu einer massiven Ausweitung des Geschäfts führt. »Oder eine Bank könnte herausfinden, dass Menschen Angst haben, einen Kredit zu beantragen, weil sie befürchten, ihre Kreditwürdigkeit zu verlieren«, sagt Sam Ransbotham, Professor für Informationssysteme an der Carroll School of Management des Boston College und Mitautor des MIT-Sloan-Berichts. „Das Angebot einer risikofreien Bewertung, die sich nicht auf die Kreditwürdigkeit auswirkt, könnte dies ändern. Das ist nicht nur eine Automatisierung, das ist eine grundlegende Veränderung des Kreditprozesses“, sagt er.
Gegenseitige Ergänzung
In ihrer Umfrage haben MIT Sloan und BCG mehrere Faktoren identifiziert, die dazu beitragen, dass Unternehmen zu den elf Prozent gehören, die von »signifikanten finanziellen Vorteilen« berichten. Darunter finden sich Faktoren wie gemeinsame Nutzung von Wissen durch Menschen und KI, die Einbindung von KI in die allgemeine Geschäftsstrategie, die Nutzung von KI nicht nur zur einfachen Automatisierung und die Suche nach Wegen, wie Menschen und KI zusammenarbeiten können, so dass KI die menschliche Arbeit ergänzt und menschliche Arbeit die KI.
„Wir haben herausgefunden, dass Unternehmen, die diese Schritte in Richtung organisationales Lernen machen, die Wahrscheinlichkeit, zu dieser 11-Prozent-Gruppe zu gehören, um fast 80 Prozent erhöhen.“
„Wir machen KI zum Kern unseres Unternehmens – das ist nichts, was man nebenbei machen kann.“
Jim Swanson, Johnson & Johnson
Kein Impfstoff ohne KI
Ende Jänner kündigte Johnson & Johnson (J&J) seinen COVID-19-Impfstoff an, ein Präparat, das normal gekühlt und nicht tiefgekühlt werden muss. „Der Impfstoff wäre ohne KI nicht möglich gewesen“, sagt J&J-CIO Jim Swanson. „Vor neun Monaten hat es noch zwei Wochen gedauert, eine Charge des Impfstoffs herzustellen. Jetzt sind es zwei Chargen in einer Woche. Wir haben KI eingesetzt, um alles zu verbessern – beginnend bei unserem Fermentationsprozess bis hin zu unserem Ertragsfluss“, sagt er. „Es gibt eine ganze Reihe von Erkenntnissen und alle Teile summierten sich zu diesem Ergebnis.“ Die Zusammenarbeit über mehrere Fachbereiche hinweg beschleunigte den Prozess ebenfalls. „Wir haben diese Idee des universellen Data Scientists stark vorangetrieben – einer, der sowohl Forschung und Entwicklung, als auch Lieferketten versteht.“
Daten-Feedback-Schleife
Welche Rolle KI bei J&J spielt, zeigt sich auch an einer smarten Lösung im Bereich Hautpflege. Kunden machen ein Bild ihrer Haut, um eine personalisierte Produktempfehlung zu erhalten. Jetzt kommt das organisationale Lernen ins Spiel, denn J&J nutzt diese Bilder, um herauszufinden, welche Hautprobleme die Menschen generell haben. »Damit haben wir nicht nur den Produktangebotsprozess beschleunigt. Die Daten-Feedback-Schleife bringt zudem weitere neue Produkte hervor.« Die Qualität der Rückkopplungsschleife hängt davon ab, dass die richtige Dateninfrastruktur vorhanden ist, eine, die den Datenschutz und die Sicherheit unterstützt, damit die Daten im gesamten Unternehmen demokratisiert werden können.
Der letzte Teil der organisatorischen Lernstrategie von J&J beinhaltet den Aufbau von kollektivem KI-Knowhow. „Wenn man sich im Umgang mit Daten nicht auskennt, kann man sie nicht nutzen“, sagt Swanson. „Wir haben also Wissenschaftler aus Forschung und Entwicklung, kaufmännische Mitarbeiter sowie Kollegen aus der Supply Chain vereint und einen Rat für Datenwissenschaft gegründet. Wir machen KI und Technologie zum Kern unseres Unternehmens – das ist nichts, was man nebenbei machen kann.“
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