Klimaneutral konkurrenzfähiger

Die EU hat ihren Green Deal aufgrund der derzeit unsicheren und schwierigen Wirtschaftsbedingungen, denen sich europäische Unternehmen gegenübersehen, angepasst. Mit flexiblem Pragmatismus will man Arbeitsplätze schaffen, Innovation fördern und energieunabhängiger werden. [...]

Digitalisierung soll helfen, mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. (c) Klaus Lorbeer
Digitalisierung soll helfen, mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. (c) Klaus Lorbeer

Ende 2019 beschloss die Europäische Kommission den Green Deal, seit Juli 2021 ist er in Kraft. Das ist ein Maßnahmenpaket, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral sein will. Diese Vorgaben sind jedoch als Wachstumsstrategie gedacht und sollen nicht nur die europäische Wirtschaft umweltfreundlicher und nachhaltiger gestalten, sondern gleichzeitig für Wirtschaftswachstum sorgen und neue Arbeitsplätze schaffen. Im Juli 2025 wurde der Fahrplan des EU-Klimagesetzes bis 2040 vorgestellt. Dieser nimmt auch auf die schwieriger gewordenen wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und geopolitischen Rahmenbedingungen Rücksicht, man denke konkret etwa an die Covid-Pandemie, den nun schon drei Jahre andauernden und von Russland angefangenen Krieg in der Ukraine oder den erratisch anmutenden Zolldrohungen der Trump-Regierung in den USA.

Das jetzt vorgeschlagene EU-Klimaziel sieht vor, dass die Netto-Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 bis 2040 um 90 Prozent zu senken sind. Wie immer muss dieser Vorschlag der Kommission noch vom Europäischen Parlament angenommen werden, bevor er als Gesetz beschlossen werden kann.

Der Plan, die Netto-Treibhausemissionen der EU-Staaten bis 2030 um zumindest 55 Prozent gegenüber den Werten von 1990 zu senken, ist nach wie vor gültig. Der neue Vorschlag sieht jedoch einen pragmatischeren und flexibleren Weg vor, um eine dekarbonisierte europäische Wirtschaft bis 2050 zu verwirklichen. Zu den Flexibilitätsmaßnahmen zählen unter anderem: eine begrenzte Nutzung hochwertiger internationaler Emissionsgutschriften ab 2036, der Einsatz langfristiger CO₂-Entnahme innerhalb der EU im Rahmen des EU-Emissionshandels sowie mehr Spielraum bei der Verteilung der Klimaschutzmaßnahmen auf verschiedene Bereiche. Das bedeutet zum Beispiel, dass ein EU-Land, das im Bereich Landnutzung Schwierigkeiten hat, diese ausgleichen kann – etwa durch stärkere Emissionssenkungen im Abfall- oder Verkehrssektor.

Weitere Maßnahmen der Europäische Kommission betreffen den »Clean Industrial Deal«. Hier sollen im Rahmen staatlicher Beihilfen Investitionen in die Energiewende weiter unterstützt werden. Auch die Vereinfachung des CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM) wurde vereinbart, durch die 90 Prozent der Einführer von der Regelung ausgenommen werden. Das soll den Verwaltungsaufwand verringern und eine reibungslose Umsetzung sicherstellen. 

Pressekonferenz des EU-Klimavorschalgs: v.ln.r. Pressesprecherin, Teresa Ribera (Executive Vice-President für Competitive Transition) und Wopke Hoekstra (EU-Kommissar für Klima). (c) European Union

Naturschützer kritisieren den jetzt möglichen Einsatz von internationalen Emissionsgutschriften, also der Möglichkeit von Ländern oder Unternehmen Emissionsreduktionsgutschriften aus Projekten außerhalb der EU zu kaufen. Damit soll das 90-prozentige Emissionsreduktionsziel erreicht werden. Kritisiert wird vor allem, dass dadurch möglicherweise wichtige Veränderungen innerhalb der EU nicht oder erst später umgesetzt werden. »Wir erweitern den Lösungsraum«, sagte Klimakommissar Wopke Hoekstra bei einer Pressekonferenz und beschreibt damit sehr schön den pragmatischen Zugang. Dazu Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: »Die Industrie und Investoren erwarten von uns, dass wir einen berechenbaren Kurs vorgeben. Heute zeigen wir, dass wir fest zu unserer Verpflichtung stehen, die europäische Wirtschaft bis 2050 zu dekarbonisieren. Das Ziel ist klar, der Weg ist pragmatisch und realistisch.«

Die überwiegende Mehrheit der Emissionsminderungen, inklusive der CO2-Reduktion, werde jedoch nach wie vor innerhalb Europas stattfinden, so Hoekstra. Deswegen hat die Kommission die die internationalen Gutschriften auf drei Prozent des Ziels für 2040 begrenzt.

Ernstes Problem Klimawandel  

Doch bei allem Umweltwengagement ist natürlich die Meinung der EU-Bürger und -Bürgerinnen entscheidend. Deswegen hat die EU zwischen zwischen dem 18. Februar und dem 10. März 2025 eine Eurobarometer-Sonderumfrage durchgeführt. Dabei wurden 26.319 EU-Bürger und -Bürgerinnen aus allen 27 EU-Mitgliedstaaten befragt. Das Ergebnis ist eindeutig: Für 85 Prozent der der EU-Bürger und -Bürgerinnen ist der Klimawandel ein ernstes Problem. Für 81 Prozent hat die Bekämpfung des Klimawandels eine hohe Priorität, insbesondere in Bezug auf die öffentliche Gesundheit und die Lebensqaulität. Sogar neun von zehn Europäern (88 Prozent) halten es für wichtig, dass die EU Maßnahmen zur Steigerung der erneuerbaren Energien sowie zur Verbesserung der Energieeffizienz ergreift. 

77 Prozent der Europäer sind sich einig, dass die Bekämpfung des Klimawandels Innovationen fördern wird. Mehr als acht von zehn Europäern (84 Prozent) glauben, dass europäische Unternehmen stärker unterstützt werden sollten, um auf dem Weltmarkt für saubere Technologien zu konkurrieren, was die öffentliche Unterstützung für den Clean Industrial Deal zeigt.

Klimaneutral dank Digitalisierung

Ein zentraler Hebel diese ambitionierten Klimaziele zu erreichen, ist die Digitalisierung. Das Problem dabei: Informationstechnologie ist gleichzeitig ein großer CO2-Verursacher. Der Energieverbrauch von Rechenzentren, die kurze Lebensdauer von Hardware sowie die Emissionen aus Softwareanwendungen stellen eine erhebliche Umweltbelastung dar. Auch diesen Herausforderungen begegnet die EU mit einer Reihe gesetzlicher Maßnahmen und Initiativen, die IT nachhaltiger gestalten sollen.

Hier ist vor allem die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zu nennen. Seit Jänner 2024 verpflichtet diese Richtlinie große Unternehmen zur detaillierten Berichterstattung über Nachhaltigkeitskennzahlen, darunter auch solche zur IT-Nutzung und zu Klimaauswirkungen digitaler Prozesse.

In Österreich wäre die EU-Richtlinie für große börsennotierte Unternehmen erstmals für das Geschäftsjahr 2024 anzuwenden gewesen, allerdings ist Österreich bisher säumig, was die Umsetzung in nationales Recht anbelangt. Dennoch berichten alle von der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei Forvis Mazars analysierten ATX-Unternehmen, deren Berichte über das Geschäftsjahr 2024 bis 30. April 2025 öffentlich vorlagen, freiwillig nach den neuen EU-Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS – European Sustainability Reporting Standards). Das sind die konkretisierenden Berichtsstandards im Rahmen der CSRD, die als übergeordnete Richtlinie die Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit für Unternehmen festlegt. Die ESRS definieren die spezifischen Inhalte und Methoden für diese Berichterstattung. 

Die Studie zeigt, dass die ESG-Kriterien in 100 Prozent der Anreizsysteme des Topmanagements verankert sind und Nachhaltigkeit definitiv in der Unternehmenssteuerung angekommen ist. Alle Unternehmen veröffentlichen eine Treibhausgasbilanz und legen ihre Auswirkung auf den Klimawandel offen. Über 80 Prozent lassen ihre Nachhaltigkeitsberichte bereits extern prüfen, was die Glaubwürdigkeit gegenüber Stakeholdern und Kapitalmarkt  steigert. Erfreulich: 100 Prozent der ATX-Unternehmen haben sich Klimaziele gesetzt. 

»Österreichs Unternehmen müssen sich nicht verstecken, was ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung anbelangt«, konstatiert Peter Wundsam, Managing Partner bei Forvis Mazars, mit Blick auf die Studienergebnisse. Zudem beobachtet er, dass die Berichterstattung über die Regulatorik hinausgehend bereits die strategische Ausrichtung der Unternehmen beeinflusst hat. »Das zeigt uns: Egal, was mit der Gesetzgebung passiert, nachhaltiges Wirtschaften ist im österreichischen Unternehmertum verankert und nicht mehr wegzudenken«, lautet Wundsams positives Resümee.

Weitere Initiativen und Rechtsbausteine der EU sind der Digital Product Passport (DPP). Dieser digitale Produktpass liefert Informationen über die Umwelt- und Sozialauswirkungen von Produkten, einschließlich IT-Hardware. Das Ziel ist eine längere Nutzungsdauer und verbesserte Wiederverwendbarkeit.

Kreislaufwirtschaft

Ergänzend kommt der Circular Economy Action Plan hinzu, dessen Ziel es ist, Ressourcen effizienter zu nutzen, Elektroschrott zu reduzieren und die Lebensdauer elektronischer Geräte zu verlängern.

Nach einer von Refurbed in Auftrag gegebene und von Fraunhofer Austria Research durchgeführte Studie nimmt E-Waste weltweit rasant zu und stellt einen der am schnellsten wachsenden Abfallströme dar. Im Jahr 2022 wurden weltweit 62 Millionen Tonnen elektronischer Abfall erzeugt – das entspricht 7,8 Kilogramm pro Kopf – mit einer prognostizierten Steigerung auf 82 Millionen Tonnen bis 2030. Dabei weist Europa als Kontinent (nicht nur die EU-Staaten) mit rund 13 Millionen Tonnen die höchste Pro-Kopf-Menge weltweit auf (17,6 kg). Laut dieser Studie gibt es in Europa gegenwärtig 642 Millionen nicht mehr verwendete Smartphones, die einem Marktwert von 6,42 Milliarden Euro entsprechen und einen Materialwert von 1,57 Milliarden Euro haben. Rund ein Drittel davon, das sind 211 Millionen Geräte, könnten professionell genralüberholt und damit einer zweiten Verwendung zugeführt werden. In Österreich sind es immerhin 4,4 Millionen Handys (von insgesamt 13,7 Millionen Althandys in Österreich), die pro Rückverkauf bis zu 200 Euro und mehr bringen könnten, schätzt Refurbed-Co-Founder Peter Windischhofer. Würde man alle geeigneten Geräte in den Haushalten aufbereiten – und damit ein neu produziertes Produkt ersetzen – und zudem die derzeitige durchschnittliche Nutzungsdauer von 2,8 Jahre auf 5,6 Jahre heben, würde das »zu einer Autarkie der EU gegenüber Smartphone-Lieferanten von drei Jahren führen«, so Windischhofer. Durch die Generalüberholung und die längere Nutzungsdauer könnte Europa also drei Jahre lang seinen Bedarf decken, ohne Rohstoffe für Smartphones aus China, Russland und andern Ländern zu beziehen. »Das ist so«, erklärt Windischhofer, »als ob Sie die nächsten drei Jahre keine Lebensmittel mehr kaufen müssten, weil Sie alles zu Hause haben.« Das alles entspricht einer Einsparung von einem Äquivalent von 24 Millionen Tonnen CO2. Die Daten dieser Studie wurden zudem unabhängig überprüft und von der Zertifizierungsgesellschaft GUTcert auditiert sowie am 19. Februar 2025 gemäß den Anforderungen der ISO 14040/44 verifiziert.

Während die Nutzung des Altbestandspotenzial bei Privaten schwer zu regeln ist, kann die Kreislaufwirtschaft bei Unternehmen als strategische Maßnahme eingesetzt werden. 

Gernot Hochfellner, Geschäftsführer von AfB social & green IT in Österreich, ist überzeugt: »Wer jetzt auf nachhaltige Beschaffung und Refurbishing setzt, stärkt nicht nur Umwelt und Gesellschaft, sondern vor allem die eigene Wettbewerbsfähigkeit.« So können Unternehmen ihre ausrangierten Geräte von professionellen Refurbishern für den Wiederverkauf vorbereiten lassen. Das verlängere nicht nur die Lebensdauer der Geräte, spare CO₂, sondern reduziere den Elektroschrott und bringe wertvolle Rohstoffe wie Eisen, Kupfer, Aluminium, Gold oder Silber zurück in den Kreislauf, die über das Recycling von nicht mehr funktionierender Hardware zurückgewonnen würden, so Hochfellner. Als Partner sollte man nur zertifizierte IT-Dienstleistern wählen, denn so sei eine DSGVO-konforme Datenlöschung sichergestellt wie auch ISO-Zertifizierungen im Qualitätsmanagement (ISO 9001), Umweltmanagement (ISO 14001) und  Informationssicherheitsmanagement (ISO/IEC 27001).

Herausforderung und Chance

Den regulatorischen Impulsen zum Trotz zeigen etliche Studien, dass viele Unternehmen in der EU noch am Anfang der nachhaltigen Transformation stehen: Laut einer EY-Umfrage (Mai 2025) unter 200 europäischen C-Level-Führungskräften sehen nur 24 Prozent Nachhaltigkeit als strategischen Wettbewerbsvorteil, während fast die Hälfte Nachhaltigkeitsmaßnahmen isoliert umsetzt. Die Integration in IT-Strategien erfolgt nur zögerlich. Eine Erhebung von Accenture zeigt zudem, dass weniger als 60 Prozent (56 Prozent) der Unternehmen ihre IT-Systeme an Nachhaltigkeitszielen ausrichten. McKinsey (ESG-Report, Mai 2024) hebt hervor, dass viele europäische Unternehmen zwar Klimaziele kommunizieren, jedoch an der technologischen Umsetzung scheitern – insbesondere bei Datenverfügbarkeit und Cloud-Optimierung. PwC warnt, dass nur eine Minderheit über die Infrastruktur verfügt, um den Anforderungen der CSRD gerecht zu werden. BCG betont, dass ohne gezielte Digitalisierung der ESG-Prozesse weder Transparenz noch Wirkung erzielt werden kann.

Die EU gibt mit ihren Klimavorgaben und IT-relevanten Regulierungen einen klaren Rahmen vor, der zugleich Herausforderung und Chance für europäische Unternehmen darstellt. Die Potenziale sind riesig, aber klar ist auch, dass noch viel zu tun bleibt. Doch eines scheint mittlerweile sicher: Nur wer Digitalisierung und Nachhaltigkeit gemeinsam denkt, wird langfristig wettbewerbsfähig bleiben. 


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