Nach den großen Übernahmen der vergangenen Jahre, die Infor zum drittgrößten Anbieter für Businesssoftware gemacht haben, soll nun Wachstum durch Innovation im Vordergrund stehen. [...]
Infor wurde 2002 ursprünglich unter dem Namen Agilisys in den USA gegründet. Der jetzige Name geht auf die Übernahme eines deutschen Unternehmens zurück. Seitdem hat Infor, das von der Beteiligungsgesellschaft Golden Gate Capital kontrolliert wird und seine Finanzen daher nicht offen legen muss, knapp 50 Unternehmen übernommen.
Jetzt soll die Zeit der Konsolidierung gekommen sein, wie CEO Charles Phillips in seiner Keynote im Rahmen der Hausmesse Inforum 2012 vor über 5.000 Besuchern in Denver hervorstrich. Er führt das Unternehmen seit knapp eineinhalb Jahren – seit das komplette Management ausgetauscht wurde. Phillips kam damals, wie einige seiner jetzigen Vorstandskollegen, vom Hauptkonkurrenten Oracle.
ÜBER 100 NEUE PRODUKTE
13.000 Mitarbeitern stehen 70.000 Kunden weltweit gegenüber. Allein im Jahr 2012 wurden 102 neue Produkte vorgestellt. Die letzte große Übernahme war der ERP-Anbieter Lawson vor knapp einem Jahr. Um Kunden schnellen Mehrwert aus der Übernahme zu ermöglichen, haben die Produktentwicklungs-Teams von Infor und Lawson begonnen, Anwendungen über die Integrationsplattform ION (intelligent open network) zu verbinden. Infor und Lawson ergänzen sich nicht nur im Produktportfolio: Die Unternehmen teilen sich auch eine breite Basis an Kunden, was weitere Cross-Selling-Chancen ermöglicht. Neun Prozent der aktiven Kunden von Lawson nutzen auch Infor-Produkte, und 48 Prozent der umsatzstärksten Lawson-Kunden haben mindestens eine Infor-Anwendung im Einsatz.
Zu den ersten der dutzenden Ankündigungen in Denver gehörte die nächste Generation von Infor10 ION Workspace, die kontextbezogene Informationen in einer bekannten Desktop-Umgebung anbietet, die an soziale Netzwerke angelehnt ist. Ebenso neu ist das Produkt Infor10 Business Intelligence, das Reporting- und Analyse-Funktionen in Infor10 ION Workspace integriert, und dadurch Anwendern zu jeder Zeit Zugriff auf ihre Daten erlaubt, ohne sich mit den komplizierten Verknüpfungen im Hintergrund auseinander setzen zu müssen.
Außerdem erweitert Infor die Partnerschaft mit Amazon Web Services (AWS). AWS bietet Infor-Anwendungen in einer Cloud-Umgebung und stellt Kunden auf diese Weise mit Infrastructure as a Service ERP-Funktionen bereit, ohne dass diese in IT-Infrastruktur und Wartung investieren müssen. Das ist nur ein kleiner Auszug aus den über 5.000 Featues, die heuer in die diversen Infor-Produkte integriert werden sollen.
NACHGEFRAGT
Andrew Kinder ist Vice President Product Management für EMEA.
Infor ist das drittgrößte B2B-Softwareunternehmen der Welt. In Europa ist Infor dennoch nicht sonderlich bekannt. Woran liegt das?
Andrew Kinder: Als das Unternehmen 2002 gegründet wurde, gab es den Namen Infor noch nicht. Wir haben ein deutsches Unternehmen namens Infor übernommen, damals noch als Agilisys. Der Name hat uns gefallen, der Brand ist aber erst knapp acht Jahre alt. Es war von Anfang an klar, dass wir eine aggressive Akquisitionspolitik betreiben werden. Da muss man sich dann entscheiden. Man kann entweder ein »house of brands« sein oder ein »branded house«, wie man im Marketing sagt. Oracle etwa ging klar in die Richtung house of brands, wie man nach der Übernahme von Peoplesoft gesehen hat. SAP wiederum ist ein branded house. Wer von SAP übernommen wird, wird schnell ins Unternehmen integriert und wird zu SAP. Wir haben uns dazu entschieden, es genauso zu machen. Wir haben allerdings in letzter Zeit ein paar riesige Marken gekauft, Marken, die größer waren als die Marke Infor selbst. Für die Kunden dauert es natürlich, bis sie sich selbst als Infor-Kunden sehen. Unsere Strategie war von Anfang an sehr klar und fokussiert, davon sind wir bis heute auch nicht abgewichen.
Eine Frage der Zeit also?
Jetzt, wo wir der drittgrößte Anbieter weltweit sind, werden wir natürlich auch immer bekannter. Es geht weniger um »Infor wer?« als »Infor was?«. Auch diese Konferenz (Inforum 2012, Anm.) soll dazu beitragen, unsere Produkte bekannter zu machen. Wir haben fast 50 Unternehmen übernommen und Analysten sagen wir sind wie CA, das stimmt aber nicht. Wir haben eine klare, eigenständige Investment-Strategie. In den letzten Jahren ging es um Konsolidierung der Marken, die wir haben. Wir haben mehr Geld und Know-how in diese Unternehmen investiert als sie es je selbst getan haben. Der Markt muss auch verstehen, dass wir es ernst meinen, wenn wir jetzt Wachstum durch Innovation und nicht nur durch Übernahmen planen. Wir haben auch nur Unternehmen übernommen, die zu unserer Gesamtstrategie passen. Am Anfang waren es hauptsächlich produzierende Unternehmen. Die Übernahme von Lawson bringt uns erstmals tief in die Services-Welt hinein.
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