Kontaktloses Bezahlen stark im Kommen

Mit dem neuen iPhone 6 und Apple Pay könnte kontaktloses Bezahlen schon bald in neue Dimensionen vorstoßen. Doch bereits vor der Apple-Präsentation war M-Payment in Europa auf dem Vormarsch. Praxiserprobte Lösungen könnten Bargeld bald ablösen. [...]

Lange hatte sich Apple gegen die Integration von NFC-Technologie (Near-Field Communication) gesträubt. Mit dem neuen iPhone 6 hat das Unternehmen nun eine Kehrtwende vollzogen. Das neueste Modell nutzt NFC zur drahtlosen Datenübertragung und ist somit für entsprechende Bezahlvorgänge gerüstet. Um möglichst viele Endkunden und Unternehmen zu erreichen, kooperiert Apple gleich mit mehreren der weltweit führenden Kreditkartenunternehmen wie MasterCard, Visa und American Express.

Nach den Sicherheitsproblemen rund um die eigene Cloud hat das Unternehmen bei der Vorstellung von Apple Pay ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für jeden Bezahlvorgang eine einmalige Nummer zur Autorisierung genutzt wird. Dadurch müssen die Kartendetails weder dem Händler preisgegeben noch auf dem Mobiltelefon oder den Servern von Apple gespeichert werden. Verliert der Kunde sein Handy oder wird es geklaut, können die Diebe nicht auf die Kreditkartendetails zugreifen. Beim Bezahlprozess im Laden kommt Apples Touch ID zum Einsatz. Ohne den Fingerabdruck des Besitzers ist keine Autorisierung möglich.

APPLE SPRINGT AUF FAHRENDEN ZUG
Noch kann Apple Pay in Europa nicht für mobiles Bezahlen genutzt werden. Letztlich springt Apple mit seiner Bezahllösung aber auf einen fahrenden Zug, als dass es den Markt neu erfindet. So gibt es etwa in Deutschland bereits einige NFC-basierte Bezahlsysteme, die schnelles und einfaches Bezahlen mit dem Handy ermöglichen. Und auch dort sind die führenden Kreditkartenanbieter wie Visa und Mastercard mit payWave bzw. PayPass mit entsprechenden Produkten in der ersten Reihe dabei. Laut den Anbietern liegen die Nutzungszahlen in Deutschland trotz der Affinität vieler Verbraucher zu Bargeld bereits im Millionenbereich. „Bei manchen Händlern sind es schon deutlich über 50 Prozent der Transaktionen, bei denen einfach eine Karte vor das Lesegerät gehalten wird. So wird das Einkaufserlebnis für alle Beteiligten sicherer und einfacher“, berichtet Javier Perez, Präsident von Mastercard in Europa.

ZUKUNFT DER KARTENZAHLUNG IST KONTAKTLOS
Ähnliche Zuversicht versprüht man beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Seit der Ankündigung von Girogo vor zwei Jahren hat sich einiges getan. Mittlerweile kann bundesweit an mehr als 8.500 Stellen mit den Karten gezahlt werden. Ludger Gooßens, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV, sieht sogar bereits eine Wachablösung bei den populärsten Bezahlmitteln: „Aus unserer Sicht ist die Zukunft der Kartenzahlung kontaktlos, weil das bequem und schnell ist und gleichzeitig die Brücke zu zukünftigen mobilen Bezahllösungen darstellt. Wir gehen davon aus, dass der Bargeldanteil im Handel innerhalb der nächsten zweieinhalb Jahre auf unter 50 Prozent sinken wird.“

Derartige Prognosen wären vor einigen Jahren undenkbar gewesen. Kontaktloses Bezahlen, wozu auch einige Formen des M-Payment gehören, wird seit Jahren heiß diskutiert, erwies sich bislang aber eher als nicht eingelöstes Versprechen. Mit den neuesten NFC-basierten Lösungen scheint es den Anbietern sowie deren Partnern nun aber gelungen zu sein, Produkte zur Marktreife zu bringen, bei denen Komfort und Sicherheit so weit sind, dass sie von allen Seiten akzeptiert werden. Zum schnellen und bequemen Bezahlen müssen Endkunden ihre Karten nunmehr lediglich an NFC-fähige Terminals halten. Zumindest bei niedrigen Beträgen entfällt dabei zudem die Eingabe der Geheimnummer, was Händlern und Kunden Zeit spart.

Um die neuesten kontaktlosen Bezahlverfahren von ihren Kinderkrankheiten zu befreien, haben die Anbieter viel Zeit in die Entwicklung gesteckt. Neben den Tests im Labor werden die Lösungen auch immer wieder unter Alltagsbedingungen erprobt. „Das ist notwendig, da es sich um Produkte handelt, die weltweit in den unterschiedlichsten Umgebungen und verschiedensten Konfigurationen immer auf die gleiche Art und Weise funktionieren sollen“, sagt Rudolf Linsenbarth, Payment-Experte der Unternehmensberatung COCUS, im Gespräch mit der COMPUTERWELT. „Von daher bin ich froh, mit der Star-Tankstelle in der Nähe meines Wohnortes einen Pionier des kontaktlosen Bezahlens in Deutschland zu haben“, so Linsenbarth, und: „Star-Tankstellen gehören mit den ersten flächendeckenden Rollouts für PayPass von Mastercard und payWave von VISA zu den Vorreitern der Kontaktlos-Technik in Deutschland.“

UNTERSCHIEDLICHE STANDARDS
Der erste Test vor drei Jahren an einer Star-Tankstelle galt der Frage, ob die Google Wallet auch an deutschen Terminals funktioniert. „Die Transaktion lief zwar durch, doch obwohl die Regularien von Mastercard besagten, dass bei Beträgen unter 25 Euro keine Unterschrift notwendig ist, wurde angezeigt, dass ich den Beleg unterschreiben müsste“, erinnert sich der Berater. Schnell war dann der Kontakt zu Oliver Behrens, Non Cash Transactions Manager bei Orlen Deutschland, hergestellt, und man konnte die Ursache für das abweichende Verhalten ermitteln. Das Problem basierte auf unterschiedlichen Standards in den USA und Europa. „Jedes Land hat andere Standards im Zahlungsverkehr“, so Rudolf Linsenbarth. „Hinzu kommt, dass es eine Reihe an Herstellern von Kartenleseterminals und Zahlungsdienstleistern gibt, und alle müssen untereinander kommunizieren können. Das klappt nicht immer auf Anhieb. Umso wichtiger ist es, dass derartige Praxistest durchgeführt werden.“ Ein weiteres Problem betraf die kontaktlosen Maestro-Karten. In diesem Fall lagen die Ursachen sogar noch tiefer. Letztlich musste nicht nur bei Star, sondern deutschlandweit an allen PayPass-Terminals ein Software-Update durchgeführt werden. „Derartiges Feedback ist für uns sehr wertvoll. Kontaktloses Bezahlen verkürzt die Wartezeiten an der Kasse, was unsere Kunden zu schätzen wissen. Allerdings nur dann, wenn alles reibungslos läuft“, sagt Behrens.

Mittlerweile wundert sich kein Mitarbeiter der Star-Tankstelle mehr, wenn Linsenbarth irgendwelche Gegenstände an das Bezahl-Terminal hält. Selbst mit einer NFC-fähigen Uhr hat Linsenbarth bereits bezahlt – lange, bevor Apple seine Apple Watch präsentierte. Bislang gibt es die von Linsenbarth eingesetzte Uhr jedoch nur in England und in Polen. Auch in Österreich steht  kontaktloses Bezahlen in den Startlöchern. Kürzlich meldete das Startup kWallet Investitionen in Millionenhöhe. kWallet soll das Bezahlen zwischen zwei Smartphones möglich machen und setzt dabei auf den Standard Blue­tooth Low Energy (BLE). (cb)


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