Kritik an ELGA wird lauter

Die elektronische Gesundheitsakte geht in die heiße Phase. Die einen schreiten mutig voran, die anderen versuchen zu retten, was zu retten ist. Die COMPUTERWELT sprach darüber mit Hubert Eisl von der ELGA GmbH und Hans G. Zeger von Arge Daten. [...]

Die Kritik an ELGA wird nicht leiser. Im Gegenteil. Im Jänner dieses Jahres präsentierte die Österreichische Ärztekammer die desaströsen Ergebnisse einer Umfrage, die unter heimischen Kassen-, Wahl- und Spitalsärzten durchgeführt worden war. Satte 95 Prozent sprachen sich gegen den Gesetzesentwurf mit verpflichtender Verwendung von ELGA bei der Behandlung von Patienten aus.
Am 15. März organisierte die ÖAK eine Fachtagung zu dem heiß diskutierten Thema. »ELGA soll von allen Seiten objektiv beleuchtet und einer sachlichen Diskussion zugeführt werden«, erklärte ÖÄK-Präsident Walter Dorner in seinem Eröffnungs-Statement. Dabei dürfe man nicht vor heiklen Themen zurückscheuen und müsse auch die Vorratsdatenspeicherung diskutieren, die nach Ansicht des Ärztechefs »die absolute Vertraulichkeit zwischen Arzt und Patient« berühre. Er fordert eine offene Diskussion über fragwürdige Konzepte der Politik, die nur zu oft die Sicherheit der Bürger vorschiebe, um eigene Interessen durchzusetzen. »Es darf nicht sein, dass wir uns in Richtung Überwachungsstaat entwickeln«, so Dorner.
Artur Wechselberger, ÖÄK-Vizepräsident, schilderte die Problematik aus der Sicht eines niedergelassenen Arztes. »Wenn die Informationen, die ich als Arzt erhalte, auf die momentane Behandlungssituation ausgerichtet sind, dann kann das eine echte Verbesserung bedeuten. Wenn ich aber erst sämtliche Befunde durchforsten muss, erhöhen sich die Wartezeiten für meine Patienten.« Die Widerspruchsregelung (Opt-Out), die im derzeit vorliegenden Gesetzesentwurf verankert sei, bedeute zusätzliche Hindernisse. So könne sich der Arzt nie sicher sein, dass die Befundsammlung tatsächlich vollständig ist. Daraus würde sich wiederum die Notwendigkeit für weitere Recherchen ergeben. »Das alles kostet enorm viel Zeit«, so Wechselberger. Der renommierte Verfassungsrechts­ex­perte Heinz Mayer setzte sich mit den ­juristischen Aspekten von ELGA auseinander. Sein Fazit fiel pessimistisch aus: »Die Widerspruchsregelung – Opt-Out – für Patienten ist verfassungswidrig. Sie setzt voraus, dass der Betroffene mit seinen ­Daten zuvor bereits erfasst wurde. Ein Unterlassen des Opt-Out kann nicht als Zustimmung gewertet werden«, führte Mayer aus. Ebenfalls verfassungswidrig sind nach Ansicht des Experten der gesetzliche Zwang für Kassenärzte, an ELGA teilzunehmen, sowie die Nicht-Erfassung von Psychotherapeuten und klinischen Psychologen.
KOSTEN-NUTZEN-RECHNUNG Auch das vom Gesundheitsministerium erwartete Kostendämpfungspotenzial wurde genau unter die Lupe genommen. Der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Klaus Hübner zerpflückte in einer eigenen Studie die von der mittlerweile liquidierten deutschen Beratungsfirma Debold & Lux 2008 erstellte Kosten-Nutzen-Analyse für ELGA. »Die Analyse ist voller formaler Rechenfehler und betriebswirtschaftlicher Mängel, zudem wimmelt es nur so von Referenz- und Analogiefehlern«, stellte Hübner den Unterlagen ein vernichtendes Zeugnis aus. Die vom Gesundheitsministerium immer wieder kolportierten 129 Millionen Euro an jährlichem Kostendämpfungspotenzial müssten revidiert werden. Tatsächlich seien jährlich lediglich 22 Millionen Euro realistisch – und dies auch erst im Vollbetrieb von ELGA. Fazit: »Derzeit kostet das Projekt mehr, als es bringt«, so Hübner. Die Länder etwa würden lediglich vom Kostendämpfungspotenzial der Spitäler profitieren. Vermiedene Doppelmedikationen könnten zwar einen Nutzen bringen, dieser müsse aber erst einer genaueren wissenschaftlichen Analyse unterzogen werden.


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