Marketing in einer digitalen Welt

Wie sieht Marketing im Zeitalter von Smartphones und vernetzter Welt aus und welche Chancen ergeben sich für Unternehmen? Die COMPUTERWELT hat fünf Branchen-Experten zur Gesprächsrunde über die Zukunft des Marketings eingeladen. [...]

„Die digitale Kluft wird immer größer. Einige Unternehmen stecken noch total in den digitalen Kinderschuhen, andere sind echte Pioniere. Wir wollen auch die enablen, die noch am Anfang stehen. Da braucht es sehr viel an Kompetenzvermittlung. Es geht auch darum, den Unternehmen Ängste und Sorgen zu nehmen“, meint Eva Mader. „Wir müssen auch das Silodenken in Unternehmen aufbrechen“, warnt Jenewein davor, Marketing isoliert zu betreiben.

„Es ist gänzlich kunden- und situationsabhängig, welche Kanäle man verwendet“, stellt Ruschin klar. „Wir haben einen Kunden, für den wir mehrere Webshops entwickelt haben. Er macht allein durch Suchmaschinen-Werbung, also Google Adwords, heute einen siebenstelligen Umsatz mit hoher Marge.“ Die Unternehmen müssten einerseits mehr experimentieren, aber auch lernen, sich nicht sofort auf jede neue Sache zu stürzen. Ruschins Appell an die Unternehmen: „Probiert Dinge aus, das funktioniert bei kleinen Unternehmen besser, weil sie einfach flexibler sind und schneller agieren können.“ Allerdings hängt es oft an den handelnden Personen: „Wenn Leute, die digital affin sind, das Unternehmen verlassen, dann stirbt oft das digitale Projekt“, gibt Lange zu bedenken.

Lange und Jenewein sind sich in der Diskussion nicht ganz einig. Während der SAP-Experte den Golden Customer Record und eine zentrale Plattform als zielführend sieht, hat der Teradata-Manager dazu eine andere Sicht: „Ich muss kein Riesen-Projekt daraus machen, sondern kann auch einzelne Kanäle oder Datenquellen zusätzlich relativ schnell anbinden. Wichtig ist es nur, das Big Picture dabei nicht aus den Augen zu verlieren.“ Lange dagegen: „Es geht nicht darum, etwas relativ schnell anzubinden, sondern darum, wie wir ad hoc die Prozesse auf der Plattform freischalten können. Und das können technologisch heute nur ganz wenige.“

Ben Ruschin ortet ein anderes Problem: Oft gäbe es auf Management Ebene keinen Innovationstreiber und keinen Chief Innovation Officer. Sein Urteil fällt hart aus: „Ich sehe die in Österreich vorherrschende Gemütlichkeit, die Unternehmen schaffen sich leider oft damit selbst ab.“ Österreich sei zudem ein kleiner Markt. Das sei auch eine Chance, sagt Eva Mader: „Man kann aus kleinen Projekten lernen, wie etwa bei Ikea mit der Beacons-Technologie oder bei adidas: Der erste Schuh-Automat steht am Donaukanal. Es braucht Quick Wins, um zu lernen. Zweiter Schritt ist dann die Einbettung in eine ganzheitliche Strategie.“ Wichtig sei auch die Verbindung der Offline- mit der Online-Welt.

Allerdings denken die Marketingabteilungen noch sehr klassisch. „Man hat einen Jahresplan mit verschiedenen Kanälen“, fasst Jenewein zusammen. „Schön ist, dass jetzt auch neue Geschäftsmodelle entstehen, Digitalisierung ist eine echte Chance für die Unternehmen“, denkt Monika Thomasberger positiv. Steffen Lange pflichtet bei: „Da tun sich ganz neue Felder auf. Dabei geht es darum, auch über den Tellerrand zu schauen und vielleicht neue Partner zu finden.“

MANGELNDE AUSBILDUNG

Kritisiert wird auch die mangelnde Digitalisierungsausbildung in Österreich: „Die Schweizer haben etwa eine Ausbildung, die stark in Richtung Digitalisierung geht. In Österreich fallen mir nur drei Unis ein: FH Technikum, FH Hagenberg und TU Wien. Diese drei vermitteln digitales Wissen. Bei allen anderen gibt es maximal einen Kurs ›Digitales Marketing‹“, sagt Ruschin. Thomasberger ergänzt: „Es ist überhaupt USA kontra Europa: Alle digitalen Innovationen kommen aus den USA. Das kann Europa gar nicht mehr aufholen.“ Lange übt Selbstkritik: „Es liegt auch an uns Anbietern, ein bisschen Feuer in die Maschinerie reinzubringen.“

„Unternehmen müssen eine Strategie entwickeln: Wie gehe ich mit meine Kunden über alle Kanäle um. Der Marketingvorstand sollte der Chief Innovation Officer sein und mehr treiben“, fordert Jenewein. Auch die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit muss in Zukunft verbessert werden, sind sich alle Roundtable-Teilnehmer einig. Monika Thomasberger rät, im Unternehmen bewusst Verständnis für das Thema aufzubauen, und Eva Mader meint: „Digital ist keine neue Schublade. Wir brauchen einfach mehr Commitment und Mut.“ Steffen Lange sagt abschließend: „Man sollte nicht nur auf das Unternehmen begrenzt denken, sondern auch das Ökosystem einbeziehen. Die Welt hat sich massiv weiterentwickelt und wir dürfen nicht stehen bleiben.“ (Christine Wahlmüller)


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