Mehr Mut zum Risiko

Im Rahmen des 6. IT-Konvents hat das Beratungsunternehmen BearingPoint die »Digital Leader Study« vorgestellt. Andreas Unger, Partner von BearingPoint Österreich, spricht im Interview über die Ergebnisse der Studie. [...]

»Heimische Unternehmen stoßen bei ihren Strukturen an ihre Grenzen.« Andreas Unger, Partner von BearingPoint Österreich. (c) BearingPoint
»Heimische Unternehmen stoßen bei ihren Strukturen an ihre Grenzen.« Andreas Unger, Partner von BearingPoint Österreich. (c) BearingPoint

Die »Digital Leader Study 2018« von BearingPoint soll einen 360 Grad Blickwinkel auf den Digitalisierungsgrad der Wertschöpfungskette in Österreich geben. Die Studienmacher haben laut eigenen Informationen die digitale Wertschöpfungskette von Industrie, Konzernen, KMUs und Public Sector und E-Government erstmals in Form einer 360 Grad Outside-In Analyse erhoben. Untersucht wurden dabei sechs Dimensionen: Digital Marketing, Digitale Product Experience, E-Commerce, E-CRM, Mobile und Social Media.

Herr Unger, wie weit ist die Digitalisierung in Österreich?

Laut unserem Digitalisierungs-Performance-Index belegt Österreich noch immer einen Mittelplatz im europäischen Vergleich. Daran hat sich in den letzten Jahren auch nichts geändert. Digitalisierung ist kein Add-On, sondern eine Geschäftsstrategie. Unternehmen müssen sich dahingehend im Kern verändern. Denn nur wer das gesamtheitlich tut, wird auf Dauer bestehen.

In welchen der untersuchten Dimensionen gibt es Aufholbedarf?

Schwierig ist der gesamte Commerce-Teil. Hier sind wir international und national mit Ausnahme von Telekommunikation und Handel schwach. Gerade bei Themen wie Energie, Transport – also den Klassikern – sind wir ganz weit hinten. Sie können zum Beispiel nicht durchgängig alle Produkte einer Bank abschließen, etwa einen Kredit auf Knopfdruck abschließen, auch nicht den einfachsten. Die Ausrede der Banker sind hier die österreichischen rechtlichen Rahmenbedingungen. Hier gibt es sicher Hürden, aber hier muss auch angesetzt werden.

Wo sind wir gut?

Wir sind gut in der Darstellung und in der Produkterfahrung. Warum: Weil die Unternehmen nach wie vor glauben, dass wenn es schön ausschaut und toll präsentiert ist, dass es reicht an Digitalisierung. Aber wenn der Kunde etwas kaufen will, wird es schwierig. Dort müsste man investieren. Aber hier stößt man auf die alten, vorhandenen Strukturen der Unternehmen wie eine alte IT, alte Systeme, alte Prozesse. Und dort sieht man den Benefit nicht, weil der Wechsel aufwendig ist. Als Kunde probiert man es vielleicht drei Mal, aber dann nicht mehr. Wir haben also Top-Präsentationen, aber am Commerce-Teil scheitert es.
Und viele Unternehmen glauben auch noch, dass in der Digitalisierung an der Landesgrenze das Ende ist. Aber die Kunden müssen auch weltweit beziehungsweise europaweit angesprochen werden.

Was sind die Gründe dafür und wo müsste man den Hebel ansetzen?

Im wesentlichen sind das technische Gründe und dass die umsetzungsrelevanten Aspekte nicht zu Ende gedacht werden weil es zu aufwendig wird. Die IT stößt an die Grenzen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Ich docke an mein Unternehmen etwas an und miete mir eine Infrastruktur und bin nicht abhängig von meiner bestehenden Welt. Ich erweitere sozusagen mein Unternehmen um diesen Teil. Von dort aus kann ich dann skalieren. Die andere Möglichkeit ist es zusagen ‚das wollen wir nicht‘. Aber diese Unternehmen kommen innerhalb ihrer eigenen Strukturen nicht weiter. Der Lösungsweg ist sicher die Kombination aus Erweiterung und der bestehenden Struktur. Wenn man das nicht macht, hat man langfristig natürlich einen Nachteil, weil die Kunden die Chance haben, abzuwandern. Das ist bei vielen noch nicht klar angekommen. Man muss die Prozesse für die Kunden vereinfachen. Die Unternehmen wissen das, ignorieren das aber ein wenig weil die Bedrohung noch nicht sichtbar ist.
Aktivität entsteht erst bei Druck und Druck entsteht nur, wenn etwas verloren gehen könnte. So wird zum Beispiel Apple Pay kommen und die Banken werden dann erst beginnen zu handeln. Simplification ist das Schlüsselwort.

Was können Sie aus der Studie ableiten?

In den Unternehmen sollte sich mindestens ein Vorstand zu 30 Prozent nur um das Thema Digitalisierung kümmern – mit eigenem Budget. Nur dann hat die Durchdringung der Digitalisierung im Unternehmen eine Chance und die Qualität stimmt. Weiters muss es mehr Mut zum Risko geben. Viele glauben, dass, wenn man nichts macht, alles so bleibt wie es ist. Das stimmt natürlich nicht.

Welchen Beitrag muss die Politik leisten?

Man müsste einen schnellen Erfolg zeigen, der auch bei den KMU ankommt. Wir haben eine tolle Schicht an KMU. Wenn man dort schnell einen Erfolg zeigen könnte, wie etwa eine Plattform zur Digitalisierung, dann könnte man punkten. 


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