Gerald Danko leitet bei den ÖBB-Technischen Services den Bereich Systemtechnologie. Für seine Digitalisierungsprojekte wurde er beim diesjährigen Confare CIO Award mit der Auszeichnung "Top CIO" des Jahres 2018 bedacht. [...]
Tagtäglich befördern die Österreichischen Bundesbahnen rund 1,3 Mio. Menschen und rund 300.000 Tonnen Güter auf einem 4.826 km langen Schienennetz. Alle 12 Sekunden startet ein Zug der ÖBB, zu Spitzenzeiten sind bis zu 570 Züge gleichzeitig im Netz unterwegs. Streckenweise werden mit den Zügen Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 230 km/h erreicht. Um die Instandhaltung dieser Fahrzeuge kümmern sich die Mitarbeiter der Technischen Services. Dabei ist Sicherheit das oberste Gebot. Das Unternehmen beschäftigt in Österreich an 22 Standorten 3.700 Mitarbeiter und bearbeitet rund 210.000 Kundenaufträge pro Jahr. Es werden etwa 35.000 Schienenfahrzeuge und 8.500 verschiedene Komponenten betreut.
Die Technischen Services (TS) haben neben den ÖBB aber auch noch zahlreiche Kunden aus dem In- und Ausland. Zu den hauptsächlichen Tätigkeitsgebieten gehören die Instandhaltung und Wartung von Schienenfahrzeugen und den dazugehörigen Komponenten, aber auch Modernisierung und Redesign und die Entwicklung intelligenter, maßgeschneiderter Service- und Wartungskonzepte. Auch der neue Cityjet wird von den Technischen Services in den eigenen Werkstätten endgefertigt – Siemens liefert als Hersteller Wagenkästen und Einzelteile, die TS-Profis bauen die Züge dann zusammen. „Das hilft uns bei der späteren Wartung, weil wir die Garnituren schon in- und auswendig kennen“, erklärt Gerald Danko, der seit zweieinhalb Jahren als Leiter Systemtechnologie bei den Technischen Services der ÖBB fungiert, und ergänzt: „Wir kümmern uns um die komplette Instandhaltung der ÖBB-Flotten und betreuen darüber hinaus zahlreiche externe Kunden in ganz Europa. Die Zeichen stehen auf Wachstum, was in der Branche nicht selbstverständlich ist.“
Seine Ausbildung und beruflicher Werdegang sind wie maßgeschneidert für den Job: „Ich komme ursprünglich aus dem Maschinenbau und habe mich dann im zweiten Bildungsweg Richtung IT entwickelt.“ Seine ersten Arbeitsplätze waren fern der Heimat in Indien oder China, wo er für den Aufzugsteile-Lieferanten Wittur mehrere Standorte aufgebaut hat. Wittur liefert unter anderem Komponenten für namhafte Hersteller wie KONE, Otis oder Schindler. Nach kurzer Zeit hat Danko dort dann die Komplettverantwortung für die IT übernommen und neben einem neuen ERP-System auch die Organisation weltweit konsolidiert und durch eine Kompetenzbündelung die IT-Servicequalität maßgeblich gesteigert.
„Vor rund zweieinhalb Jahren hat sich dann die Chance aufgetan, bei den Technischen Services einzusteigen. Ich bin hier nun mit Themen wie Industrial Engineering oder LEAN Production beschäftigt. Frei nach dem Motto „Mensch-Maschine-Methode“ optimieren wir die gesamten Instandhaltungsprozesse. Da wird von uns der Kauf einer optimierten Hebeanlage genauso vorangetrieben wie die Nutzung von Tablets zu digitalisiertem Rückmelden von Checklisten. Eben alles was uns hilft, effizienter und smarter zu arbeiten“, erklärt der frischgebackene Top CIO.
Große Herausforderungen
Im IT-Sektor gibt es aktuell zwei große Herausforderungen: „Wir legen derzeit die Basis dafür, dass der Auftragsabwicklungsprozess in den Werkstätten vollkommen digitalisiert und Papier weitgehend abgeschafft wird.“ Zur Instandhaltung der Softwarekomponenten der Schienenfahrzeuge wurden 500 ruggedized Service-Laptops beschafft. „Es war nicht so einfach, dass alle Schnittstellen übereinstimmen. Und auch die Sicherstellung der WLAN-Abdeckung in den riesigen, großteils aus Stahlbeton bestehenden Hallen war eine große Herausforderung“, weiß Danko zu berichten. Heute hat jeder Servicemitarbeiter so ein Gerät dabei. Das macht es auch möglich, Züge vor Ort zu warten, ohne, dass der Zug in die Werkstatt fahren muss.
Vom Zug ins Rechenzentrum
Das zweite große Thema hat ebenfalls mit Digitalisierung zu tun und betrifft das für die Instandhaltung zukunftsweisende Thema Predictive Maintenance. „Nicht selten ist bei Fahrzeugen, die bei uns eintreffen, deutlich mehr zu reparieren als geplant. Da hilft uns die IT und die verbaute Sensorik auf den Fahrzeugen massiv, wenn es darum geht, Prognosen abzuleiten“, so Danko. In einer Railjet-Garnitur, die aus sieben Waggons plus einer Lokomotive besteht, gibt es heute etwa 1.500 Sensoren, welche Daten unterschiedlichster Kategorien übermitteln. Beginnend von sicherheitsrelevanten Daten wie Bremsdrücken, bis zu qualitätsrelevanten Daten wie etwa jene der Monitore des Fahrgastinformationssystems. Zudem gibt es auch weniger sensible Daten, die nur im Stillstand weitergegeben werden müssen.
Ein einzelner Railjet liefert eine Vielzahl an Daten, die zu Beginn auch zu wenig strukturiert dargestellt waren. Hier kommt Predictive Maintenance ins Spiel. Die Datenübertragung ist nun ganz anders. Es wird von den Systemen viel mehr automatisiert, auch Prognosen betreffend, wenn Komponenten ausgetauscht werden sollten. „Ausgehend von den Herstellerangaben verknüpfen wir diese Informationen mit unseren umfangreichen Auswertungen und fundierten Betriebserfahrungen um damit die Einsatzdauer der jeweiligen Anlagen zu maximieren. Langfristig sollen so viele Prozesse wie möglich automatisiert werden“, erklärt Danko. „Man sagt in der Industrie, wenn etwas automatisiert wird, geht es um den Faktor Zehn genauer. In unserem Fall bedeutet das, die Sicherheit um den Faktor Zehn zu erhöhen.“
Im Zug selbst gibt es eine Sammelstelle, quasi einen Server, der die Daten vorselektiert und entscheidet, welche Daten sofort übertragen werden müssen. Die Daten werden dann in das hauseigene ÖBB-Rechenzentrum übertragen. Dort werden sie in ein Big-Data-System geworfen – mit der Herausforderung, diese Fülle an Daten zu modellieren und daraus entsprechendes Wissen zu generieren. Im Rechenzentrum arbeitet eine Gruppe von Mitarbeitern, die sich um die Predictions kümmert, die aus den Daten abgeleitet werden. Sie erkennen also Muster, die sie an die TS-Techniker weitergeben. „Wir entscheiden, ob es sich um ein Muster handelt, das häufig auftritt und automatisiert werden kann, oder ob es etwas völlig Neues ist, das wir vor Ort genau analysieren müssen“, erklärt Danko. Ein weiterer Vorteil der Digitalisierungsprojekte: Die Mitarbeiter in den Werkstätten wissen genau, wann welcher Zug ankommen wird und welche Dinge kaputt sind. So können sie sich optimal auf die Arbeiten vorbereiten. Einige der Verbesserungen, die damit möglich gemacht werden, sind auch für die Fahrgäste spürbar. „Zugausfälle sind für Reisende sehr unangenehm. Deshalb gilt es, mögliche Schwachstellen schon im Vorfeld festzustellen, um etwaige Schäden, die zu Zugausfällen führen könnten, gar nicht erst auftreten zu lassen.“
Digitale Geschäftsstrategie
Insgesamt besteht Dankos Team aus 105 Mitarbeitern, davon sind in etwa zwanzig mit IoT-Themen und IT im Allgemeinen beschäftigt. Die übrigen Mitarbeiter arbeiten in den Werkstätten und oder kümmern sich um die Standortoptimierung. Danko selbst berichtet direkt an den Geschäftsführer der ÖBB Technischen Services GmbH und ist Mitglied im vom Konzern-CIO der ÖBB gesteuerten IT-Leiter-Board, wo konzernübergreifende Strategien ausgearbeitet werden, wie etwa aktuell das Thema Predictive Maintenance. Das ist nicht nur für die Wartung der Züge und somit die Technischen Services relevant, sondern auch für den gesamten ÖBB-Konzern. Hier trägt Danko mit seinen Digitalisierungsprojekten einen guten Teil zur digitalen Geschäftsstrategie der ÖBB „connected mobility“ bei. Im Speziellen betrifft dies die Themenschwerpunkte „connected assets“ und „connected operations“.
In einem Railjet sind zigtausende Teile verbaut, die alle penibel genau in einer Stückliste aufgelistet werden und eine eigene Nummer haben. „Auch da wollen wir im Zuge der Digitalisierung die Papierberge reduzieren. Das gleiche machen wir auch bei Check- und Prüflisten. Die Techniker verbinden sich dann mit dem Zug und bekommen schnell und benutzerfreundlich angezeigt, was getan werden muss“, so Danko über das laufende Großprojekt. Auf seine laufenden und bereits abgeschlossenen Digitalisierungsprojekte kann Danko durchaus stolz sein: „Hier sind wir sicher auch einer der Vorreiter in Europa. Wir tauschen uns regelmäßig mit anderen Ländern aus.“
Abertausende Bauteile
Danko und sein Team haben auch die Kennzeichnung sämtlicher sicherheitsrelevanten Bauteile der ÖBB-Fahrzeugflotten mit RFID-Chips angestoßen. Da sind Komponenten wie Laufwerke, Bremsen, Radsätze und ähnliches beinhaltet – insgesamt rund eine Million Bauteile. Durch die Chips kann man nun den kompletten Lebenszyklus der Komponenten abbilden. So kann aber auch zuverlässig verhindert werden, dass Teile etwa falsch eingebaut werden. Auch einem weiteren Trendthema von Industrie 4.0 hat sich Danko gewidmet: „Wir setzen inzwischen verstärkt auf additive Fertigung, also 3D-Druck, speziell beim Thema Ersatzteile. Denn besonders bei alten Bauteilen ist es mitunter sehr schwierig bis nicht mehr möglich, diese noch zu bekommen.“ TS hat dafür in Linz eine eigene Werkstatt aufgebaut, wo rund um die Uhr 3D-gedruckt wird.
E-Learning, 3D-Modelle und Zukunftsvisionen
Was die Zukunft betrifft, hat Danko weitere ehrgeizige Ziele. „Ein Zug soll sich automatisch anmelden können, automatisch die richtige Werkstatt finden und auch dem Personal vor Ort im Vorfeld exakt übermitteln, was bei der Instandhaltung genau zu tun ist. Das ist die Vision für die nächsten Jahre.“ Auch beim Thema Ausbildung ist Danko nicht untätig: „Wir setzen auf E-Learning oder Augmented Reality, etwa mit der Microsoft Hololense, wo wir 3D-Modelle hineinladen können. Das hilft uns enorm, weil wir damit standortübergreifend arbeiten können.“
Aufgrund dieser Beispiele und der damit verbunden Verbesserungen in den Bereichen Sicherheit, Effizienz und Kostensenkung dürfte es der Jury des CIO Award heuer nicht sonderlich schwer gefallen zu sein, Gerald Danko als Top CIO 2018 zu adeln.
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