Microsoft schwört seine Partner auf 2012 ein

Vor knapp 16.000 Konferenzteilnehmern, 11.000 davon Microsoft-Partner aus der ganzen Welt, bereitete die Führungsriege von Microsoft rund um CEO Steve Ballmer die Besucher auf das "wichtigste Jahr für Microsoft und seine Partner" vor. [...]

Die Stimmung während den Keynotes am ersten Tag der Microsoft Partnerkonferenz in Toronto kann als angespannt und vorsichtig optimistisch bezeichnet werden. Obwohl Microsofts CEO Steve Ballmer im Rahmen seiner gewohnt leidenschaftlichen Ansprache keinen Zweifel aufkommen ließ, dass 2012 das mit Abstand wichtigste Jahr für Microsoft und seine Partner sei, wollte unter den knapp 16.000 Besuchern im prall gefüllten Eishockey-Stadion von Toronto nur langsam Party-Stimmung aufkommen. Da Microsofts Fiskaljahr nicht mit dem Kalender konform geht, fängt das Geschäftsjahr 2012 also gerade erst an.
Während der weltweite Partnerchef Jon Roskill durch die Veranstaltung führte, wurde anhand der ausgewählten Keynote-Speaker schnell klar, dass Microsoft es ernst meint. Neben Ballmer waren etwa auch Windows-Chefin Tami Reller und COO Kevin Turner auf der Bühne zu sehen. Basierend darauf, welche Flaggschiffe des Microsoft-Portfolios 2012 neu oder erneuert auf den Markt kommen, erklären sich Ballmers markige Worte. Neben Windows 8 werden heuer auch der Windows Server 2012, Office 365, Office 15, Dynamics, Skype, Lynq und SQL gelauncht. Nebenbei müssen auch jüngste Akquisen wie die des Business-Social-Media-Anbieters Yammer, der um 1,2 Milliarden Dollar übernommen wurde oder des Display-Herstellers Perceptive Pixel, bekannt durch seine gigantischen Multitouch-Panels, in das Portfolio integriert werden. 
Besonders die Übernahme von Yammer hat hohe Wellen geschlagen, dokumentiert sie doch Microsofts Vorstoß im B2B-Social-Media-Bereich. Unternehmen müssen für ihre Kommunikation und Collaboration dank Yammer nicht die »offenen« sozialen Netzwerke wie Facebook oder Twitter nutzen, sondern können dies in einem eigenen, abgesicherten Bereich auf der Yammer-Plattform tun. 200.000 Unternehmen nutzen laut Yammer-Angaben diese Möglichkeit bereits. Zusammen mit der Integration von Skype in große Touchscreens will Microsoft Videokonferenzen revolutionieren. Darüberhinaus soll Software und Hardware künftig aus einer Hand kommen: Aus der von Microsoft. Die Strategie ist nicht neu, beschert sie doch Apple mit dem iPhone und dem iPad seit Jahren Erfolg.
Weltweit sind gegenwärtig etwa 1,3 Milliarden Windows-Systeme im Einsatz, allein das jüngste Betriebsysystem Windows 7 wurde Microsoft zufolge 630 Millionen mal verkauft. Auch der Ausblick ist mehr als rosig. Gartner zufolge sollen in den nächsten zwölf Monaten weitere 375 Millionen neue Windows-PC verlauft werden. Ohne die derzeit boomenden Tablet-PC, die den klassischen Formfaktoren das Wasser abgraben, wäre diese Zahl noch höher ausgefallen. 
Die wohl wichtigste Ankündigung für die angereisten Partner war mit Sicherheit der Release-Termin von Windows 8, der mit Oktober bestätigt wurde. Die Partner können schon ab August, also die klassischen acht Wochen vor dem Launchtermin, auf das neue Betriebssystem zugreifen. Eine große Neuigkeit war das nicht, der Termin wurde jedoch quasi offiziell bestätigt. Auch das besonders im Business-Umfeld immer noch sehr beliebte Windows XP hat ein endgültiges Ablaufdatum bekommen. Ballmer beschwor die Partner, einen raschen Wechsel auf Windows 8 zu vollziehen und gab das Ende aller Service- und Security-Upgrades mit April 2014 bekannt. Windows 8 soll auch das am meisten und intensivsten getestete Betriebssystem aller Zeiten sein, wie Ballmer betonte.

OEM-PARTNER ERLEICHTERT

Besonders die Hardwarepartner sind ob des bevorstehenden Weihnachtsgeschäfts schon auf Nadeln gesessen: »Für uns ist es ganz wichtig, dass wir jetzt einen verbindlichen Releasetermin für das neue Windows 8 haben«, betont etwa Toshiba-Österreich-Geschäftsführer Hannes Shipany im Gespräch mit der COMPUTERWELT im Rahmen der Partnerkonferenz. Da es laut Shipany schon Gerüchte über eine mögliche Verschiebung des Release-Termins gegeben hat, war die Ankündigung bei den OEM-Partnern sehnsüchtig erwartet worden. Ein neues Windows zum Weihnachtsgeschäft wird die Verkäufe ankurbeln. »Jeder weiß, dass es Windows 8 bald geben wird. Da bekommen wir die Windows-7-Geräte einfach nicht mehr los«, weiß der Toshiba-Manager. Das gelte unabhängig von der Ankündigung Ballmers, mit nur 14,99 Dollar von Windows 7 auf Windows 8 upgraden zu können. »Das wird kaum wahrgenommen«, weiß Shipany aus Erfahrung. 
Microsofts Ankündigung mit dem Surface ein eigenes Tablet auf den Markt zu bringen, lässt Shipany kalt: »Ich sehe da keine große Konkurrenz für die etablierten OEM. Das Gerät wird ja nur über den Onlineshop oder stationäre Microsoft-Shops vertrieben. Microsoft braucht OEM und wir brauchen Microsoft, daran wird sich so schnell auch nichts ändern.« Weitere Hardware von Microsoft in diesem Segment hält er jedoch für durchaus möglich. »Wenn es funktioniert, werden sie weitere Geräte bauen. Die Margen sind aber viel kleiner und die Supply Chain sehr kompliziert.« Überhaupt war im Rahmen der Partnerkonferenz wenig von Microsofts neuem Tablet zu hören. Die in der New York Times durchgesickerten Informationen eines Ex-Mitarbeiters, Microsoft wäre seinerzeit mit HP als Hardwarepartner beim Slate-Projekt sehr unzufrieden gewesen und würde deshalb einen Alleingang planen, dürften wohl auch dazu beigetragen haben. 

NEUES MODELL FÜR OFFICE 365

Ballmer kündigte zudem eine Änderung des klassischen Partner-Geschäftsmodells für Office 365 an. Während der Hersteller im bestehenden Vertriebsmodell dem Endkunden die Rechnungen gestellt hat, ist nun eine Prepaid-Variante möglich. Das heißt, dass der Fachhändler Office-365-Lizenzen künftig bei Microsoft bestellt und dann selbst gegenüber seinen Kunden in Rechnung stellt. Das bringt Vorteile: Der Reseller kann nun eigene Preispolitiken in Bezug auf Office 365 fahren, etwa was angekoppelte Services angeht, Kunden durch die direkte Rechnungsstellung enger an sich binden und sich gegenüber dem Wettbewerber besser differenzieren. Für Experton-Analyst Axel Oppermann absolut notwendig: »Das ist eine wichtige Maßnahme, die helfen wird, die bisherige doch etwas zähe Adaption von Office 365 im Channel zu beschleunigen. Die Partner haben das allerdings von Anfang an gefordert.« Laut Kurt DelBene, Präsident der Microsoft Office Division, nutzen weltweit bereits rund eine Milliarde Menschen Microsoft Office. Im Übrigen soll die Marge des ersten Jahres von 18 auf 23 Prozent steigen. 
Viele praxisnahe Beispiele für die neuen Verkaufsmöglichkeiten von Windows 8 für die Partner waren in Toronto nicht zu sehen. Begeisterung löste jedoch die Demo  von Windows-Chefin Tami Reller aus, die dem Publikum vorführte, wie sich Windows 8 per USB-Stick auf Windows 7 Rechnern starten lässt (Windows-to-go), oder wie groß der Cloud-Fokus des neuen Betriebssystems ist. Ähnlich verhielt es sich mit den Smartphone-Demos. Die gezeigten Anwendungen in Verbindung mit den Life-Tiles der Metro-Oberfläche liefen sauber und reibungslos. 
Interessant war auch die Ankündigung, dass neben dem bisherigen Exklusivpartner Nokia ab sofort auch weitere Hersteller wie HTC, Samsung oder LG Geräte für Windows Phone 8 bauen werden. Besonders Samsung dominiert die Smartphone-Verkaufscharts mit seiner Galaxy-Serie derzeit nach Belieben. Microsoft will hier vor allem mit einer einheitlichen Plattform für alle Geräte und Formfaktoren punkten. Inhalte sollen bequem über die Cloud transportiert werden. » Es wird nicht mehr darum gehen, dass man alle Daten immer auf allen Geräten aktualisiert, sondern dass die Daten immer automatisch dort sind, wo der User sie benötigt,« brachte es Vice President Wolfgang Ebermann auf den Punkt.

MICROSOFT WIRBT FÜR DIE CLOUD

Gerade die Cloud dürfte für Microsoft in den kommenden Monaten besonders wichtig werden. Immer wieder versuchten die Keynote Speaker und allen voran Steve Ballmer, die anwesenden Partner für die Cloud-Lösungen der Redmonder zu gewinnen. Gegenwärtig macht Microsoft pro Monat zehn Prozent mehr Umsatz in der Cloud. Tendenz steigend. Doch noch sind längst nicht alle der weltweit 640.000 Partner cloud-ready. Noch resultiert nur ein geringer Anteil der 690 Milliarden Dollar,  die diese Microsoft-Partner pro Jahr umsetzen, aus Cloud-Produkten.
Von den über 500 heimischen Gold-Partnern von Microsoft waren immerhin 130 in Toronto. Im Gespräch mit der COMPUTERWELT zeigten sich alle Partner in Toronto von der Wichtigkeit der Konferenz überzeugt. »Es geht mir weniger um die Ankündigungen und Keynotes als die unverzichtbaren Networking-Möglichkeiten, die sich aus einer solchen Veranstaltung ergeben«, erklärte etwa Marmind-Geschäftsführer Peter Ramsenthaler. Im Rahmen der Partnerkonferenz wurden auch die nationalen Microsoft-Partner des Jahres ausgezeichnet. In Österreich ging der Preis an den Learning-Spezialisten Enterprise Training Center (ETC) rund um Geschäftsführer Michael Swoboda (siehe Interviewkasten). Eine weitere für die Partner relevante Ankündigung betraf den Windows Server 2012, der in der ersten Augustwoche 2012 in den Produktions­status geht. Im Handel wird das neue Betriebssystem dann im September verfügbar sein und bringt zahlreiche Neuerungen in Sachen Netzwerk, Internetanbindung und Cloud-Fähigkeiten. Der neue Windows Server ist wesentlich effizienter und leichter zu verwalten, was besonders Admins freuen dürfte. 

AZURE FÜR WINDOWS SERVER

Microsoft macht auch einige seiner neu angekündigten Azure-Dienste für den Windows Server verfügbar. Dazu gehört etwa das Hosting von virtuellen Maschinen und Webseiten. Die neuen Dienste sollen vor allem Service Provider und Hosting-Partner neugierig werden lassen, könnten aber später auf weitere Kundenkreise zielen. In einer gemeinsamen Kampagne mit dem Slogan »Switch to Hyper-V« will Microsoft mit Windows Azure und Server 2012 Kunden von Vmware gewinnen. Satya Nadella, verantwortlicher Vice President für Server und Tools, strich in seiner Rede die Marktchancen hervor. Laut Nadella würden 73 Prozent der Unternehmen weltweit in der einen oder anderen Weise eine Verlagerung in die Cloud planen. 
Noch im Juni hat Microsoft angekündigt, Azure über eine Cloud-Plattform hinaus zu entwickeln. Das würde eine Abkehr von »Platform as a Service« (PAAS) zu »Infrastructure as a Service« (IAASD) bedeuten. Microsoft bietet mit dem erneuerten Windows Azure auch virtuelle Maschinen an, die für das Hosting von Windows Server, Linux, SQL und Sharepoint geeignet sein sollen. Bislang ist die Vorabversion des Windows Server 2012 laut Angaben von Microsoft 500.000 Mal heruntergeladen worden. (aw)

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