Die Entwicklung zu einem der größten Hardwarehersteller macht Partner zu Konkurrenten. [...]
Gemunkelt wurde darüber immer wieder, nun ist es passiert: Microsoft hat die Handysparte seines Partners Nokia geschluckt. Laut New York Times hat Microsoft-Chef Steve Ballmer schon seit einer ganzen Weile versucht, das Handygeschäft der Finnen zu kaufen und traf sich deswegen immer wieder mit den Managern des Unternehmens. Erst als Microsoft zugestimmt hat, dass Nokia seinen Geodienst Here behalten dürfe, kamen die Verhandlungen so richtig ins Rollen. Da die Finnen theoretisch mit Ende 2014 die Möglichkeit gehabt hätten, die Partnerschaft zu beenden und sich beispielsweise Android anzunähern, könnte sich Microsoft etwas unter Zeitdruck gefühlt haben. Anfang September wurde der Deal letztendlich verkündet.
Die Kosten der Übernahme liegen bei insgesamt 5,44 Milliarden Euro. Davon gehen allein 3,79 Milliarden an das Geschäft mit Geräten und Services sowie weitere 1,65 Milliarden an Patentlizenzen. Die Übernahme soll Anfang 2014 erfolgen. Damit geht auch eine Erfolgsgeschichte zu Ende. In der weltweiten Produktion von Handys ist Nokia auf Platz zwei. Das Unternehmen war dank klassischer Handys vierzehn Jahre lang unangefochten an der Spitze, erst im Jahr 2012 verkaufte Samsung erstmals mehr Geräte. Der Platzhirsch hatte es versäumt, sich auf eine Entwicklung zu konzentrieren, die den Markt komplett umgekrempelt hat: Smartphones. Auf der Rangliste der meistverkauften Smartphones befindet sich das Unternehmen aus Finnland nicht einmal unter den ersten fünf.
RADIKALE WENDE
Die Partnerschaft mit Microsoft, mit der beide Unternehmen den Smartphonemarkt aufrollen wollten, führte nicht zum erhofften Erfolg. Die Geräte mit Windows-Betriebssystem verkauften sich nicht. Im Vergleich zu den Überfliegern von Android und Apple bewegen sich die Verkaufszahlen im einstelligen Prozentbereich. Und die lukrativen Zusatzgeschäfte mit Büchern, Videos oder Musik wie auf Google Play oder im Apple App Store waren in der Windows-Welt bisher eher marginal. Für das Geschäftsmodell von Microsoft bedeutet der Deal nun eine radikale Wende: Der Software-Konzern wurde groß damit, seine Software an PC-Hersteller zu verkaufen. Nun wird der Konzern auf einen Schlag zum zweitgrößten Handy-Anbieter der Welt.
„Die Frage bleibt, was das Unternehmen mit seiner Windows Phone-Plattform vorhat. Um Marktanteile zu gewinnen, müssen Samsung und HTC an Bord bleiben, und eventuelle Bedenken aufgrund der Akquisition müssen aus dem Weg geräumt werden. Microsoft kann Nokia dafür einsetzen, eine echte Innovation auf der Plattform voranzutreiben, so wie es Google mit Motorola macht. Um jedoch erfolgreich zu sein, muss es seine guten Beziehungen mit seinen Partner weiterhin aufrecht erhalten“, sagt Adrian Drozd, ICT Research Director bei Frost & Sullivan.
Auch was den Chefsessel von Microsoft betrifft könnte der Deal Folgen haben: Der Microsoft-Manager Stephen Elop wurde schon 2011 von einigen als „trojanisches Pferd“ aus Redmond gesehen, als er den Chefposten von Nokia übernahm. Diese Verschwörungstheoretiker können sich jetzt bestätigt fühlen. Elop gilt nun auch als wahrscheinlicher Nachfolger von Ballmer. Dieser hat betont, der nächste Chef müsse den Wandel zu einem Anbieter von Geräten und Diensten vorantreiben. Genau das soll Elops neuer Bereich im Unternehmen werden. Interessant ist auch, wie es mit dem Ex-Handyhersteller weitergehen wird. Der Konzern will seine Netzwerksparte NSN und den Kartendienst Here forcieren. Der Konzern hat aber in seiner 150-jährigen Firmengeschichte öfter bewiesen, dass er wandlungsfähig ist. (cb)
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