Mietsoftware als Zukunftsmodell

Adobes Strategie, die Creatve Suite nur im Abo-Modell zu vertreiben, könnte einen Wandel in der Branche einläuten. Auch andere Softwareunternehmen und Branchenexperten sehen darin die Zukunft. Für den Handel mit gebrauchter Software bedeutet das wohl nichts Gutes. [...]

Adobe hat im Rahmen der jährlichen Hausmesse MAX in Los Angeles angekündigt, dass es in Zukunft die Komponenten der Creative Suite nur noch zum Mieten, nicht zum Kaufen anbieten will. Der Zwangsumstieg dürfte vor allem Kleinunternehmen und Freiberufler teuer zu stehen kommen: Ein Abo kostet den Endkunden im Schnitt nach zwei Jahren mehr als die bisherigen Dauer-Lizenzen: Eine Dauer-Lizenz der CS6-Version für Design und Web-Entwicklung kostet einen Anwender aus dem Bildungsbereich knapp 600 Euro. Künftig sollen diese Anwender im ersten Jahr 20 Euro pro Monat zahlen; ab dem 13. Monat wird der Betrag dann auf 43 Euro pro Person angehoben. Damit ist bereits nach 20,5 Monaten der bisherige Lizenzpreis überschritten. Für eine normale Vollversion für das Lizenz-Paket Design Standard erreichen die monatlichen Abo-Kosten die bisherigen Lizenzkosten in zirka zwei Jahren.

Einschlägige Foren für Fotografen und andere Kreative waren nach der Ankündigung von Adobe voll mit Protesten und breiter Ablehnung. Binnen kurzer Zeit wurden zigtausende Unterschriften gegen die neue Vertriebsstrategie gesammelt. Die Hoffnung, Adobe würde dadurch die Meinung ändern und zumindest parallel zum Mietmodell auch ganze Lizenzen verkaufen, dürfte sich allerdings nicht erfüllen. Der Zeitpunkt des Umstiegs dürfte nicht von ungefähr kommen, hat Adobe doch in den letzten Monaten immer wieder empfindliche Niederlagen gegen den Gebrauchtsoftwarehändler Usedsoft vor Gericht einstecken müssen. Gerade die extrem hochpreisige Creative Suite, das Flaggschiff aus dem Hause Adobe, eignet sich ideal für den Weiterverkauf.

ADOBE ORTET GROSSES INTERESSE
Hinzu kommt, dass der Gewinn des Konzerns aufgrund steigender Kosten zuletzt deutlich eingebrochen ist. Mit dem Abo-Modell soll die Trendumkehr gelingen: Laut Unternehmensangaben wurden bislang mehr als zwei Millionen Nutzerkonten registriert. Mehr als 500.000 Nutzer hätten zudem bereits ein Abo-Modell abgeschlossen. Adobe sieht darin einen klaren Beweis für das große Interesse am neuen Vertriebsmodell und rechnet daher auch mit steigenden Umsätzen und Gewinnen. Die Zahl soll bis Ende 2013 auf 1,25 beziehungsweise bis Ende 2015 auf vier Millionen ansteigen.
Der heimische Gebrauchtsoftwarehändler Stefan Tauchhammer kann der neuen Adobe-Strategie freilich wenig abgewinnen: „Kunden haben dann nichts mehr in der Hand und befinden sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Anbietern“, kritisiert der Software-Reuse-Gründer. Außerdem würden nur die allerwenigsten Unternehmen immer die aktuellste Version einer Software benötigen, „für alle anderen ist gebrauchte Software eine günstige und sinnvolle Alternative“, so Tauchhammer.

Sollten viele namhaften Hersteller dem Beispiel von Adobe folgen, würde das nichts Gutes für den Handel mit gebrauchter Software bedeuten. Wenngleich es zumindest anfangs durchaus einen Run auf gebrauchte Lizenzen geben dürfte, sofern die Käufer sich nicht, oder noch nicht, zu einem Mietmodell der Hersteller überreden lassen wollen. Bei potenziellen Käufern gibt es aber trotz des EuGH-Urteils, das den Handel mit gebrauchter Software und vor allem das Aufsplitten von Volumenslizenzen explizit als zulässig beurteilt hat, immer noch Zurückhaltung.  

HYBRIDMODELL BEI MICROSOFT
Microsoft wird seine Software auch weiterhin in Form von Paketen anbieten, die einmal bezahlt und dann dauerhaft genutzt werden können. Allerdings räumte der Konzern ein, dass Abo-Angebote immer wichtiger werden. Schon mit Office 2013 hat Microsoft den ersten Schritt in diese Richtung getan. User können ein Abo abschließen, das es erlaubt, die Software auf mehreren Rechnern zu installieren. Im Paket enthalten ist auch zusätzlicher Speicherplatz für Microsofts Cloud-Dienst SkyDrive.

Die Vorteile eines solchen Miet-Modells liegen laut Microsoft vor allem in der schnellen Aktualisierung. Abo-Kunden verfügen immer über die aktuellste Ausgabe ihrer Programme. Auch Cloud-Angebote wie Office 365 lassen sich dem Unternehmen zufolge bei Abo-Modellen besser einbinden. Branchenbeobachter hatten spekuliert, dass auch Microsoft den von Adobe eingeschlagenen Weg folgen und in absehbarer Zeit Software nur noch im Mietmodell anbieten würde. Das haben Vertreter des Konzern dieser Tage aber vehement dementiert. Man halte weiterhin am traditionellen Vertriebsweg fest, gestehe aber ein, dass das Mieten von Software die herkömmlichen Kauf-Modelle wohl innerhalb der nächsten zehn Jahre komplett ablösen werde, wurde aus Redmond vermeldet.

COREL WITTERT MORGENLUFT
Der breite Widerstand gegen die Pläne von Adobe von seiten der kreativen Netz-Community haben einen langjährigen Konkurrenten auf den Plan gerufen. Corel musste jahrelang mitansehen, wie Adobe das größte Stück des Kuchens für Kreativsoftware eingestreift hat und wittert jetzt Morgenluft: mit aufwendigen Marketingkampagnen und verschiedensten Umfragen unter potenziellen Kunden buhlt das ­Unternehmen um unzufriedene und vor allem wechselwillige Adobe-Kunden. Bei einer Umfrage unter 1.000 Anwendern in Deutschland soll sich Corel zufolge gerade einmal ein Prozent für ein Mietmodell mit monatlichen oder jährlichen Raten ausgesprochen haben. 87 Prozent hätten sogar angegeben, sich nur sehr ungern zu einer fortlaufenden Zahlung zu verpflichten. Eines der Hauptergebnisse ist somit der breite Wunsch, Software physisch zu besitzen. „Im Vergleich zu anderen Herstellern wollen wir unseren Kunden nicht vorschreiben, wie sie ihre Software kaufen sollen. Deshalb wird unsere Strategie weiterhin sein, unseren Kunden beim Software-Kauf die volle Auswahl zu lassen – Box, Download oder Cloud“, erklärt Corel-Geschäftsführerin Elke Steiner. Welches Modell sich in Zukunft durchsetzen wird, dürfte wohl der Kunde entscheiden. Die Konkurrenz wird Adobes Absatzzahlen in nächster Zeit aber sicher ganz genau beobachten. (aw)
ASK THE EXPERTS
Wir haben zu diesem Thema unsere Computerwelt-Experten befragt.
„Ich halte das Abo-Geschäftsmodell für tragfähig, vor allem, wenn es um kleine Lizenzen für viele Anwender geht. Es wird wohl neben den bestehenden Lizenzmodellen seinen Platz finden, wenn es gut vermarktet wird. Was im Falle von Adobe zu erwarten ist. Für die Gebrauchtsoftware-Szene wird dieses Modell erhöhte rechtliche Schwierigkeiten bringen, weil der Warencharakter der Software noch weiter verwässert wird (Bestandsvertrags-Problematik).
Peter Kotauczek, Präsident des VÖSI
„Wir befinden uns im Wandel, von einer ­Besitzer- zu einer Nutzergesellschaft. Autos werden in Car-Sharing-Modellen genutzt, Wohnungen werden, während man selbst urlaubt, an andere vermietet, diverse Plattformen im Internet schaffen einen perfekten Markt für die kurzzeitige Anmietung von Ressourcen. Warum also nicht bei Software? Es wird zu einer Koexistenz der Modelle kommen, Mietsoftware ist interessant für jene, die sie nur für begrenzte Zeit nutzen.“
Leopold Obermeier, EVP Eurocloud Austria
„Die neuen Abo-Modelle der Hersteller bieten neben der reinen Software eben vor allem auch erweiterte attraktive Services wie zum Beispiel Cloud Speicher oder das Speichern zentraler Einstellungen und damit neue Möglichkeiten. Im Business-Umfeld polarisiert das Thema Public Cloud jedoch immer noch sehr stark, auch wenn es unumstritten die Zukunft bringen wird. Dies bedeutet langfristig nichts Gutes für den Handel mit gebrauchter Software.“
Nahed Hatahet, GF Hatahet
„Jede Kaufentscheidung im IT-Bereich muss ihre technologische Investition maximieren und die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit des Systems verbessern. Software-Abonnements entsprechen dem aktuellen Trend des Softwarebezugs über Cloud Computing und den gestiegenen Ansprüchen hinsichtlich Mobilität und einfacher Wartbarkeit von Softwarelösungen im Unternehmensbereich.“
Thomas Lutz, VÖSI-Vorstand
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