Die Eingliederung von Anecon in die internationale Nagarro-Gruppe führt zwei Unternehmen zusammen, die einander perfekt ergänzen. Im Interview erklären Damianos Soumelidis und Hannes Färberböck die Vorteile und die Gründe für die Übernahme. [...]
Anecon ist lokal sehr gut verankert und als Vorteil gilt hier üblicherweise, dass die Betreuungsqualität vor Ort besser ist. Warum suchte man also einen Partner?
Hannes Färberböck: Wir haben diesen Schritt jetzt zum 20. Geburtstag umgesetzt. Das war zwar zeitlich ein Zufall, aber der Treiber war für uns das Thema Nachfolge. Wir haben drei natürliche Personen als Eigentümer und sind damit kein klassisches Familienunternehmen, das der nächsten Generation vererbt wird. Wir wissen, dass viele Unternehmen am Ende des Lebenszyklus scheitern. Wir wollten das Thema rechtzeitig angehen und haben vor ca. zwei Jahren beschlossen, uns einen möglichst optimalen Partner zu suchen. Zudem galt es, das Unternehmen eigentümerunabhängig und zukunftssicher aufzustellen. Und wir wollten das Unternehmen gemeinsam mit dem Partner in die Zukunft führen. Das ging dann schneller als erwartet.
Ja, wir sind ein starker lokaler Player: Wir haben mit unseren 150 Leuten hervorragende Projekte gemacht, wir waren und sind top im Software Engineering, sind innovativ und haben sogar neue Dinge erfunden. Aber es gab Grenzen bei der Skalierbarkeit. Wir haben letztes Jahr zwölf neue Mitarbeiter gefunden, das ist sensationell, denn der Bedarf ist riesig, den kann man rein lokal nicht abdecken. Das zweite Thema ist die Digitalisierung: Hier kommen neue Themen in hoher Zahl und rasanter Geschwindigkeit. Das sind Themen wie IoT, Machine Learning, Big-Data-Analysen. Um das zu bewältigen, braucht man einen Partner. Dazu kommt, dass sich unsere Kunden in den letzten zehn Jahren sehr international aufgestellt haben.
Wie gehen die Kunden damit um, dass es jetzt nur noch Nagarro gibt?
Färberböck: Das ist schon ein emotionaler Punkt, auch für uns Eigentümer und für die Mitarbeiter – obgleich ich von diesem Schritt überzeugt bin und er nachvollziehbar ist und von den Kunden gut aufgenommen wurde. Damianos Soumelidis: Intellekt ist das Eine, der Bauch das Andere. Die Nagarro ist ja ein globaler Player per se und unterscheidet sich von den üblichen Shoring-Anbietern deutlich. Schon in der Gründung wurde klar festgelegt, dass es eine sehr starke lokale Komponente gibt und die Kundenbetreuung und -beratung, sowie die Delivery aus den Shoring-Centern passiert. Hybrides Shoring funktioniert indem man hybrid ist – nämlich lokal und Offshore. Die lokale Komponente funktioniert noch für ein kleines Unternehmen mit 60 Leuten vernünftig, doch wenn man wachsen will, gibt es Grenzen, weil man nur sehr schwer Mitarbeiter findet. Das war der Schritt hier anorganisch zu wachsen: wir hatten auf einer Shortlist von 5 Anecon ganz oben und es hat gut funktioniert.
Apropos „Fachkräftemangel“: Bei der Übernahme ging es also nicht nur um die lokale Komponente und Kompetenz, sondern auch darum, sich Fachkräfte zu kaufen?
Soumelidis: Natürlich. Also die erste Überlegung um zu wachsen, ist, auch lokal Leute zu finden. Selbst wenn wir die Vertriebsstärke gesteigert hätten, hätte es nicht gereicht. In Europa fehlen rund 1 Million Fachkräfte.
Beim Zusammenschluss wurde betont, dass die Unternehmenskulturen beider Unternehmen perfekt zueinanderpassen. Was genau verstehen Sie unter Unternehmenskultur?
Soumelidis: Wir meinen damit, wie die Unternehmen per se ticken. Da gibt es extrem viele Überlappungen: Die Anecon ist ein Unternehmen, das extrem amikal und unkompliziert funktioniert. Das Management ist zum Angreifen, es gibt extrem kurze Wege, die Mitarbeiter werden bei den Entscheidungen miteinbezogen – all diese Dinge sind bei Nagarro sehr ähnlich. Auch das sich-für-den-Kunden-einsetzen, sich mit dem Kunden, mit dem Unternehmen identifizieren ist bei Nagarro gleich.
Färberböck: Mitarbeiterorientierung, Mitarbeitern eine Heimat geben, das Amikale haben wir bei Nagarro nicht nur auf der Ebene mit den Geschäftsführern Österreichs erlebt, sondern auch mit den internationalen Kollegen. Man hat sich mit uns nicht nur bezüglich Finanzzahlen und Hard Facts auseinandergesetzt, sondern wirklich auch inhaltlich. Auch das Thema „Nutzen für den Kunden“ stand stark im Vordergrund – nicht einfach nur den Auftrag abarbeiten, sondern wirklich eine gute Lösung entwickeln.
Soumelidis: Vom ersten Augenblick an, wo wir einander getroffen haben, hat es sofort funktioniert.
Gibt es durch den Merger Projekte, die vorher so nicht hätten angegangen werden können?
Soumelidis: Die Anecon hat ihre Stärken im Softwareengineering, in der Softwareentwicklung, in Softwareengineering-Test, in der Qualitätssicherung und ist hier vielleicht der Player im deutschsprachigen Raum. Die Technologiekomponenten der Digitalisierung haben in diesem Spektrum gefehlt. Das bedeutet, dass entsprechende Projekte für die Anecon zwar nicht unmöglich, aber im großen Stil schwer machbar waren. Eine Nagarro hat wiederum die Technologiekompetenz, jedoch die Softwareengineering-Kompetenz, die eine größere Nähe zum Kunden benötigt, ist im Shoring-Umfeld. Zudem ist die konzeptionelle Findungsphase bei Weitem komplexer als herkömmliche IT-Projekte. Das ist nahe am Business, nahe an der deutschen Sprache, und dafür haben wir auch Kollegen einfliegen müssen, die in der Regel auf Englisch kommunizierten. Das heißt bei manchen Unternehmen haben wir uns als Nagarro schon recht schwer getan.
Färberböck: Man denke beispielsweise an Projekte im landwirtschaftlichen Bereich, für die ein lokaler Partner gesucht wird. Dann stellt sich heraus, dass es um Internet-of-Things auf den Feldern bezüglich Düngen und Bodenbeschaffenheit geht, um den Einsatz von Drohnen oder um Machine Learning. Das ist nicht unsere Kompetenz. Aber wir haben das lokale Team.
Soumelidis: Einer unserer jetzigen Kunden sind die Bundesforste, die sehr interessiert sind an Themen wie IoT, Assisted Reality, Google-Glass-Projekten etc. Das können wir. Unsere Ansprechpartner sind in diesem Fall die Förster. Da ist die Kommunikation mit eingeflogenen, englischsprachigen Beratern schon schwierig. Derzeit arbeiten wir am Knowhow-Transfer von Engineering und Technologiekompetenz in beide Richtungen. Das Ziel ist, nicht nur die zwei Unternehmen zusammenzuführen und umsatzmäßig doppelt so groß zu sein, sondern daraus weitaus mehr machen zu können.
Wann ist die Zusammenführung abgeschlossen und Sie können mit geeinter Kraft den Markt bearbeiten?
Soumelidis: Ab September sind wir startklar. Bis dahin werden auch die Knowhow-Transferprogramme zum Großteil umgesetzt sein.
Stichwort Fachkräftemangel: Was sind Ihre Wünsche bezüglich der Ausbildung in Österreich? Was wird benötigt?
Soumelidis: In den Gymnasien sollte Programmieren genauso zum Basiswissen gehören wie heute Mathematik. IT-Fachkräfte benötigen zwei Semester solides Grundwissen, vier Semester analytisches Denken und Verständnis von digitalen Konzepten, z.B. wie funktioniert Machine Learning? Damit soll sichergestellt sein, dass Absolventen, die aus der Uni, der FH oder der HTL kommen, gleich in die Arbeitswelt einsteigen können.
Färberböck: Ich unterrichte vier Stunden an der HTL Spengergasse in Wien. Ich glaube, die IT-Basis-Skills – Projektmanagement, Businessanalyse, Testen – sind nach wie vor wichtig sowie ein Überblick über die Digitalisierungstechnologien. Ich würde mir sehr wünschen, dass man auch klassische Ingenieursskills vermittelt und ordentlich in Ausbildung investiert, auch wenn die Ergebnisse hier nicht sofort sichtbar sind. Was wir heute nicht mehr brauchen, sind „Coding Monkeys“ bzw. „Fließbandprogrammierer“. Wir brauchen nach wie vor exzellente Entwickler, aber solche, die sich laufend auf höheren Ebenen mit unterschiedlichen Technologien befassen und die ingenieursmäßig Probleme lösen. Entwickler, die wir heute schon haben, müssen sich in diese Richtung weiterentwickeln.
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