Mit IT nachhaltiger wirtschaften

Im Rahmen der Nachhaltigkeitskonferenz »Sustainable IT 2022« fand ein Experten-Roundtable zum Thema »Mit IT zu einer nachhaltigen Wirtschaft?« statt. Aus verschiedenen Blickrichtungen wurden Antworten gegeben, wie IT Unternehmen helfen kann, nachhaltiger und dabei gleichzeitig wirtschaftlicher zu agieren. [...]

Der Round Table zum Thema »Mit IT zu einer nachhaltigen Wirtschaft?« fand als Hybrid-Veranstaltung statt. Im Studio anwesend waren (v.l.n.r) Gernot Hochfellner (AfB), Matthias Steybe (CHG-Meridian), Michael Swoboda (ETC) und Moderator Klaus Lorbeer. Per Video zugeschaltet war Thomas Schneider (Scopevisio). (c) Karl Glawischnig
Der Round Table zum Thema »Mit IT zu einer nachhaltigen Wirtschaft?« fand als Hybrid-Veranstaltung statt. Im Studio anwesend waren (v.l.n.r) Gernot Hochfellner (AfB), Matthias Steybe (CHG-Meridian), Michael Swoboda (ETC) und Moderator Klaus Lorbeer. Per Video zugeschaltet war Thomas Schneider (Scopevisio). (c) Karl Glawischnig

Nachhaltigkeit ist nicht nur ein wichtiges Thema, dessen Dringlichkeit vom Klimawandel noch befeuert wird, sondern auch ein sehr umfassendes, dem man sich von vielen Seiten annähern kann: man denke hier an die im Finanzbereich oft gehörten ESG-Faktoren, die Kriterien für nachhaltige Investitionen in den Bereichen Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) festlegen.
Die unterschiedlich Betrachtungsweisen von Nachhaltigkeit werden gut durch die Diskutanten des Roundtables abgedeckt, die in IT-Unternehmen aus unterschiedlichen Bereichen tätig sind.

Gernot Hochfellner, Leiter Vertrieb und Partner Management AfB Österreich, und Matthias Steybe, Group Sustainability Officer bei CHG-Meridian AG, beschäftigen sich stark mit dem Konzept der Kreislaufwirtschaft. Gernot Hochfellner beschreibt das Geschäftsmodell der AfB als klassisches Remarketingunternehmen, das nicht mehr gebrauchte Hardware seiner Kunden und Partner zurücknimmt. In den Lagern der AfB werden die Daten auf den Geräten revisionssicher gelöscht, die Devices generalüberholt beziehungsweise refurbished und dann wieder dem Markt zugeführt.

»Den Profit, den wir daraus erzielen, investieren wir wieder in Arbeitsplätze für Menschen mit Beeinträchtigung, sodass wir derzeit eine Quote von rund 50 Prozent Beschäftigten mit Leuten mit Beeinträchtigung im Unternehmen haben«, erklärt Hochfellner und verweist darauf, dass der Name AfB für »Arbeit für Menschen mit Behinderung« steht. Konkret: In der AfB-Group arbeiten insgesamt 600 Menschen, davon 300 mit einer Behinderung, in Österreich sind es 82 Menschen und ebenfalls die Hälfte mit einer Behinderung.

Matthias Steybe ist Group Sustainability Officer bei CHG-Meridian, einem Unternehmen mit knapp 1.200 Mitarbeitern, das weltweit IT-Lösungen der Kunden managed und finanziert. CHG-Meridian betreibt zwei Technologie- und Servicezentren, eines in der Nähe von Frankfurt und eines in Norwegen. Dort wird gebrauchte IT wiederaufbereitet und im Sinne der Kreislaufwirtschaft für einen zweiten Lebenszyklus dem Markt wieder zugeführt.

Thomas Schneider ist Head of Sales bei Scopevisio, einem international tätigen Softwareunternehmen aus Bonn, das seit 2019 auch in Österreich (Wien und Linz) mit mittlerweile 50 Mitarbeitern vor Ort ist (weltweit 200 Mitarbeiter). Der Geschäftsfokus liegt auf der Cloud-Unternehmenssoftware Scopevisio. Nachhaltiges Arbeiten war Scopevisio von Anfang an wichtig.

Michael Swoboda ist Geschäftsführer und Gründungspartner der ETC (Enterprise Training Center), einem österreichischer Trainingsdienstleister für IT und IT-nahe Themen. Neben den drei physischen Standorten hat sich in den letzten Jahren ein Virtual Classroom quasi als vierten Standort etabliert. ETC hat vor Jahren das Projekt »ETC goes green« ins Leben gerufen und hier viele Erfahrungen gesammelt, die man jetzt den Kunden weitergeben kann.

Was bedeutet Nachhaltigkeit im Unternehmensalltag?

Eine Möglichkeit, um den Begriff Nachhaltigkeit zu veranschaulichen, ist, Unternehmen zu fragen, wie sie denn selbst Nachhaltigkeit leben. Bei AfB habe man zwei Ansätze, erklärt Gernot Hochfellner. »Der eine ist der interne Ansatz, sodass wir mit geringstmöglichen ökologischen Fußabdrücken am Markt agieren.« Das fange bei der Logistik an und reiche bis zu dem starken sozialen Ansatz des Unternehmens. Zweitens helfe man nach außen auch den Partnern deren Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und zwar, indem man im letzten Jahr 60.000 nicht mehr benötigte Geräte zurückgenommen und einem zweiten Lebenszyklus zugeführt habe. Im letzten Jahr wurden so knapp 80 Prozent der zurückgenommenen Hardware wieder dem Markt zur Verfügung gestellt. So würden allein dem österreichischen Markt pro Jahr durchschnittlich bis zu 500.000 neue IT-Geräte (PCs, Smartphones etc.) als Neukauf zugeführt, weiß Hochfellner. Der Anteil davon, den AfB zurücknimmt liegt bei etwa zehn Prozent. »Wenn man jetzt davon ausgeht, dass bei der Herstellung eines Smartphones, eines PCs, eines Notebooks im Schnitt rund 10.000 Liter Wasser verbraucht werden und den gesamten Wasserverbrauch betrachtet, dann kann man mit dem eingesparten Wasser den Neusiedlersee pro Jahr um drei Zentimeter steigen lassen«, zeichnet Hochfellner ein anschauliches Bild. Das seien gigantische Mengen, die da erzielt würden, und die letztlich auch die AfB-Kunden ihren Nachhaltigkeitszielen ein Stück näherbringen.

Ähnlich agiert CHG-Meridian, das in den bereits erwähnten Technologiezentren die Geräte professionell für eine Zweitverwendung wiederaufbereitet und so einen wesentlichen Beitrag zu einer Verlängerung der Nutzung eines IT-Geräts beiträgt. Matthias Steybe wird konkret: »Im Jahr 2020 haben wir rund 880.000 Geräte aus den wesentlichen europäischen Ländern inklusive Österreich wiederaufbereitet. Das entspricht 96 Prozent der zurückkommenden IT-Geräte.« Für die vier Prozent, die man nicht wieder aufbereiten könne, habe man, so Steybe, ein Profi-Recycling-Unternehmen an der Hand, das dies übernehme. Leider würden nach wie vor Geräte nach einer drei- bis fünfjährigen Nutzung nicht mehr weiterverwendet, »was mit Sicherheit in Zeiten von Lieferengpässen und dergleichen nicht die richtige Vorgangsweise ist«, bekrittelt Steybe. Außerdem bedeute Nachhaltigkeit für ihn, »dass wir soziales, ökologisches und ökonomisches Wachstum miteinander vereinen«. Beim Betrachten der gegenwärtigen Lage kommt der CHG-Nachhaltigkeitsbauftragte zu dem Schluss, »dass die die Wirtschaft, so wie sie sich heute darstellt, ein neues Betriebssystem braucht, um die Anforderungen besser berücksichtigen zu können.«

Für einen Cloud-Software-Anbieter stellt sich wiederum die Lage etwas anders dar. Um den Kunden die Services von Scopevisio nachhaltig anbieten zu können, werde der Betrieb der eigenen Cloud und Rechenzentren dank der Nutzung regenerativer Energie nachhaltiger gestaltet, weiß Thomas Schneider. Rechenzentren in Österreich würden mit Strom aus Wasserkraft versorgt. Außerdem sei es wichtig, effiziente Systeme einzusetzen. »Wir haben jetzt allein in unserem Rechenzentrum Linz durch neue Serversysteme 34 Prozent an Stromkosten innerhalb eines Jahres eingespart.« Überdies belaste man die Systeme entsprechend der Kundenanforderungen und stocke dementsprechend auf, wenn die Last höher werde. Kundenprozesse die mittels Software effizienter gestaltet würden, seien auch nachhaltiger, weiß Schneider. So könnten damit etwa Papier- und Energiekosten eingespart werden.

ETC hat das Projekt »ETC goes green« gestartet, weil man klimaneutral werden wollte, erinnert sich Michael Swoboda. In einem ersten Schritt habe man sich bewerten lassen, um festzustellen wie hoch der CO2-Ausstoß des Unternehmens sei, was bei einem Dienstleister, der ja keine Fabriken besitzt, gar nicht so leicht zu berechnen sei. Dann kaufte man CO2-Zertifikate, um damit den eigenen Klimaimpact zu kompensieren. Auch wenn das noch keine Emissionreduktion im eigentlich Sinn war, hat es den bei Mitarbeitern etwas ausgelöst, bemerkt Swoboda, »sie begannen sich stärker mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen und eine Leidenschaft dafür zu entwickeln.« Die Pandemie habe dann plötzlich Dinge ermöglicht, die für einen Dienstleister wie die ETC, echte, nachhaltige Lösungen erlaubten, wie ortsungebundenes digitales Training, oder Home Office. Für eine gelungene Nachhaltigkeitsstrategie sind jedenfalls die Mitarbeiter enorm wichtig, weiß Swoboda: »In Wirklichkeit funktioniert Nachhaltigkeit im Unternehmen nur, wenn sie von den Mitarbeitern mit Überzeugung nach außen getragen wird. Dazu muss ich meine Mitarbeiter entsprechend informieren und qualifizieren.« Mit dieser Aussage erntet Swobododa einhellige Zustimmung.

Matthias Steybe pflichtet Swoboda überdies bei, dass CO2-Kompensation oft ein erster und schneller Schritt zum Klimaschutz sei. CHG-Meridian habe mit carbonZER0 selbst ein Produkt entwickelt, »mit dem wir die IT für die Nutzungszeit beim Kunden wirklich CO2-neutral stellen können. Langfristig«, ist sich Steybe jedoch sicher, »müssen wir Emissionen reduzieren.«

Die Zeiten ändern sich

Dass sich der Markt langsam in Richtung Nachhaltigkeit ändert, ist für alle eine Tatsache. Zwar sieht uns Michael Swoboda in Nachhaltigkeitsfragen gesamtgesellschaftlich erst am Anfang stehen, doch mittlerweile, so der ETC-Chef optimistisch, »ist das Bewusstsein für Nachhaltigkeit ein mehr oder minder breiter Konsens und damit die Grundvoraussetzung dafür, dass es jetzt auch in eine Umsetzung kommt.« Mathias Steybe pflichtet bei und verweist darauf, dass es in europäischen Ländern bereits Ausschreibungen gebe, bei denen 40 Prozent des IT-Portfolios des jeweiligen Unternehmens refurbished Geräte sein müssen.

Hier hakt Gernot Hochfellner ein und merkt an, dass in einem nächsten Schritt anzudenken sei, das Thema Nachhaltigkeit am Beginn des Life Cycles zu setzen, also zu erkennen, dass es Unternehmensbereiche gibt, »für die ich nicht neue Hardware brauche, sondern auch refurbed Hardware beschaffen und etwa für die nächsten zwei Jahre ohne Probleme genauso einsetzen kann wie ein neues Produkt. Solange der Support von Microsoft und anderen Softwarelieferanten nicht eingestellt wird, ist das überhaupt kein Problem.«

Thomas Schneider gibt zu bedenken, dass für Unternehmen, die Software, wie Cloud-Lösungen von Scopevisio einsetzen, dieser Umstand natürlich auch Change im Betrieb bedeute und man sich auch darüber Gedanken machen sollte, wie wir in Zukunft zusammenarbeiten wollen. Von daher seien Best Practices durchaus ein ganz zentraler Bestandteil bei Scopevisio, wobei Schneider konkretisert: »Wir sind auf Best Practices aufgebaut, das heißt, wir haben überhaupt keine Individualisierungskonzepte für KMU; die Möglichkeit, eine Software für ein spezielles Projekt anzupassen, geben wir gar nicht. Vielmehr glauben wir, dass wir mit unseren Lösungen Standardprozesse bei Unternehmen so abbilden können, dass sie am effizientesten sind und somit letztendlich auch nachhaltig für die Unternehmen.«

Demgegenüber sieht Gernot Hochfellner sein Unternehmen als Best Practice, da AfB nachhaltig sowie ein inklusiv ist und somit alle Komponenten vereine. Er lädt Unternehmen ein, zu AfB zu kommen, und die Arbeitsweise von AfB im klassischen Remarketing zu beobachten und wie man Nachhaltigkeit lebe.
Bezüglich Best Practice im Trainingsbereich merkt Michael Swoboda an, das es gerade hier schwierig sei, mit Best Practices zu arbeiten. »Man kann natürlich herzeigen, was welche Firma gemacht hat, was ein Großunternehmen, was eine kleine Firma gemacht hat«, sagt Swoboda und ergänzt: »Den besten Lösungsansatz werden KMU finden, wenn sie ein Grundwissen darüber erlangen, was es alles an Nachhaltigkeitslösungen gibt und dann ihre Teams frei lassen, Ideen zu sammeln.«

Werden wir es also schaffen den Klimawandel zu stoppen? Gernot Hochfellner ist überzeugt davon, denn »jede Krise birgt eine Chance in sich. Und es sind die Unternehmen, die hier wieder die Vorreiterrolle spielen.« Auch Michael Swoboda ist optimistisch: »Ich glaube, dass wir mittlerweile nicht nur das Bewusstsein dafür entwickelt haben, dass Nachhaltigkeit eine absolute Notwendigkeit ist, wenn wir diese Welt lebenswert halten wollen. Außerdem haben wir zum ersten Mal in der Geschichte die technologische und die Wissenskompetenz, um auch dieses massive Problem zu lösen.« Auch Thomas Schneider ist überzeugt davon, dass wir jetzt alle Mittel und Möglichkeiten haben,die Klimaziele umzusetzen. Ob es jedoch gelänge, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, da sei er skeptisch.

Dass die 1,5-Grad-Grenze zu halten sei, glaube Steybe ebenfalls eher nicht, doch ist ihm wichtig hinzuzufügen: »Nachhaltigkeit ist kein Risiko! Ich glaube, durch Nachhaltigkeit werden wir ganz neue Türen aufmachen. Wir werden ganz anders wirtschaften, vielleicht sogar mit dem neuen Betriebssystem.« Gewiss ist sich Steybe dabei, dass Nachhaltigkeit nicht Verzicht heißen muss. Denn »dass wir dadurch auch weiter wachsen können, zeigt ja unsere Unternehmensgruppe.«


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