Mit SW-Testing weltweit erfolgreich

Tricentis, weltweit führender Anbieter von Continuous Testing für DevOps, ist im Höhenflug. 2019 verzeichnete das in Österreich gegründete Unternehmen ein Umsatzplus von 65 Prozent und gewann 200 neue Kunden. Die COMPUTERWELT traf Tricentis-Gründer Wolfgang Platz im Headquarter in Wien. Mehr als 50 Prozent des Umsatzes macht das Unternehmen heute in den USA. [...]

Wolfgang Platz, Chief Strategy Officer bei Tricentis: "Der Financial Sektor ist der wichtigste Markt für uns." (c) Tricentis
Wolfgang Platz, Chief Strategy Officer bei Tricentis: "Der Financial Sektor ist der wichtigste Markt für uns." (c) Tricentis

Es ist eine der Erfolgsgeschichten der österreichischen Software-Branche. Bereits in den 90er-Jahren beschäftigte sich Wolfgang Platz mit Software-Qualitätssicherung und betrieb sein eigenes Softwareunternehmen. 2007 gründete er dann in Wien gemeinsam mit Franz Fuchsberger Tricentis, rasch folgte die Expansion im DACH-Raum und nach UK. 2014 kam es – erstmals mithilfe von Venture Capital – zum Einstieg am US-Markt. Ab da ging es steil nach oben. Heute zählt Tricentis mehr als 1.600 der 2.000 weltweit größten Unternehmen zu seinen Kunden und hat zwei Headquarter: In Wien und in Mountain View/Kalifornien.

Tricentis wurde von Gartner im November 2019 neben SmartBear und Eggplant zum fünften Mal in Folge im „Magic Quadrant“ für Softwaretestautomatisierung als ein „Leader“ anerkannt. Gründer Wolfgang Platz, er studierte technische Physik an der TU Wien, ist heute Chief Strategy Officer des Unternehmens.

Was waren für Sie Erfolgsfaktoren in der Geschichte von Tricentis, Sie beschäftigen sich ja schon seit über 20 Jahren mit dem Thema Software Testing…

Die Entwicklung eines eigenen Produkts kommt eigentlich aus den Services heraus – aus Defiziten, die wir bei den vorhandenen Produkten am Markt erlebt haben. Daher ist das Produkt durch die Kunden und durch den Markt getrieben. Schon 2002 haben wir eine sehr starke Nachfrage nach unserem Produkt gesehen, auch in Deutschland – und 2007 war es dann wirklich soweit, eine Produkt-Company daraus zu machen. Wir haben dann unsere Company von einer Service- auf eine Produkt-Company umgestellt. 2007 waren wir 20 Leute, ab da ist es rapide bergauf gegangen. 2016 ist dann Insight Venture Partners als großer Venture Capitalist eingestiegen, mit einem Kapital von 165 Mio. Dollar. Vor zwei Jahren kam es dann zum Merger mit QA Symphony, die ein zusätzliches Produkt eingebracht haben. Gemeinsam haben wir es jetzt geschafft, über die magische 100 Mio. Dollar Umsatzgrenze zu kommen. Heute haben wir weltweit rund 700 Mitarbeiter. Wien ist für uns nach wie vor der größte Standort mit rund 280 Beschäftigten, hier sind auch Research & Development angesiedelt.

Der Merger mit QA Symphony war 2018, wie weit ist die Integration gediehen?

Unsere Tosca Suite und das Produkt von QA Symphony sind nach wie vor eigenständige Produkte. Vor dem Merger waren EMEA und US umsatzmäßig gleichauf. Jetzt kommt mehr als die Hälfte des Umsatzes aus den USA, EMEA macht rund 35 Prozent aus. Wir bewegen uns damit genauso wie der Markt insgesamt. Der Markt sieht 52 Prozent des Welt-Revenues in den USA, um die 35 Prozent in EMEA, 10 Prozent in Asia Pacific und die restlichen drei Prozent im Rest der Welt. Natürlich ist die Company jetzt stärker amerikanisiert als sie vorher war, aber das ist dem Markt geschuldet. Wenn man es nicht schafft, innerhalb einer gewissen Zeit eine globale Marktpräsenz zu erreichen, geht man in der IT unter.

Wie sehen Sie die weitere Marktentwicklung weltweit, bleibt die prozentuelle Verteilung so oder sehen Sie Veränderungen?

Wir sehen im US-Markt eine Zunahme und eine noch stärkere Dynamik im asiatisch-pazifischen Raum, dafür wird der EMEA Markt in den kommenden Jahren für uns zwar wachsen, aber anteilsmäßig am Gesamtumsatz weniger bedeutsam werden.

Welche Unternehmen sind denn ihre Hauptkunden in punkto Software Testing, ist das in EMEA und USA unterschiedlich?

Nicht wirklich. Es kommt darauf an, welche Verticals und Industrien sehr IT affin sind. Das sind Banken, Finanzsektor und Versicherungen. Eine Bank ist heute nichts anderes als IT. Der Financial Sektor ist der wichtigste Markt für uns, wir machen da mehr als 60 Prozent des Umsatzes. Zweiter großer Bereich sind die Telcos, gefolgt von Retail und Automotive/Aviation, die allerdings heuer nicht.

Bleiben wir gleich dabei: Wie hat Sie die Corona-Krise getroffen, welche Auswirkungen haben Sie bei Tricentis gespürt?

Automotive und Aviation waren ein Teil unserer Pipeline – die sind weg. Wir sehen aber, dass die Bereitschaft, in die Digitalisierung zu gehen, beschleunigt worden ist. COVID-19 hat eine Auswirkung – das ist keine Frage. Wir wachsen auch heuer wieder, aber etwas weniger. Geplant waren 50 Prozent, aber wir werden rund 40 Prozent Wachstum schaffen. Intern haben wir eine Corona-Richtlinie ausgeben, die Büro-Präsenz reduziert und Home Office hat sich dauerhaft etabliert. Wir gehen davon aus, dass wir in Zukunft einen 40:60 Mix zwischen Home Office und Büro sehen. Das ist dauerhaft. Die zweite große Auswirkung ist, dass der Business Travel signifikant reduziert wurde, derzeit sind Reisen ja überhaupt eingestellt. Früher bin ich sehr viel geflogen und habe festgestellt: Ein Drittel reicht. Außerdem ist die Akzeptanz der virtuellen Konferenzen massiv angestiegen.

Gibt es durch die Krise auch eine Veränderung in Richtung mehr Bewusstsein für Software-Qualität bei den Unternehmen?

Ja, massiv. Alle haben diese Erfahrung mit Homeoffice gemacht. Alle wissen, wie verwundbar sie sind, wenn die IT nicht funktioniert. Von der Makroökonmie spielt uns als Software Unternehmen dieser Digitalisierungsschub, der jetzt mit Corona passiert, massiv in die Hände.

Hat auch die Industrie erkannt, im Sinne von digital production, dass es wichtig ist auf Software Qualität zu setzen?

Das Investitionsklima hat sich geändert. Sie müssen heute andere Projekte lancieren als noch vor einem Jahr. Die Ertragserwartungen müssen viel schneller umgesetzt werden. Das heißt, wir konnten Ende 2019 Projekte initiieren, die einen Break-Even von neun Monaten hatten. Das ist weg. Man muss den Unternehmen heute einen Break-Even in einem Monat und einen immediate ROI zeigen.

Geht das?

Ja, wir haben Lösungen an Board, die die größte Herausforderung der Unternehmen adressieren: Staying fit. Die gehen alle in Richtung Enterprise Applications: SAP, Salesforce, Service Now, Workday – und wie sie alle heißen. Bei diesen Lösungen müssen die Unternehmen mit immer kürzeren Intervallen von Updates/Upgrades Schritt halten. S/4 HANA ist ein super Beispiel, da kommen jetzt wöchentlich (!) Updates. Früher war für Test-Zyklen einige Monate Zeit, heute muss das innerhalb einer Woche oder sogar weniger Tage passieren. Wir haben da eine punktgenaue Lösung, die den Testbedarf direkt aus den Änderungen, die vom SW-Hersteller kommen, ableitet. Damit reduzieren wir den Testbedarf im Schnitt um 85 Prozent. Diese massive Testvolumen-Reduktion kann mit Test-Automatisierung verbunden werden und so die Testdurchlaufzeit noch weiter reduzieren. Daher hat uns SAP als strategischer Partner für Software-Testing ausgewählt. Diese strategische Partnerschaft werden wir in die anderen bereits genannten Applications-Anbieter replizieren.

Und wo geht die Zukunft produktmäßig hin?

Wir sind Best-of-Suite. Forrester hat im Vorjahr eine Umfrage gemacht und festgestellt, dass 72 Prozent der Unternehmen Best-of-Suite wollen. Vor fünf Jahren war es noch ganz stark Best-of-Breed. Wir sehen unsere Best-of-Suite Strategie bestätigt und unterlegen diese mit einer Cloud nativen Architektur: die Tricentis Integrated Cloud Plattform werden wir 2020/21 Schritt für Schritt releasen, die auch einen starken AI Anteil hat. Wir haben dazu eine Super-Lösung namens NEO (Neuronal optical engine) entwickelt. Das ist eine UI-Steuerung, die mit image recognition funktioniert und schon bei rund 60 Beta-Kunden weltweit im Einsatz war. NEO wird die Testautomatisierung revolutionieren!


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*