KI verändert unsere Arbeitswelt. Unternehmen, die eine führende Rolle im Markt halten oder einnehmen wollen, müssen vor allem in Menschen investieren, in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden, sowie neue Wege beim Rekrutieren wagen. [...]
Mit dem Einsatz von KI können Prozesse und Arbeitsabläufe in sehr hohem Ausmaß automatisiert und effizienter gestaltet werden. Doch wie bei der Einführung jeder neuen Technologie müssen die Mitarbeitenden eines Unternehmens auf die Änderungen im Arbeitsumfeld vorbereitet und der Umgang mit KI entsprechend geschult werden. KI-Kompetenzen zu fördern und zu entwickeln ist extrem wichtig, werden sie doch zunehmend zu einer Schlüsselqualifikation bei der Ausbildung und den benötigten Skills. Dies gilt insbesondere in technischen Berufen, weiß der Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Damit KI im Berufsfeld zu einem echten Gewinn wird, brauche es klare Regeln, Qualitätsstandards und eine bewusste Rollenverteilung, zitiert der VDI aus der von ihm durchgeführten Studie „Auswirkungen generativer KI auf die Arbeit in Ingenieurberufen“. Die Erkenntnisse beziehen sich zwar alle auf Deutschland, haben aber für Österreich ebenso Gültigkeit.
Allerdings macht die Automatisierung durch KI vor nicht-technischen Berufen auch nicht Halt. Generell gilt, dass Mitarbeiter unterschiedlich auf Veränderungen reagieren. Manche empfinden KI als Bedrohung und fürchten um ihre berufliche Zukunft. Andere sehen neue Chancen, sich weiterzuentwickeln und künftig komplexere Aufgaben zu übernehmen. Bereits hier können Schulungen helfen ist Ulf Persson, CEO von Abbyy, einem Anbieter im Bereich smarte Dokumentenverarbeitung, überzeugt. „Schulungen können helfen Unsicherheiten zu reduzieren,“ so Persson, „aber nur, wenn sie gezielt, praxisnah und lösungsorientiert gestaltet sind.“
Persson ist überzeugt: Weiterbildung ist kein optionales Addon, sondern ein strategischer Erfolgsfaktor. Unternehmen müssen aktiv in die Entwicklung ihrer Teams investieren. Es geht dabei nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch um den Aufbau von Vertrauen und Akzeptanz im Umgang mit neuen Technologien.
Vermittlung von Praxiswissen
Grau ist alle Theorie, wusste schon Goethe und letztlich zählt die praktische Anwendbarkeit des Wissens, weshalb angebotene Trainings nicht auf abstrakte Theorie beschränkt bleiben, sondern auch konkrete Aufgaben aus dem Berufsalltag aufgreifen sollen. Abbyy verfolgt diesen Ansatz mit der firmeneigenen Abbyy University, wobei sich diese nicht nur an die Mitarbeitenden richtet, sondern auch externen Fachkräfte sowie Kunden und Partner offen steht. Das Angebot umfasst rollenbasierte, technische Produktschulungen, die auf reale Anwendungsszenarien zugeschnitten sind.
„Es geht nicht nur um Technologieverständnis“, betont Persson. „Wir vermitteln, wie man mit intelligenten Automatisierungslösungen in echten Transformationsprojekten Mehrwert schafft.“ So lernen Teilnehmende, die Lösungen nicht nur zu bedienen, sondern in bestehende Prozesse zu integrieren und für operative Ziele nutzbar zu machen.
Doch trotz intensiver Schulung und Weiterbildung kann oft nicht die komplette Nachfrage nach KI-Fachwissen gesättigte werden, das gilt vor allem in regulierten Branchen wie der Finanzindustrie – der Fachkräftemangel ist und bleibt ein reelles Problem. Deswegen müsse Weiterbildung gezielt durch externe Rekrutierung ergänzt werden, rät Ulf Persson. Denn nur so ließen sich Fähigkeiten aufbauen, die intern nicht oder noch nicht ausreichend vorhanden sind. Ein häufig anzutreffendes Missverständnis sei der Glauben, dass der Projekterfolg alleine durch technische Exzellenz garantiert werde. Tatsache ist aber: Wer KI-Lösungen entwickelt, ohne die Geschäftsprozesse zu verstehen, riskiert Fehlinvestitionen. Deshalb sind interdisziplinäre Teams gefragt – mit technologischer, betrieblicher und regulatorischer Expertise. „Ein KI-System kann technisch perfekt sein – aber wenn es das Geschäftsproblem nicht trifft oder die Integration scheitert, wird es zur teuren Fehlinvestition“, erklärt Persson. Erfolg entstehe dort, wo Technologie- und Prozesskompetenz Hand in Hand gehen.
Doch zurück zum Fachkräftemangel. Hier kommt folgender Umstand hinzu, dass es viele Berufe im KI-Umfeld noch nicht sehr lange gibt und diese mit klassischen Stellenprofilen nicht erreicht werden. Wer erfolgreich rekrutieren wolle, so Persson, sollte weniger auf formale Berufserfahrung achten und stattdessen Lernfähigkeit, analytisches Denken und Datenkompetenz in den Vordergrund stellen. Gleichzeitig lohnt sich der Blick nach innen: Mitarbeitende mit ähnlichen Qualifikationen oder Erfahrungen aus verwandten Bereichen können durch gezielte Weiterentwicklung in neue Rollen hineinwachsen.
„Wir brauchen Menschen, die neugierig bleiben, selbstständig denken und Veränderung als Chance begreifen“, so Persson. „Diese Haltung ist entscheidend, um neue Technologien nicht nur zu verstehen, sondern auch sinnvoll einzusetzen.“
Damit künftige Fachkräfte den Anforderungen der KI-gestützten Arbeitswelt gewachsen sind, braucht es mehr als kurzfristige Schulung. Der Aufbau entsprechender Fähigkeiten muss früher ansetzen – schon in der Ausbildung.
Vorstandsmitglied der GMA und
Professor an der Ruhr-
Universität Bochum. (c) GMA
Das ist etwa auch dem VDI bewusst, der für die Ingenieursberufe eine entsprechende vorgelagerte Ausbildung fordert, die fundierte KI-Kompetenzen vermittelt. So soll der Umgang mit generativer KI fester Bestandteil der ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung werden. Klar sei: nur wenn angehende Ingenieurinnen und Ingenieure lernen, KI sinnvoll und kritisch einzusetzen, bleibe der Berufsstand zukunftsfähig. „Generative KI zeigt ihr Potenzial im Ingenieurwesen in unterschiedlichen Aufgabenfeldern, von der automatisierten Textgenerierung über die Optimierung technischer Designs bis hin zur Unterstützung bei der Softwareentwicklung bietet sie Werkzeuge, die Effizienz und Präzision in den Arbeitsprozessen steigern können“, skizziert Professor Alexander Fay, Vorstandsmitglied der GMA (Gesellschaft für Mess- und Automatisierungstechnik, eine gemeinsame Initiative des VDI und des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik – VDE) und Professor an der Ruhr-Universität Bochum, das Bild der Veränderungen. Für ihn ist aber auch klar, dass „diese Entwicklungen nur den Beginn einer tiefgreifenden Transformation markieren“. Auch in der Weiterbildung stimmt der VDI mit Ulf Persson überein und empfiehlt neue Angebote, die praxisnah, technisch fundiert und ethisch reflektiert sein müssen.
Lernen als strategischer Dauerprozess
Auch wenn die durch generative künstliche Intelligenz getriebene Transformation gerade erst begonnen hat, sind die grundlegenden Muster doch die gleichen wie bisher: Technologie entwickelt sich weiter und mit ihr die Anforderungen an die Belegschaft. Deswegen sollten Unternehmen Lernen als festen Bestandteil ihrer Entwicklungskultur verankern. Dazu gehört, berufliche Weiterbildung als Teil individueller Leistungsziele zu etablieren. Ebenso wichtig sind interne Wissensnetzwerke (inklusive Strategien zum Wissenstransfer, wenn etwa die Boomer-Generation in Pension geht) und der regelmäßige Austausch zu konkreten Anwendungsfragen. Partnerschaften mit Lösungsanbietern können dabei helfen, Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Und Mitarbeitende sollten die Möglichkeit erhalten, neue KI-Tools in kleineren Projekten auszuprobieren und eigene Erfahrungen zu sammeln.
All diese Maßnahmen schaffen nicht nur Fachwissen, sondern fördern auch Eigenverantwortung, Offenheit und bereichsübergreifendes Denken – die Ingredienzien für eine erfolgreiche digitale Transformation.
Ulf Persson plädiert für eine engere Verzahnung von Unternehmen und Hochschulen. „Ein Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Bildung ist notwendig. Wir brauchen Absolventinnen und Absolventen, die nicht nur über theoretisches Wissen verfügen, sondern auch ein Gefühl dafür haben, wie KI in der Praxis funktioniert.“ Der frühzeitige Kontakt mit der Technologie nimmt Berührungsängste und fördert eine generationenübergreifende Akzeptanz.
Bereits eingeführte Programme großer Technologiekonzerne wie Amazon oder staatliche Initiativen zeigten, so der Abbyy-CEO, dass öffentlich-private Partnerschaften Wirkung entfalten können. Doch diese Angebote müssten stärker skaliert und breiter zugänglich gemacht werden.
Mit kompetenten KI-Skills gewappnet für die Zukunft
Künstliche Intelligenz dringt in alle Bereiche eines Unternehmens vor und verändert vorhandene Strukturen, Prozesse und Aufgabenprofile. Das KI-Potenzial entfaltet sich jedoch nur dann vollständig, wenn die Technologie auf Mitarbeitende mit den richtigen Fähigkeiten und einer offenen, neugierigen Einstellung trifft. Mensch und Maschine in produktiver Weise miteinander zu verknüpfen ist die Aufgabe des Managements. Weiterbildung bleibt dabei zentral, ist aber nur ein Teil der Lösung. Entscheidend ist wie bereits erwähnt ein Zusammenspiel aus gezielter Entwicklung, aktiver Rekrutierung und einer Kultur, die Lernen fördert.
„Die Unternehmen, die heute in Menschen investieren, sichern sich mehr als Fachwissen“, ist Persson überzeugt. „Sie schaffen die Voraussetzung, um Veränderungen souverän zu begegnen – und daraus neue Stärke zu entwickeln.“
Wer frühzeitig und entschlossen auf Kompetenzentwicklung setzt, schafft die Basis für nachhaltigen Erfolg. So entsteht eine Arbeitswelt, in der Technologie und menschliche Intelligenz wirkungsvoll zusammenkommen. Und damit ist auch klar: KI soll unterstützen – nicht ersetzen. Der Mensch bleibt die entscheidende Instanz.
Regulatorische Anforderungen mitdenken
Abschließend sei noch erwähnt, dass auch die Ausbildung im Rahmen gesetzlicher Vorgaben stattfindet. Die eingangs erwähnte VDI-Studie betont Regulierung und Absicherung als Voraussetzung für den verantwortungsvollen KI-Einsatz.
Persson verweist darauf, dass insbesondere für Finanzdienstleister besonders strenge Anforderungen hinsichtlich Sicherheit, Transparenz und Ethikbeim Einsatz von KI gelten. Der europäische Digital Operational Resilience Act (DORA) verpflichtet Unternehmen etwa dazu, sämtliche IT-Systeme, einschließlich KI, gegen Sicherheitsrisiken abzusichern und jederzeit nachvollziehbar zu gestalten. Auch bei der Auswahl von Technologiepartnern steigen die Anforderungen. Zertifizierungen wie das Financial Supplier Qualification System (FSQS) helfen Unternehmen dabei, verlässliche Anbieter zu finden.

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