Modernisierung der Staats-IT

Peter Reichstädter, Leiter der Abteilung IKT-Strategie im österreichischen Parlament, ist für die Optimierung von Technologieeinsatz und digitale Transformation verantwortlich. Die derzeitige Sanierung des historischen Parlamentsgebäudes bringt in diesen Bereichen einige Möglichkeiten. [...]

Peter Reichstädter, Österreichisches Parlament. (c) Parlamentsdirektion/Photo Simonis

Wie hat sich die Rolle des CIOs in den letzten 5 bis 10 Jahren gewandelt?

Die Rolle CIO entwickelt sich jedenfalls weiter und wandelt sich. Waren es früher eher die Hard Facts wie etwa Infrastruktur, Applikationen oder Services so sind es jetzt sehr viele Soft Skills, die in Richtung Nachhaltigkeitsentwicklung, Innovationspotenzial, Strategie und Compliance-Herausforderungen, Gartner Quadranten, Bundeslösungen, Demand-Management und Schnittstelle zur IKT-Sicherheit gefragt sind bzw. sich auch in diesen Feldern wandeln. Früher wurden IKT-Strategien für rund 4 bis 5 Jahre erstellt. Bereits vor einiger Zeit ist man dazu übergegangen, ein zweijährliches Review durchzuführen, um auch auf Technologie-Änderungen und Erneuerungen flexibler reagieren zu können. Dadurch sehe ich zumindest bei den typischen CIO-Agenden den Schwerpunkt bei Strategie mit 55 Prozent, Compliance/Recht mit 25 Prozent und Technik mit 15 Prozent.

Das Parlament wird derzeit generalsaniert. Welche Herausforderungen bringt das für die IT-Abteilung?

Dazu zwei Gedanken: Es ist jedenfalls ein »Window of Opportunity« im Hinblick auf digitale Transformation, Innovation, Modernisierung und Change aber auch neue Herausforderungen in Richtung Betriebsfähigkeit, IKT-Sicherheit und notwendige Change-Management-Maßnahmen bzw. Digital Readiness. Die Hauptherausforderung stellt natürlich dar neben dem laufenden Betrieb – wir haben ja auch jetzt Plenarsitzungsbetrieb, Ausschussbetrieb – gleichzeitig in Definition, Betriebsvorbereitung und Umsetzung für das zukünftige System mit den gleichen bzw. bestehenden Ressourcen zu agieren. Das birgt große Belastungen, Herausforderungen bei der Überführung der jetzigen Betriebsmodelle und –prozesse gemischt mit neuen Innovationsansätzen.

Wird oder wurde im Zuge dessen auch die IT-Infrastruktur modernisiert? Wenn ja, in welchen Bereichen?

Ja, Sanierungen und damit offene Böden, Wände usw. gibt es ja nicht so oft als Chance. Somit wird eigentlich quer durch die Bank modernisiert: Infrastrukturkomponenten im Backoffice/Backbone mit starkem Fokus auf Mobilität und Wireless, in diversen Kollaborations- und Conferencing-Bereichen aber auch in der OT – Stichworte Intelligente Gebäudetechnik oder Nachhaltigkeitskonzepte im Betrieb – bzw. im Commodity IT-Bereich.

Wie gehen Sie grundsätzlich an IT-Projekte heran und wie sieht Ihre Strategie aus?

Durch den verstärkten Fokus auf Strategie und Enterprise-Architektur-Rahmenbedingungen, Fokus auf gestärktes Demand-Management und IKT-Controlling sowie gemeinsames Agieren mit operativer IKT setzt man nachhaltige Projekte für Kunden – etwa die Fachbereiche –  auf und um. Ich denke, wir kennen alle den Cartoon »Was der User eigentlich wollte und was dazu abgeliefert wurde«. Im Fokus steht immer der Kunde und das umsetzende Team und damit das Bedürfnis bzw. der Bedarf mit einer optimalen Umsetzung der Projektarbeit und einem »Wow-Effekt« bei Inbetriebnahme. Das gelingt nicht immer, aber sehr oft.

Welche Fähigkeiten muss ein moderner CIO haben?

Verständnis für Veränderungsprozesse, Zielstrebigkeit, Risikoabschätzungs- und –bewertungsfreudigkeit sowie eine gewisse Art von Flexibilität und damit »IKT anders denken«-Fähigkeit. Er muss aber auch auf Visionen und Herausforderungen des Chefs oder des Teams entsprechend reagieren können. Tradition ist nicht das Anbeten der Asche sondern das Forttragen des Feuers. Er sollte zudem zuhören können, IKT-Marketing-Aktivitäten setzen und Verständnis für neue Wege schaffen können, das heißt, der Change-Gedanke sollte ihm auch sehr bewusst sein.

Wie steht es um die Kommunikation zwischen IT-Abteilung und Fachabteilungen?

Eigentlich ist das weniger Thema bei uns aber ich würde es so zusammenfassen: Ein gutes Miteinander bzw. gerade am Shift von teils reaktiv auf sehr proaktiv und damit die bewusste Einbindung in bestehende IT-Strategie-Ansätze.

Künstliche Intelligenz und Machine Learning gelten als die Toptrends 2021. Haben Sie in Ihrem Unternehmen schon Projekte umgesetzt?

Ein schwieriges Thema in unserem Gesamt-Umfeld aber ich denke, es haben sich Prozesse in der Parlamentsdirektion – etwa im Bereich Verwaltung – bereits in diese Richtung entwickelt und wir werden zunehmend mehr Themenfelder finden. Anders ist es im politischen Umfeld, wo auch vermehrt die Ethik-Diskussion dazukommt. Aber es ist ein Thema der nahen Zukunft.

Nach wie vor gibt es einen eklatanten Mangel an gut ausgebildeten IT-Fachkräften. Wie beurteilen Sie die Situation?

Ich beurteile die Situation herausfordernd bis schwierig bzw. »Wem sagen sie das?«: Wir suchen gerade. Teilweise finden wir durch Netzwerke, durch gezieltes Hunting bzw. auch zufällig, gerade bei Interesse auf Neuausrichtung. 

In den letzten Jahren wurden viele Arbeiten (zumindest projektweise) an IT-Fachleute außerhalb des Unternehmens ausgelagert. Wie sieht hier der Trend aus? 

Derzeit denken wir wieder eine Möglichkeit in diese Richtung an – Stichwort IKT-Konsolidierung im Bundesbereich – folgen aber trotzdem der Betriebs-Aufrechterhaltung durch z.B. bewusste Trennung der Verwaltung von der Legislative – das heißt Synergien Ja, aber mit Fokus im eigenen bzw. engeren Umfeld realisiert. Dennoch ist die Abgrenzung und damit das Paradigma »Make or buy« auch für uns sehr interessant bzw. Strategiebestandteil. 

Haben Sie eine eigene Abteilung »Digital Transformation« eingerichtet und wenn Ja, wie ist diese organisiert und wie ist die Zusammenarbeit mit der traditionellen IT-Abteilung definiert?

Wir haben die ehemalige gesamte IKT-Abteilung seit August 2020 aufgeteilt und in Kombination mit anderen Abteilungen (Operative IKT, Verwaltungsinnovation, Cybersecurity, etc.) gesetzt bzw. nehmen uns in der Abteilung IKT-Strategie des Themas digitale Transformation an. Die Schnittstellen zu den anderen Abteilungen werden gerade einer Neuausrichtung bzw. nachhaltigen Festigung im Ablauforganisationsmodell zugeführt und beinhalten natürlich Herausforderungen in der Umsetzung, aber: »If you always do, what you always did, you will always get what you always got«!

Wie sehr wurde Ihre Organsisation von der Coronakrise betroffen?

Ich denke wir haben einen ähnlichen Zyklus und Zugang wie andere öffentliche Stellen oder Bereiche durchlaufen: Durch die gute Grundausstattung – wir haben 2017 strategisch im Client-Konzept größtenteils auf Notebook und Tablets umgestellt – haben wir gute Vorausetzungen gehabt, aber im Benutzer-Support vielfach um einiges mehr unterstützen müssen bzw. auch die IKT-Security-Awareness nachschärfen müssen. Geschäftlich gesehen waren wir wenig betroffen sondern haben eher Zuwächse verzeichnet und haben gelernt, damit umzugehen bzw. Herausforderungen der Remote-Tätigkeit zu adressieren und auch in die Zeit nach Corona mit zu nehmen.

Wie gut hat sich die virtuelle Zusammenarbeit und digitale Kommunikation während der Corona-Krise bewährt und welche Maßnahmen planen Sie, um für eine nächste Krise besser vorbereitet zu sein?

Die virtuelle Zusammenarbeit hat sich durch das »Muss des doings« relativ rasch etabliert und sehr gut bewährt. Als Erfahrung nehmen wir mit: Wenn man so etwas projektmäßig einführen möchte, würde es meiner Meinung nach länger brauchen. Wir hatten gute Startvoraussetzungen aber beim Review gab es natürlich einige Punkte, die man als Lessons Learned mitnehmen wird und dann auch entsprechend jetzt bereits in Vorbereitungen einfließen lassen wird. Dies betrifft vor allem das Team (Skills, Flexibilität im Umsetzungsmodell), den User (Awareness, User Convenience) bzw. generell die Service-Optimierung, denn: »The future is Mobile«!


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