Möglichkeiten der Digitalisierung ausschöpfen

Das Management- und IT-Beratungsunternehmen Consileon hat Ende 2022 die Ausschreibung der österreichischen Bundesbeschaffungs GmbH (BBG) gewonnen und ist nun Auftragnehmer für die Digitalisierung des öffentlichen Sektors. Harald Kohlberger, geschäftsführender Gesellschafter von Consileon Business Consultancy, im Interview mit ITWelt.at. [...]

Harald Kohlberger ist geschäftsführender Gesellschafter von Consileon Business Consultancy. (c) Consileon Business Consultancy
Harald Kohlberger ist geschäftsführender Gesellschafter von Consileon Business Consultancy. (c) Consileon Business Consultancy

Die österreichische Bundesbeschaffungs GmbH (BBG) hat im Rahmen ihrer Ausschreibung »IT-Dienstleistungen 2022« unter anderem mit Consileon Business Consultancy eine großvolumige Rahmenvereinbarung für die kommenden fünf Jahre abgeschlossen. Consileon wurde in 17 von 22 angebotenen Losen mit einem potenziellen Volumen von 683 Mio. Euro als Rahmenvereinbarungspartner ermittelt. Die Bedarfsträger – und somit künftigen Auftraggeber von Consileon – sind über 2.500 Institutionen, Einrichtungen und Behörden aus dem gesamten öffentlichen Bereich. 

Wie digital ist die öffentliche Verwaltung in Österreich und wo gibt es Entwicklungspotenzial?

Alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung in Österreich sind von der Digitalisierung betroffen. In den vergangenen Jahren wurde, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, massiv in Digitalisierung investiert. Die Möglichkeiten sind aber noch lange nicht ausgeschöpft. Österreich liegt, was den Digitalisierungsgrad anbelangt, zwar vor Deutschland – im weltweiten Vergleich hinken wir digitalen Vorreitern wie China oder auch den USA – speziell im Bereich der künstlichen Intelligenz – aber deutlich hinterher. Sowohl in der Verwaltung als auch in der Gesellschaft.

Das größte Potenzial von Consileon sehen wir in einer besseren Ausgestaltung von Digitalisierungsprojekten. Hier passieren Fehler, die eigentlich nicht passieren dürften (z.B. Kaufhaus Österreich). Dass eine Vielzahl öffentlicher Digitalisierungsprojekte in den kommenden Jahren aus einem Haus kommen und von einem federführenden Anbieter – nämlich Consileon – umgesetzt werden, ist im Sinne aller Beteiligten und wird sich auch positiv auf das Ergebnis auswirken. Wir möchten hier sehr viel auf den Boden bringen.

In welchen Bereichen ist die Digitalisierung schon fortgeschritten und in welchen gibt es noch Aufholbedarf?

In der Justiz, der Finanzverwaltung und im Sicherheitsbereich hat sich in den vergangenen Jahren schon viel getan. Der Bildungs- und Sozialbereich sowie der Mobilitätsbereich hinken allerdings hinterher – umso größer ist hier das Potenzial.

Der Hebel für die erfolgreiche Umsetzung von Digitalisierungsprojekten liegt in der Zusammenarbeit zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern. Je unabhängiger die Mitarbeitenden von Dienstleistern und IT-Beratungsfirmen in Projekten der Verwaltung zum Einsatz kommen, desto positiver wird sich das auf den Prozess und das Endergebnis auswirken. Das muss uns in der Umsetzung gelingen, wobei man realistischer Weise auch sagen muss: Dafür bräuchte es einen Mindset-Change und gesetzliche Änderungen. Ob und wann diese kommen werden, ist abzuwarten.

Welche Chancen und Risiken sehen Sie in den zentralen Vorhaben der Digitalisierung Österreichs?

Die Digitalisierung bietet die Chance zur besseren Vernetzung und Erledigung von Aufgaben über virtuelle Zugänge. Was die Effizienz anbelangt, ist das natürlich großartig. Bestes Beispiel: Die Beantragung eines polizeilichen Führungszeugnisses kann in Österreich ganz einfach per Klick erledigt werden. In Deutschland muss man noch persönlich aufs Amt gehen und drei Wochen später bekommt man das Dokument per Post zugestellt.

Allerdings: je mehr die Digitalisierung unser Leben durchdringt, desto mehr Daten müssen auf zent-ralen Datenträgern gespeichert werden – der Mensch wird durchsichtiger. Digitalisierung bringt darüber hinaus auch eine massive Lebensbeschleunigung. Viele Menschen fühlen sich davon überfordert oder, wenn wir an ältere Menschen denken, sogar vom öffentlichen Leben ausgeschlossen.

Welche Technologien kommen hier zum Einsatz? Spielen Trendthemen wie KI – Stichwort ChatGPT – oder Cloud eine Rolle? Wenn ja, welche und in welchem Ausmaß?

Künstliche Intelligenz hat für die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen aktuell kaum Relevanz, da die Einsatzfelder noch unklar sind. Es gibt Umfragen, die zeigen, dass sich nur 5 Prozent der Unternehmen in Österreich mit dem Einsatz von KI auseinandersetzen, 20 Prozent haben das Thema auf dem Radar. In der öffentlichen Verwaltung gibt es nur einen einzigen Projektpartner, der für Endkunden in der Verwaltung KI-Projekte macht. In den BBG- Rahmenvereinbarungen kommt das Thema KI außer in Softwareentwicklungsthemen gar nicht vor, weil die Endkunden, also die öffentliche Verwaltung und die öffentlichen Unternehmen als BBG-Kunden keinen entsprechenden Bedarf eingemeldet haben. Meiner Meinung nach wäre es wichtig, dieses Trendthema stärker zu berücksichtigen und potenzielle Auftraggeber von Anfang an über die Möglichkeiten und Einsatzgebiete von KI strategisch zu beraten.

Was die Cloud betrifft, ist das kein neues Thema. Die Sicherheit in der Cloud wird immer besser, und Cloudleis-tungen sind heutzutage Standard. Die Beratung in dem Thema ist sehr gut nachgefragt.

Welche Rolle spielt das Thema Sicherheit bei der digitalen Verwaltung?

Das Thema Sicherheit ist nicht mehr von der IT abzukoppeln. In der Großausschreibung der BBG gibt es ein eigenes Los, das sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt und 15 Prozent des Gesamtinvestitionsvolumens der zu vergebenden IT-Dienstleistungen ausmacht. Besonders in der öffentlichen Verwaltung wird viel in diesen Bereich investiert, sodass das Sicherheitsniveau dort extrem hoch ist. Gefährdet sind eher KMU – dort ist es um die IT-Sicherheit meist nicht so gut bestellt.

Welche Voraussetzungen sind nötig, damit die Digitalisierungsvorhaben im Public Sector in Österreich auch erfolgreich umgesetzt werden?

Es braucht in der Politik einfach mehr Fachkompetenz beim Thema Digitalisierung. Mit einem eigenen Ministerium, damit Digitalisierung den Stellenwert bekommt, den sie eigentlich bräuchte. Ein Staatssekretariat reicht dabei nicht aus, dafür ist das Thema zu groß und zu wichtig. Es müssen Strukturen geschaffen werden, die es der Verwaltung und externen Umsetzungsexperten erlauben, in homogenen Teams zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus müssen Wissenschaft und Unternehmen mehr gefördert werden, um den Anschluss an Länder wie China und die USA nicht zu verlieren. Ein konkreter Masterplan für die Digitalisierung Österreichs fehlt ebenfalls und es ist höchste Zeit, ihn zu erstellen.


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