Multi-Enterprise-ERP-Plattform von Infor

Mit der Übernahme von GT Nexus will Infor künftig die gesamte Wertschöpfungskette im ERP-System abbilden. Andreas Anand, Vice President Consulting Services bei Infor, erklärt, wie die enge Integration mit Lieferanten und Partnern funktionieren soll. [...]

Anfang November fand in Paris die zweitätige Kunden- und Partnerveranstaltung Inforum des ERP-Anbieters Infor statt. Andreas Anand, für das Beratungsteam in Deutschland, Österreich, Schweiz und UK verantwortlich, berichtet im Gespräch mit der COMPUTERWELT von den Highlights des Events.

Was waren denn aus Ihrer Sicht die großen Neuheiten auf dem Inforum?
Andreas Anand:
Was die Neuankündigungen betrifft, waren das drei Themen: Multi-Enterprise-ERP-Plattformen, das Cloud-Migrations-Programm Lift and Shift sowie neue Releases bzw. neue Features unserer Software-Produkte.

Fangen wir mit der Multi-Enterprise-ERP-Plattform an. Was hat es damit auf sich?
Dahinter steckt die Übernahme von GT Nexus durch Infor. GT Nexus ist mit 25.000 Kunden die größte Cloud-basierte Global-Commerce-Plattform der Welt. Diese Plattform erlaubt es, über Lieferketten hinweg Wertschöpfungsdaten bereitzustellen. Vereinfacht gesagt geht es dabei um die Integration mit Lieferanten und Partnern eines Unternehmens. Die GT-Nexus-Plattform stellt die Zusammenhänge zwischen Lieferanten, Auftragsfertigern und Logistikdienstleistern dar und wir verbinden das nun mit der Funktionalität eines ERP-Systems. Ziel ist, eine ERP-Lösung anbieten zu können, die Cloud-basiert über mehrere Unternehmen hinweg arbeitet.

Und das können ERP-Systeme derzeit noch nicht?
ERP-Lösungen sind ja grundsätzlich für ein Unternehmen gedacht und reichen typischerweise nicht über Unternehmensgrenzen hinaus. Die Prozesse aber schon. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel über seinen Einkauf Teile für die eigene Produktion bestellt, dann führt das zu einer engen Verzahnung mit einem anderen Unternehmen. Und die Logistik wird möglicherweise von einem dritten Unternehmen übernommen. Traditionelle ERP-System sind aber nur darauf ausgelegt, innerhalb der eigenen Unternehmensstruktur für Transparenz zu sorgen und würden nicht Daten transparent machen, die bei zugekauften Teilen oder bei Logistikketten anfallen. Diesen Bereich deckt GT Nexus ab und Infor kann damit in Zukunft eine Multi-Enterprise-ERP-Plattform anbieten.

Wie sieht so eine Multi-Enterprise-ERP-Plattform in der Praxis aus?
Mit Multi-Enterprise-ERP-Funktionalität können die Mitarbeiter im eigenen ERP-System Informationen zur Logistikkette sehen, die ja oft von einem externen Dienstleister betreut wird. Zum Beispiel, wo sich ihre Waren auf dem Weg zum Kunden gerade befinden. Das ist heute in den ERP-Systemen so nicht ersichtlich. Um diese Informationen zu bekommen, müssten die Mitarbeiter in andere Systeme wechseln, zum Beispiel in das vom Logistikdienstleister. In Zukunft wird dies das eigene ERP-System anzeigen können, damit der Nutzer jederzeit Einblick und Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette hat. Als ob es ein einziges Unternehmen wäre.

Wann wird GT Nexus in die Infor-Produkte integriert?
Als Erstes wird GT Nexus in den nächsten 4 bis 5 Monaten in unsere größten  ERP-Lösungen Infor LN und Infor M3 integriert, danach folgen Schritt für Schritt die anderen Teile des Infor-Produktportfolios.

Wird GT Nexus auch weiterhin mit ERP-Systemen der Konkurrenz funktionieren?
Bestehende GT-Nexus-Lösungen werden natürlich weiter funktionieren und auch Neukunden müssen nicht Infor-ERP-Systeme verwenden, um GT Nexus einsetzen zu können. Trotzdem soll die tiefe Integration mit dem ERP-System – Stichwort Multi-Enterprise-ERP – in Zukunft schon einen Wettbewerbsvorteil für ERP-Systeme von Infor darstellen.

Was steckt hinter der zweiten großen Neuerung auf dem Inforum, dem „Lift and Shift“-Programm?
Lift and Shift ist eine Erweiterung des UpgradeX-Programmes, das Infor-Bestandskunden den Weg zu einer Cloud-Lösung ebnen soll. Im Kern geht es dabei um die möglichst einfache und schnelle Modernisierung von On-premise-ERP-Lösungen in drei Phasen. In der ersten Phase, dem Lift, werden bestehende ERP-Systeme von Infor wie zum Beispiel Baan oder Movex samt individuellen Anpassungen auf eine SaaS-Plattform gehoben. Die Bestandslösung wird dabei von Infor komplett übernommen und auf Basis von Amazon Web Services weiterbetrieben. Dieser Schritt ist abhängig von der Anzahl der Modifikationen in vier bis sechs Wochen abgeschlossen. In der zweiten Phase, dem Shift, erfolgt dann die Modernisierung der ERP-Lösung. Dabei heben wir die bereits in die Cloud überführte alte ERP-Lösung auf die neueste Infor-Produktgeneration.

Und was passiert in Phase drei?
Phase drei ist die kontinuierliche Optimierung. Es ist ja generell bei Cloud-Lösungen üblich, dass der Anbieter permanent die neuesten Produktfunktionalitäten zur Verfügung stellt und der Kunde entscheiden kann, ob er sie anwenden will oder nicht. Das Lift-and-Shift-Programm erlaubt Kunden damit, den Nutzen einer Cloud-Lösung relativ schnell zu realisieren. Würde man den klassischen Weg gehen, dann würde man ja das alte ERP-System on-premise weiter betreiben, während man gleichzeitig das neue Cloud-System aufbaut. Das machen wir praktisch in einem.

Sind denn europäische Unternehmen beim Thema ERP aus der Cloud inzwischen aufgeschlossener?
Es wird zwar im deutschsprachigen Raum, was die Cloud betrifft, noch mehr geredet als gemacht, aber zumindest wollen Kunden inzwischen fast immer wissen, was denn eine Cloud-ERP-Lösung im Vergleich zur On-premise-Variante kosten würde. Global betrachtet hat unser SaaS-Geschäft im vergangenen Finanzjahr um 60 Prozent zugelegt und die Zahl der SaaS-Abonnenten ist um 300 Prozent gewachsen. Besonders unsere branchenspezifischen Cloud Suites kommen gut an, da sie eine relativ rasche Implementierung erlauben.

Was bedeutet das Ende von Safe Harbour für einen Cloud-Anbieter mit Sitz in den USA wie Infor bzw. euren Partner Amazon Web Services?
Infor bereitet gerade ein offizielles Statement zu diesem Thema vor und diesem Statement möchte ich nicht vorgreifen.

Das Gespräch führte Oliver Weiss.

Andreas Anand:
Andreas Anand arbeitet seit Ende 2013 bei Infor als Vice President im Bereich Consulting Services. Davor war er als Senior Vice President Global Service beim Software-Hersteller PTC tätig. Die Basis für seine Karriere im Beratungsgeschäft legte der studierte Maschinenbauingenieur als Manager bei A.T. Kearney Management Consultants und Projektmanager bei Fichtner Consulting Engineers.


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