Forscher der Western Illinois University haben eine Korrelation zwischen übermäßig narzisstischer Persönlichkeit und der Anzahl der Facebook-Freunde einer Person gefunden. [...]
Personen mit hohen Testergebnissen in den potenziell antisozialen Persönlichkeitszügen Selbstverliebtheit, Eitelkeit, exhibitionistischen Tendenzen und Überlegenheitsgefühlen neigen laut den Wissenschaftlern dazu, sich überdurchschnittlich viele Freunde zuzulegen.
„Das Ergebnis passt zum theoretischen Verständnis von Narzissmus. Jeder Mensch ist bis zu einem gewissen Grad Narzisst. Personen mit hohen Werten auf diesem Gebiet brauchen Bestätigung zur Aufwertung des Selbstwertgefühls, während ein Mensch mit gesundem Maß an Narzissmus sich über Lob lediglich freut. Facebook bietet eine gute Bühne, um mehr Kontakte zu knüpfen, die dann vermeintlich Bestätigung für Narzissten bieten“, erklärt Jens Hoffmann vom Institut Psychologie und Bedrohungsmanagement im Gespräch mit der Nachrichtenagentur pressetext.
PROFIL-AUFPUTZ Die US-Forscher haben herausgefunden, dass Menschen, die in einem Persönlichkeitstest zum Feststellen narzisstischer Neigungen hohe Werte erreichen, mehr Freunde bei Facebook haben, sich öfter selbst taggen und mit höherer Frequenz posten. Außerdem wechseln ausgeprägt selbstverliebte Personen öfter ihr Profilfoto und reagieren ungehaltener auf sie betreffende negative Aussagen. „Facebook ist deswegen aber kein Spielplatz für Narzissten. Im sozialen Netzwerk werden lediglich soziale Strukturen abgebildet. Dort finden sich sämtliche Persönlichkeitstypen, die es auch offline gibt“, so Hoffmann.
Für ihre Studie haben die Wissenschaftler aus Illinois die Facebook-Gewohnheiten von 294 Studenten im Alter von 18 bis 65 Jahren überprüft. Mittels eines Fragebogens wurden die Probanden auf mehrere Merkmale von Narzissmus hin getestet. Probanden, die in allen Kategorien hohe Werte erreichten, hatten nicht nur überdurchschnittlich viele Facebook-Freunde – einige im vierstelligen Bereich – sondern waren auch eher bereit, Anfragen von Fremden anzunehmen. „Persönlichkeitsvorverurteilungen sind gefährlich. Solange keine Person verletzt wird, ist das Ausleben solcher Tendenzen im Netz in Ordnung“, so Hoffmann.
Die Studie der Western Illinois University ist die erste, die einen direkten Zusammenhang zwischen der Anzahl der Freunde und Narzissmus hergestellt hat. Dass Facebook eine gute Plattform für Narzissten ist, ist aber vorher schon vermutet worden. Einige Wissenschaftler vermuten sogar, dass der Einfluss sozialer Netzwerke Kinder zunehmend narzisstisch macht, weil das Bild, das andere von einem haben, immer wichtiger wird. „Wo Menschen ihren Narzissmus ausleben, ist egal. Wenn es nicht bei Facebook geschieht, dann halt eben anderswo“, relativiert Hoffmann.
Ob zunehmender Narzissmus zu anderem Nutzungsverhalten in sozialen Netzwerken führt oder das Nutzungsverhalten bei Facebook und Co. mehr Selbstverliebtheit bedingt, ist nicht eindeutig festzustellen. Der Leiter der US-Studie möchte die „dunkle Seite von Facebook“ jedenfalls im Auge behalten, um sie im Zaum zu halten und gegebenenfalls sozial erwünschte Aspekte zu fördern. „Ich denke nicht, dass soziale Netzwerke in der Einschränkung beschnitten werden sollten, nur weil sich – wie im richtigen Leben – Narzissten in unterschiedlichen Ausprägungen dort tummeln“, so Hoffmann. (pte)
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