Österreichs holpriger Weg zur KI-Fitness

Österreich steht vor einer Herausforderung: Der aktuelle Digital Skills Barometer 2024 offenbart erhebliche Lücken im KI-Wissen der Bevölkerung. Diese Defizite könnten das Land daran hindern, seine digitale Zukunft erfolgreich zu gestalten. Der Bericht wurde Mitte Juli von einer hochkarätigen Expertenrunde präsentiert. [...]

Martin Heimhilcher (WKW), Hermann Erlach, (Microsoft Österreich), Patricia Neumann (Siemens AG Österreich), Christoph Becker (ETC) und Hans Greiner (Cisco Österreich) (c) C. Menschhorn
Martin Heimhilcher (WKW), Hermann Erlach, (Microsoft Österreich), Patricia Neumann (Siemens AG Österreich), Christoph Becker (ETC) und Hans Greiner (Cisco Österreich) (c) C. Menschhorn

Die Untersuchung zeigt, dass das Grundlagenwissen zu KI bei den „Online-Österreichern“ oft überschätzt wird. Der Erhebung liegt der Kompetenzbegriff zugrunde, der das Verständnis und Wissen, die Fertigkeiten und Einstellung dieses Wissen anzuwenden, sowie die eigene Wirksamkeit in der Nutzung von Technologien umfasst. Während viele ihr Wissen als solide einschätzen, erreichen sie tatsächlich nur die Stufe des elementaren Basiswissens. Es besteht eine Überschätzung von 50 Prozent, was bedeutet, dass viele Menschen direkte Anleitungen für einfache KI-basierte Routinearbeiten benötigen. Um eigenständig KI-Aufgaben zu bewältigen, sind jedoch deutlich höhere Kompetenzstufen erforderlich.

Wissens- und Nutzungslücken

Die größten Defizite liegen in den Bereichen „Grundlagen, Zugang und digitales Verständnis“, „Umgang mit Informationen und Daten“ sowie „Sicherheit und nachhaltige Ressourcennutzung“. Trotz des generellen Interesses an KI geben 52 Prozent der Befragten an, keine KI-Anwendungen zu nutzen, oft aufgrund mangelnden Wissens und Sicherheitsbedenken. Jene, die KI nutzen, setzen vor allem auf Übersetzungstools und Textgeneratoren, während fortschrittlichere Anwendungen wie Predictive Analytics und KI-Bildgeneratoren noch selten genutzt werden.

Ein deutlicher Unterschied zeigt sich zwischen den Geschlechtern und Generationen: Frauen schneiden durchschnittlich in der Selbsteinschätzung und im KI-Wissen schlechter ab als Männer. Korrelationen gibt es mit Blick auf das Geschlecht wiederum – wie bereits in den Digital Skills Barometer der Vorjahre zu allgemeinen digitalen Kompetenzen erhoben – mit der Technologieaffinität. Die jüngste Altersgruppe, die Zoomer (16 bis 29 Jahre), überschätzen ihr KI-Wissen dagegen erheblich. Während 72 Prozent der Zoomer KI-Anwendungen nutzen, sind ältere Generationen zurückhaltender und weniger überzeugt von der Relevanz von KI für ihre berufliche Zukunft.

KI im betrieblichen Kontext

Gemäß letztem Länderbericht Österreich der Europäischen Kommission zur Digitalen Dekade nutzen gerade einmal 11 Prozent der österreichischen Unternehmen KI-Anwendungen und nur 24 Prozent Data Analytics. Durchschnittlich 50 Prozent der Führungskräfte in österreichischen Unternehmen (mit strategischer, Mitarbeiter- oder Budget-Verantwortung) sehen bei der Umfrage die Top-Hemmnisse für den KI-Einsatz in ihren eigenen Unternehmen im „Mangel an Fachwissen“ (57 Prozent), „unklaren rechtlichen Vorgaben“ (54 Prozent) und „Akzeptanz der Mitarbeitenden und des Managements“ (49 Prozent).

Sieht man auf die Mitarbeitenden-Seite, so geben 28 Proeztn der Arbeitnehmenden an, dass KI-Systeme und -Anwendungen in den kommenden 5 Jahren eine hohe bis sehr hohe Relevanz haben werden. Fast die Hälfte der österreichischen Erwerbstätigen, die sich in der digitalen Welt bewegen, gibt an, dass neue Geschäftsfelder entstehen und sich Jobprofile verändern werden (je 48 Prozent). Knapp 40 Prozent sehen die Notwendigkeit, interne Kompetenzen und Ressourcen mit KI-Fokus aufzubauen, weil nicht ausreichend KI-Wissen und -Kompetenzen im Unternehmen vorhanden sind. Über 50 Prozent würden KI-Anwendungen dann nutzen, wenn dies ihre Arbeit verbessert und neue oder bessere Ideen für die eigenen Tätigkeiten entstehen.

Bildung und Weiterbildung

Der Bildungssektor steht vor der Aufgabe, die Bevölkerung besser auf die Nutzung von KI vorzubereiten. Derzeit geben knapp 70 Prozent der „Online-Österreicher“ an, in ihrer formalen Ausbildung nicht ausreichend auf KI-Anwendungen vorbereitet worden zu sein. Es bedarf kontinuierlicher Evaluierung und Qualifizierung, um die KI-Skills-Mismatches zu erkennen und zu beheben.

Um das Bewusstsein und die Akzeptanz von KI zu fördern, seien mediengesteuerte Informationsmaßnahmen und öffentliche Diskurse notwendig. Eine multimediale Informations- und Aufklärungskampagne könnte laut den Studienmachern helfen, Ängste abzubauen und eine menschenzentrierte KI-Nutzung zu fördern.

„Die Ergebnisse aus dem Digital Skills Barometer zu KI liefern uns ein fundiertes, evidenzbasiertes Verständnis, in welchen Bereichen konkret angesetzt werden muss, um die Potenziale , die durch den Einsatz von KI möglich sind, auch realisieren zu können. KI ist inzwischen ein integraler Bestandteil in vielen Anwendungen und das wird sich über die kommenden Jahre noch verstärken. Es braucht daher mehr Bewusstsein für moderne Technologien wie KI, aber vor allem einen kompetenten, menschenzentrierten Umgang damit. Daher benötigen wir KI-Stewards im Bildungswesen und in den KMU, um die Grundlagen für eine sichere KI-Anwendung zu schaffen“, sagt Patricia Neumann, Vorstandsvorsitzende der Siemens AG und Vizepräsidentin von fit4internet.

„Noch ist das learning mindset der Österreicher insbesondere im Bereich der KI-Kompetenzen nicht ready für die KI-Entwicklungen. Wir sehen darin die Chance als Gesellschaft zu wachsen und mit dem Ausbau unserer KI-Kompetenzen zukunftsfähiger, wettbewerbsfähiger und resilienter zu werden. Der Dreiklang von KI-Selbstwahrnehmung und -Einstellung, KI-Technologieverständnis und KI-Grundlagenwissen stellt einen wichtigen Ansatzpunkt dar“, ergänzt Christoph Becker, Geschäftsführer von ETC. Österreich habe das Potenzial, durch gezielte Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie durch die Förderung von Technologieaffinität und KI-Kompetenzen, den Anschluss an die digitale Zukunft nicht zu verpassen. Es ist entscheidend, dass Unternehmen, Bildungseinrichtungen und die Gesellschaft gemeinsam an einem Strang ziehen.


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