„Open Source muss man als Projekt begreifen“

Open Source fühlt sich im Business-Applikationsbereich zunehmend wohl. Und die Kunden schätzen die Flexibilität und die Unabhängigkeit von den großen Herstellern. Die COMPUTERWELT sprach in Wien mit Vertretern von Alfresco und it-novum. [...]

Alfresco und it-novum veranstalteten Anfang September im Wiener Hotel Sacher einen Experten-Brunch in Sachen Open Source. Die COMPUTERWELT sprach mit Michael Kienle, Geschäftsführer von it-novum, und Christoph Volkmer, Regional Vice President DACH bei Alfresco.

Wie war das Feedback der österreichischen Besucher Ihrer Veranstaltung?
Christoph Volkmer:
Österreich ist von der Anzahl und Qualität der Leads besser als große Teile Deutschlands. Daher ist es sehr reizvoll, hier gemeinsam mit it-novum aktiv zu werden. Ich habe vor kurzem die DACH-Region bei Alfresco übernommen. Als ich kam, hatten wir hier drei Mitarbeiter, heute sind es 24, einer davon auch hier.
Michael Kienle: Alfresco hat Produkte vorgestellt, um zu zeigen, wohin die Reise geht. Bei Alfresco steht der Plattform-Gedanke im Vordergrund. Eine Plattform, mit der ich mit den richtigen Apps und dem Know-how eine sehr gute und moderne ECM-Plattform bauen kann.

Die IT steht heute unter einem großen Transformationsdruck. Welche Rolle spielt Open Source?  
Kienle:
Wir sehen drei große Gründe, warum Unternehmen Open-Source-Projekte machen. Das eine sind die Kosten. Je größer das Unternehmen, desto mehr zahlt es sich aus. Der zweite Punkt ist die Reduzierung der strategischen Abhängigkeit von Major-Super-Vendors. Braucht eines dieser Unternehmen mehr Umsatz, werden die Wartungskosten einfach von 18 auf 22 Prozent erhöht. Die Kunden zahlen, weil sie keine andere Wahl haben. Das hat viele dazu bewogen, sich zu fragen, ob Open Source nicht eine Alternative ist. Der dritte Punkt ist die Flexibilität, die Integrationsfähigkeit. Die IT muss heute vor allem Prozesse enablen und unterstützen. Die Prozesse sind aber nicht in einem System abbildbar, sondern zwischen Menschen und Systemen. Diese Integration ist mit Open Source viel einfacher.
Volkmer: Um heute sicher zu sein, brauchen Sie eine Open-Source-Lösung, Stichwort NSA. In allen amerikanischen Standardprodukten ist eine Backdoor für NSA drinnen. Sie wissen aber nicht wo. Sie können sie auch nicht zumachen, der Schlüssel liegt bei der NSA. Open Source ist transparent. Dazu kommt etwas ganz Dramatisches in allen Branchen: Das Business-Modell, etwa beim Retail oder bei Banken, wandelt sich über Nacht.

In welchen Business-Bereichen kann Open Source besonders reüssieren?
Kienle:
Wir sehen die Vorteile von Open Source, sind aber nicht die Fundamentalisten, die sagen, dass Open Source die Antwort auf alle Fragen ist. Wir haben den Begriff „hybrid“ geprägt, „Mixed Source“. Es muss nicht alles Open Source sein, deshalb macht auch die Integrationsfähigkeit mit Closed Source für viele Sinn. Wenn der komplette Stack SAP ist, fange ich nicht an, alles hinauszuschmeißen, um auf Open Source zu gehen. Ich würde nicht empfehlen, die Finanzbuchhaltung mit Open Source zu bestücken. Wenn ich aber ohnehin in ein ECM-System investieren muss, wozu soll ich weitere SAP-Lizenzen kaufen und die Sackgasse manifestieren?

Open Source hat auch Schwächen wie etwa den hohen Integrationsaufwand.
Kienle:
Open Source hat nicht nur Vorteile. Doch auch bei den Standardprodukten ist die Integration oft langwieriger als versprochen. Open Source ist kein Produkt, man muss es als Projekt begreifen: Projektmanagement, klare Definition, was man will, Support-Konzepte, die weitreichend sind, und Sie brauchen entsprechende Ressourcen.
Volkmer: Open Source ist kein Dogma-streit mehr, das ist jetzt vorbei. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Welt in zehn Jahren eine Marktplatz-, eine App-Welt sein wird. Sie erreichen diese Welt nur über eine Community. Wir tun uns damit viel leichter als ein klassischer Hersteller.

Das heißt, Open Source ist erwachsen geworden?
Kienle:
Absolut. Man merkt natürlich die unterschiedlichen Reifegrade. In manchen Infrastrukturbereichen wird Open Source ohnehin nicht mehr in Frage gestellt. Auch im Applikationsbereich wird der Reifegrad weiter wachsen, so dass in ein paar Jahren nicht mehr gefragt wird, Open Source oder nicht. Letzte Bastionen sind Financial und ERP.

Das Gespräch führte Wolfgang Franz. Das ausführliche Interview lesen Sie unter www.itwelt.at.


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