Orange-Chef Michael Krammer warnt vor einer kurzfristigen "pseudo-konsumentenfreundlichen" Regulierungspolitik, da dies mittelfristig den Technologiestandort Österreich schade. [...]
So erfreulich der Boom bei Datendiensten und weiterhin auch bei der Sprachtelefonie sei, „die Industrie konnte das leider nicht zu Geld machen“, meinte Krammer im Gespräch mit Journalisten.
Gleichzeitig seien in den USA Internetgiganten entstanden, die alte europäische Industriekonzerne wie die Deutsche Telekom „aus der Handkassa bezahlen“. Für Apple gebe es dazu noch die Telekom Austria als kleine Draufgabe, meinte er. Er rechnete vor: Vereinfacht angenommen, jede Sprachminute, jede SMS und jedes MB ist eine Einheit. Dann wurden 1996 durchschnittlich von jedem Handynutzer 145 Einheiten monatlich verbraucht. 2011 waren es bereits 457 Einheiten pro Monat. Gleichzeitig ist der Umsatz pro SIM-Karte von 33 auf 19 Euro pro Monat zurückgegangen. „Somit ist der Umsatz je Einheit von 23 auf 4 Cent gesunken“, rechnete Krammer exemplarisch vor. Die Folge sei, dass den Unternehmen das Geld für Investitionen fehle – und die gesamte Telekomindustrie weiter Richtung Asien abwandere. Schon jetzt käme die Hardware fast ausschließlich aus dieser Region.
Und auch die großen Telcos würden sich zusehends von Europa abwenden – etwa die britische Vodafone oder die France Telecom. Letztere verkauft gerade ihre Tochter Orange Österreich an den chinesischen Großkonzern Hutchison („3“), derzeit prüft die Wettbewerbsbehörde. Krammer ist optimistisch, dass trotz der sehr kritischen Töne der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) der Deal planmäßig bis zum Sommer über die Bühne geht. Sollte die BWB oder die EU Nein sagen, habe man aber einen „Plan B“ versichert er. Und er ließ – wie schon zuletzt „3“-Chef Jan Trionow – keinen Zweifel offen: Scheitert die Übergabe von Yesss! an A1, ist der ganze Deal Geschichte.
Ein Wettbewerbsproblem gebe aber schon deswegen nicht, weil es bei dem kritisierten Verkauf der Orange-Diskonttochter Yesss! an Marktführer A1 nur um eine minimale Umsatzverschiebung gehe. Hier gehe es am Gesamtmarkt nicht einmal um ein Prozent das Umsatzes, rechnete er vor. Der Kundenanteil liege zwar bei sechs Prozent, aber Wertkartenkunden seien ohne Marketingmaßnahmen sehr schnell weg. Und er stellte zu diversen Spekulationen über eine angespannt Finanzlage klar: „Orange Österreich ist kerngesund und voll ausfinanziert. Wir sind bei der Profitabilität die Nummer zwei hinter A1.“
Sein Vertrag lauft jedenfalls bis zum Closing, dann sei alles offen. Was er sicher nicht werde? Chef von „3“, Boss der Telekom Austria und Frühpensionist. Der Job eines CEO in einem teilstaatlichen Unternehmen sei an sich undankbar, da sich ein Aktionär, dem nur ein kleiner Teil gehört – sprich der Staat – erwartet, dass man das Unternehmen ausschließlich in seinem Sinne führt. Krammer nutzte seinen möglicherweise letzten öffentlichen Auftritt als Orange-Boss, sich eindringlich bei all seinen Mitarbeitern zu bedanken. Er hatte selbst in Krisenzeiten eine Arbeitsplatzgarantie abgegeben und den Mitarbeiterstand in den vergangenen Jahren bei 800 stabil gehalten.
Das Zusammengehen von Orange und „3“ würde sich anfangs nur in der Chefetage bemerkbar machen. Auf Dauer würde sich die Übernahme aber schon auf die Mitarbeiteranzahl auswirken, internationale Vergleiche zeigen, dass knapp 20 Prozent des Gesamtpersonals eingespart werden, so Krammer. Der ehemalige Bundesheer-Offizier und leidenschaftliche Radfahrer hatte einst Telering groß gemacht (legendär der Slogan „Weg mit dem Speck“) und war danach in den Chefsessel der deutschen E-Plus gewechselt, um dann die Überführung von One in Orange zu managen. (apa)
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