Arbeitgeber unterschätzen nach wie vor das Thema Krisenkommunikation, wie die jüngsten Beispiele in Deutschland bei VW und dem DFB zeigen. Die meisten Unternehmen haben keinen Plan und sind daher hilflos, wenn es einmal kracht. [...]
In vielen Unternehmen ist das Thema „Krise“ Tabu. Von „Herbeireden“ ist da oft die Rede. Vielleicht ist das der Grund, weshalb nur etwa die Hälfte der Unternehmen überhaupt einen Krisenkommunikationsplan hat. Doch auch bei Firmen, die auf dem Papier gut vorbereitet erscheinen, steht der Krisenplan nur im Schrank und setzt Staub an. Wie schnell ein Unternehmen Probleme bekommen kann, zeigt der aktuelle Fall von Volkswagen. „Dieselgate“ trifft das Unternehmen hart. Kursverluste, Auftragsstornierungen, Zahlungen voraussichtlich in Milliardenhöhe und in jedem Falle ein immenser Imageverlust. Doch diese Krise betrifft nicht nur VW. Auch die Zulieferer sind betroffen.
Einer der prominentesten Krisenfälle in der IT-Branche stammt aus dem Jahr 1994. Intel hatte den Pentium ausgeliefert, und alle waren glücklich. Nur einer nicht. Der Mathematiker Thomas Nicely fand bei seinen Berechnungen einen Fehler im damaligen Pentium-Chip. Er informierte Intel, aber das Unternehmen wollte davon nichts wissen. Also postete Nicely daraufhin in einer Newsgroup seine Vermutungen und Erfahrungen mit dem neuen Pentium-Chip. Innerhalb kürzester Zeit meldeten sich viele tausend Nutzer und berichteten über ihre Erfahrungen. Immer mehr Newsgroups entstanden und diskutierten nur noch ein Thema: den Fehler des Pentium-Chips. Intel mauerte sich weiter ein. Als IBM das mitbekam, drohte der Konzern, die Pentium-Chips nicht mehr einzusetzen. Erst in diesem Augenblick reagierte Intel. Konsequenz der schlechten Kommunikation: Intel musste alle ausgelieferten Chips austauschen und sich öffentlich entschuldigen.
Nach solchen Vorkommnissen sollte Krisenkommunikation eigentlich zum kleinen 1×1 der Unternehmenskommunikation gehören. Jede Firma sollte sich auf die Kommunikation in einer Krise vorbereiten. Doch das passiert aktiv nur selten. Selbst bei Arbeitgebern, die einen Krisenkommunikationsplan haben, wird dieser selten durch Übungen auf seine Belastbarkeit hin überprüft. Oft sind die Daten veraltet,
Telefonnummern stimmen nicht mehr, die Zuständigkeiten haben sich verändert oder der Ansprechpartner ist gar nicht mehr im Unternehmen. Außerdem fehlen den meisten Verantwortlichen die entsprechenden Schulungen, damit sie im Krisenfall auch selbst beispielsweise einem Fernsehteam vor der Kamera Rede und Antwort stehen könnten. Aus der Geschichte etwas gelernt? Bei vielen Unternehmen ist das nicht der Fall.
LAUFFEUER
Waren bei der Intel-Krise überwiegend nur Newsgroups und die klassischen Medien beteiligt, so spielen heute auch die sozialen Medien eine wichtige Rolle. Twitter hat erst durch die Landung einer Boeing auf dem Hudson River einen enormen Zuspruch erfahren. Die Geschwindigkeit, mit der die Geschichte um die Welt ging, war rasant. Und das war letzten Endes sogar eine gute Nachricht. Und darüber heißt es: „Die gute Nachricht ist eine Schnecke, die schlechte Nachricht ist ein Windhund.“ Schlechte Nachrichten verbreiten sich wie ein Lauffeuer und können – Facebook und Co. sei Dank – mit einem Mausklick geteilt werden. So kann aus einer schlechten Nachricht in kürzester Zeit eine handfeste Krise werden.
Ohne entsprechend geschulte Mitarbeiter und ein in praktischen Übungen überprüftes Krisenkommunikationskonzept, kann ein Unternehmen eine Krise nur schwer unbeschadet überstehen; manchmal wird aus Unwissenheit heraus oder mangels qualifiziertem Personal die Krise sogar noch angefacht und entwickelt sich deshalb zur Katastrophe. Das gilt es zu vermeiden. Aber wie?
SZENARIOS UND ABLAUFPLÄNE
Diese Erfahrung muss jeder, der öfter mit Medienvertretern zu tun hat, machen. Negative Nachrichten haben nun einmal einen höheren Nachrichtenwert als positive Botschaften. Umso wichtiger ist es, Kommunikation gerade für Krisen zu planen und entsprechend vorzubeugen. Das beste Mittel, einen Imageschaden abzuwenden oder zumindest so klein wie möglich zu halten, ist, die Krise entweder erst gar nicht entstehen zu lassen, oder sich möglichst wenig von ihr überraschen zu lassen.
Wenn die Krise eintritt, ist es meistens zu spät, um über die Schadensbegrenzung nachzudenken. Dann sind alle mit der Krise selbst vollauf beschäftigt.
Zunächst sollte man sich Klarheit verschaffen, welche Krisen in einer Institution überhaupt auftreten könnten. Nach dem Sammeln aller möglichen Risikofaktoren lassen sich mögliche Krisensituationen ein- und abschätzen. Szenarios und Ablaufpläne für die einzelnen Situationen lassen sich erarbeiten. Natürlich gibt es in der Planung jeder Krise Grenzen und kaum eine Presseabteilung wird bereits im Voraus alle möglichen Facetten einer Krisen-PR abschätzen können. Doch ohne Plan, haben Unternehmen kaum eine reelle Chance.
Wer glaubt, dass Krisenkommunikation nur die Pressestelle betrifft, der irrt. Vertrauen spielt überall eine Rolle. Auch deshalb ist Krisenmanagement Chefsache, denn es betrifft alle Kommunikationsebenen eines Unternehmens. Wie ist die Kommunikation mit den Kunden bei einer Beschwerde? Wie kommunizieren die Mitarbeiter untereinander und mit den Vorgesetzten?
Die gesamte Unternehmenskommunikation ist Bestandteil der Krisenkommunikation. Fehler können eine Krise verschärfen, beispielsweise wenn unzufriedene Kunden oder auch Mitarbeiter die Chance zu publikumswirksamem Meckern nutzen.
* Der Autor Ralph Dalibor ist Coach und Spezialist für Krisenkommunikation.
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