Der Europäische Gerichtshof hat die Diskussion um die Festplattenabgabe in Österreich neu angeheizt. Dabei zeigt sich auch, wie unterschiedlich die Rechtsansichten in dieser Causa sind. [...]
Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs sorgt für neues Konfliktpotenzial in der ohnehin schon aufgeheizten Diskussion um die möglicherweise noch dieses Jahr anstehenden Entscheidung für oder gegen die sogenannte Festplattenabgabe. Das Urteil besagt, dass bei der Festlegung der Vergütung für Privatkopien unrechtmäßige Vervielfältigungen – sprich Raubkopien – nicht berücksichtigt werden dürfen. Sowohl Gegner als auch Befürworter der Festplattenabgabe sehen ihre Argumente durch dieses Urteil bestätigt. Die Diskussion scheint festgefahren: Gegner der Festplattenabgabe, zum Großteil im Lager des Elektronik-Handels und der Mobilfunker, warnen vor einer Verteuerung von Geräten, angefangen bei externen Speichermedien über Computer bis hin zu Smartphones und Tablets, die auf die Konsumenten zukommen könnte. „Im Falle der gesetzlichen Verankerung einer Festplattenabgabe würde ein Belastungspaket in geschätzter Höhe von 45 Mio. Euro die Branche hart treffen. Im Durchschnitt würde die Festplattenabgabe Mobilfunkgeräte in Österreich um bis zu 30 Euro pro Device verteuern“, warnt die „Internetoffensive Österreich“ (IOÖ), ein Zusammenschluss österreichischer IKT-Unternehmen.
„Das derzeitige System oder gar eine Ausweitung der Abgaben auf Festplatten ist nicht mehr zeitgemäß. Eine pauschale Belastung der Branche und damit der Konsumenten, die diese Kosten tragen müssen, ist für alle Mobilfunkanbieter in Österreich inakzeptabel“, sagt Andreas Bierwirth, CEO von T-Mobile Austria und IOÖ-Vorstand.
„Die rechtliche Unterscheidung zwischen Raubkopie und Privatkopie durch den Europäischen Gerichtshof stellt die Urheberrechtsdiskussion in Österreich auf eine völlig neue Basis“, sagt auch Thomas Schöfmann, Geschäftsführer von Conrad Electronic Österreich und Sprecher der Plattform für ein modernes Urheberrecht, einem der erbittertsten Gegner der Festplattenabgabe. „Man kann nicht einfach die Konsumenten und Steuerzahler auf Basis von falschen Tatsachen zur Kasse bitten.“ Als „zeitgemäßes Alternativmodell“ schlägt die Plattform einen technologieneutralen Kulturbeitrag von 50 Cent monatlich pro Haushalt vor.
NICHT IN EINEN TOPF
Aber auch die österreichischen Verwertungsgesellschaften sehen ihre Argumentationsgrundlage durch das Urteil bestätigt. „Privatkopie und Raubkopie sind zwei Paar Schuhe, die man nicht miteinander vermischen darf“, so Franz Medwenitsch, Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft LSG. „Die Festplattenabgabe soll die Kunstschaffenden ganz klar für jene Privatkopien entschädigen, die aus legalen Quellen stammen. Dass das EuGH-Urteil die Festplattenabgabe obsolet macht, wie es die Lobbyingplattform des Elektrohandels nun darstellt, entbehrt jeglicher Grundlage.“ Auch das Argument der Verteuerung der Geräte versuchen die Verwertungsgesellschaften zu entkräften: Zum Teil hebe der Handel bereits jetzt die Abgabe ein, leite diese aber nicht an die Verwertungsgesellschaften weiter. „Wir glauben nicht, dass es zu wesentlichen Verteuerungen kommen wird. Erstens, weil der Handel die Abgabe zum Teil bereits eingepreist hat und zweitens, weil Geräte in Nachbarländern, auch nach gesetzlicher Einführung der Speichermedienvergütung, das gleiche Preisniveau wie in Österreich aufweisen“, erklärt Gernot Graninger, Geschäftsführer der austromechana.
Hintergrund ist, dass die Einnahmen aus der bestehenden Leerkassettenvergütung – die seit Jahren besteht und von den Konsumenten auf „klassische“ Leermedien wie CD, DVD oder VHS-Kassetten bezahlt wird – in den letzten Jahren drastisch gesunken sind. Das Argument der Festplattenabgabe-Unterstützer: Wenn es nicht bald zu einer Lösung komme, sei die Existenzgrundlage vieler Kunstschaffenden ernsthaft bedroht. (rnf/cb)
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