Problem Daten-Wildwuchs

Die Staufen-Studie "Digitalisierung 2024" zeigt, dass sechs von zehn Industrieunternehmen in der DACH-Region Defizite bei der Analyse ihrer Daten haben. "In vielen Unternehmen herrscht ein regelrechter Daten-Wildwuchs". Michael Feldmeth, der bei der Staufen AG die Practice Unit Digital & Industrie 4.0 leitet, im ITWelt.at-Interview. [...]

Michael Feldmeth ist Leiter Practice Unit Digital & Industrie 4.0 bei der Staufen AG. (c) Staufen AG
Michael Feldmeth ist Leiter Practice Unit Digital & Industrie 4.0 bei der Staufen AG. (c) Staufen AG

Wie sehen typische Szenarien aus, die aus der von Ihnen beschriebenen oberflächlichen Datenanalyse resultieren?

Im einfachsten Fall sehen Unternehmen nur isolierte Zahlen aus verschiedenen Bereichen und wissen zu wenig über die Zusammenhänge zwischen ihnen. Sie sehen also vor lauter Zahlen den KPI-Wald nicht mehr. Das hat in vielen Fällen zwei ungünstige Folgen: die Durchlaufzeit in der Fertigung steigt, während gleichzeitig die Qualität der hergestellten Produkte sinkt.

Mangelhafte Datenanalysen führen dazu, dass die Kernursachen nicht erkannt werden und das Management nur an den Symptomen herumdoktert. Im schlimmsten Fall führt dies zu einer sinkenden Zufriedenheit der Kunden und in der Folge ihrer Abwanderung. Das Worst-Case-Szenario ist dann erreicht, wenn ein Unternehmen schleichend seine Wettbewerbsfähigkeit verliert.

Zur Vermeidung solcher Szenarien müssen die Unternehmen konse-quent an den Themen Datenmanagement, Datenanalyse und -nutzung arbeiten. In der Zukunft werden die Herausforderungen eher mehr als weniger: Wachsende Datenmengen, steigende Komplexität und starke Wettbewerber sorgen für Zugzwang.

Das Pendel schlägt in Richtung weiterer Spezialisierung der Software-Landschaft aus. Bedeutet das, dass die von Ihnen beschriebenen Probleme sich weiter verschärfen?

Der Softwaremarkt wächst unglaublich schnell und ist mittlerweile schwer überschaubar. Das hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass auch für sehr spezifische Anwendungsbereiche mehrere Anbieter zur Auswahl bestehen. Das ist zwar grundsätzlich eine Chance, doch die Unternehmen haben dadurch eine hohe Herausforderung: Sie müssen die richtige Software finden und die einzelnen Lösungen organisatorisch und technisch sauber integrieren. Das erfordert eine zusätzliche Beratung.

Wo ist der Hauptverursacher der Probleme zu suchen? In der Entwicklung des IT-Marktes? Bei den Unternehmen selbst, die dem Thema in der Vergangenheit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben? Oder ist es schlicht und einfach die Folge einer natürlichen Entwicklung – Stichwort „Alles historisch gewachsen“?

Es gibt mit Sicherheit nicht die eine Hauptursache. Datensilos und eingeschränkte Funktionalitäten der einzelnen Anwendungen bremsen die Unternehmen auf ihrem Digitalisierungskurs aus. Zudem entsteht ein Folgeproblem: Laut unserer Studie fließen bei drei Viertel der Unternehmen die vorhandenen Daten in die Entwicklung der künftigen Strategie ein. Das ist recht riskant und kann zu Fehlentscheidungen führen.

Ich würde jedem Unternehmen raten, den Blick nach vorne und nicht in den Rückspiegel zu richten. Unternehmen sollten die eigenen Daten als Asset sehen und sie konsequent für Analysen, Prozessverbesserungen, und Entscheidungen nutzen, um sich stetig weiterzuentwickeln. Datenanalysen steigern die organisatorische Effizienz und führen zu deutlichen Verbesserungen in der Fertigung.

Wie lässt sich Vertrauen in die eigenen Daten herstellen? Welche Instrumente bzw. Verfahren stehen zur Verfügung, die dabei unterstützen?

Der erste Schritt ist auf jeden Fall ein genaues Verständnis von Art und Herkunft der Daten, die sich im gesamten Unternehmen finden. In einem zweiten Schritt sollten Unternehmen die Datenqualität sicherstellen. Dafür müssen sie zunächst einmal entsprechende Kriterien definieren und dann entsprechende Maßnahmen ergreifen, also beispielsweise fehlende Datensätze nachtragen, Dubletten beseitigen und offensichtliche Fehler beheben.

Wie lange dauert die Transformation von einem strategischen Blindflug hin zur Scharfsicht im Durchschnitt? Wovon hängt die Länge in erster Linie ab?

Eine solche Transformation ist für jedes Unternehmen sehr individuell. Unternehmen sollten allerdings nicht hoffen, ihre Schwierigkeiten mit der Erhebung und Analyse von Daten innerhalb weniger Monate zu lösen. Entscheidend sind neben der Größe des Unternehmens die Ausgangssituation und die eingesetzten Ressourcen. Besondere Schwierigkeiten werden Unternehmen dann haben, wenn die Daten in der Vergangenheit in Silos mit unterschiedlichen Prozessen und Anwendungen gesammelt worden sind. Hier eine Vereinheitlichung zu schaffen, ist keine einfache Aufgabe.

Das Unternehmen sollte in jedem Fall darauf achten, die Datentransformation schrittweise anzugehen. Sinnvoll ist es beispielsweise, einzelne Projekte aufzusetzen, die in maximal einem halben Jahr umsetzbar sind. Dann werden Erfolge etwas schneller sichtbar als bei einem Big-Bang-Ansatz.

Was sind die wesentlichen Schritte in der Transformation in Richtung des ganzheitlichen Blicks? Wo sind die typischen Stolpersteine, Bremser und auch Beschleuniger?

Wir empfehlen ein Zehn-Schritte-Modell, um einen ganzheitlichen Blick auf die im Unternehmen vorhandenen Daten zu erreichen. Zuerst ist die Formulierung eines Ziels notwendig, das sie durch die Datenanalysen erreichen möchten – beispielsweise die Erhöhung der Produktqualität.

Anschließend müssen die relevanten Daten identifiziert, gesammelt, integriert und bereinigt werden. Erst daran schließt sich die Analyse an und die Daten können sinnvoll ausgewertet werden. Wichtig ist zudem eine Kommunikation der Ergebnisse und eine Schulung der Mitarbeiter, um Konsequenzen aus der Analyse zu ziehen.

Zu einer sinnvollen Transformation gehört auch die kontinuierliche Überwachung und Anpassung der Datenanalyse. Wichtig dabei: Die Abfolge der einzelnen Schritte ist als Schleife zu verstehen. In vielen Fällen muss sie nach Auswertung der Erfahrungen erneut durchlaufen werden.


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