Prozessmanagement aus einem Guss

Man muss seine Prozesse im Griff haben, um auf Marktänderungen oder Ereignisse à la Corona-Pandemie schnell reagieren zu können. Michael Bergmann, Geschäftsführer von Scheer Austria, über die aktuellen Trends im Prozessmanagement, die Vorteile von Standardprozessen und die Notwendigkeit, dass SAP im Bereich Process Mining nachrüstet. [...]

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»Wir hatten das erfolgreichste Geschäftsjahr in der Unternehmensgeschichte.« Michael Bergmann, Scheer Austria (c) Wolfgang Franz

Wie haben Sie als Beratungsunternehmen die Corona-Krise wahrgenommen? 

Als Beratungsfirma sind wir neue Arbeitsmodelle wie Remote Work gewohnt. Für uns war es also keine große Umstellung. Was wir gesehen haben, war, dass viele Unternehmen zu Beginn der Krise sehr stark mit sich selbst beschäftigt waren, um sehr kurzfristig die Prozesse an die neue Situation anzupassen. Hier haben sich Organisationen, die schon länger international tätig sind, oft leichter getan als lokale Player, die es nicht gewohnt waren, remote zu arbeiten. Insgesamt gesehen war es sehr beeindruckend, wie gut unsere Kunden improvisieren und innerhalb kürzester Zeit auf Home Office umstellen konnten. 

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Learnings aus der Krise?

Das schnelle Reagieren auf Störungen im System – sei es Corona, Grenzkontrollen oder Lieferantenausfälle – das wird bleiben. Ich muss meine Prozesse sehr genau kennen und im Griff haben, um kurzfristig auf Änderungen reagieren zu können. Das hat das Thema Prozessmanagement in den Vordergrund gerückt. Unternehmen wollen zunehmend ihre Prozesse analysieren und verbessern, und damit kommen wir als Scheer Gruppe als Prozess-Experten sehr gut ins Spiel. 

Ich war vor kurzem in unserem Headquarter in Saarbrücken um den 80. Geburtstag von Gründer Prof. August-Wilhelm Scheer zu feiern. In einem Vortrag hat SAP-Vorstandssprecher Christian Klein angekündigt, viel stärker prozessbezogen vorzugehen. Die Übernahme des Berliner Startups Signavio durch SAP ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. 

Welche Trends sind prozesstechnisch zu beobachten?

Ganz klar: Weg vom Custom Coding, hin zu Standardprozessen überall dort, wo es möglich ist. Damit sind vor allem die nicht-differenzierenden Bereiche gemeint.

Inwieweit spielt Low Code/No Code eine Rolle? 

Low Code/No Code wird immer wichtiger, Stichwort Fachkräftemangel. Unsere Scheer PAS Process Automation & Integration Platform geht genau in diese Richtung – mit der Idee, dass der Fachbereich einfache Prozessdigitalisierungen selber umsetzen kann.

Sie haben einmal gesagt, dass Digitalisierung kein Selbstläufer sei. Eine 1:1-Digitalisierung würde demnach nichts bringen.

Man muss ganz oben beginnen, und zwar beim Geschäftsmodell: Ist das Modell, das ich heute habe, überhaupt noch ein adäquates? Digitalisierung ist ein guter Anlass dafür, sich zu überlegen, ob nicht kleinere oder größere Änderungen notwendig sind, um am Markt bestehen zu können. 

Heißt das, dass Sie stärker in die Unternehmensberatung gehen wollen? 

Wir sind nicht die McKinseys dieser Welt. Diese geben die Unternehmensstrategie vor, wir bilden diese Strategie über Prozesse in den IT-Systemen ab. Wir sind auch jene, die die Prozesse verändern, um sie besser zu machen. In jenen Bereichen, wo man nicht differenziert, setzen wir mit SAP auf Standard- bzw. Best-Practices-Prozesse. Dort, wo man differenziert, nutzen wir eventuell andere Tools wie Scheer PAS.

Wo sehen Sie bei der Prozessorientierung à la SAP Luft nach oben?

Die Prozessmodellierung ist mit Best Practices schon sehr gut abgedeckt. Da sind auch wir mit unserer Methode dabei. Wo noch einiges zu tun ist, ist der Bereich Process Mining – vor allem in Verbindung mit künstlicher Intelligenz. Es gibt zwar erste Funktionalitäten, aber insgesamt ist der Auftritt noch sehr zögerlich. Wenn ich die Prozesse nicht kenne, und nicht weiß, wo es in den Prozessen hakt – Stichwort Process Mining – dann hat man auch keinen Ansatzpunkt für KI. Daher investiert SAP in das Thema Process Mining.

Angesichts der Krise gelangen auch Themen wie Resilienz und Risikomanagement in den Vordergrund. Wie unterstützen Sie bei diesen Themen?

Die ARIS Business Process Analysis Platform der Software AG, die wir mitberaten, besitzt ein Tool für Risikomanagement. Es gibt Antworten auf die Fragen, wo die Risiken im Unternehmen sind, wenn bestimmte Ereignisse eintreten, und wie sich Prozesse schnell anpassen lassen. Das ist quasi die Operationalisierung der Resilienz, um widerstandsfähiger zu sein.

Messbarkeit der Prozesse ist ein Dauerbrenner …

Mit Process Mining und Process Intelligence geht es immer mehr in Richtung Messbarkeit der Prozesse. Dazu kommt der Trend der Nachhaltigkeit. Alle Unternehmen schreiben sich auf die Fahnen nachhaltig zu sein, was natürlich in vielen Fällen nur ein Marketing-Gag ist. Nachhaltig wollen alle sein, aber einige wol­len es auch messbar machen. Ein Thema wie CO2-Neutralität wird über die Prozesse gesteuert und ist auch auch dort hinterlegt. 

Wie ist Ihr letztes Jahr verlaufen?

Es war das erfolgreichste der Unternehmensgeschichte. Wir sind eher durch den Arbeitsmarkt beschränkt als durch den Projektmarkt. Deshalb expandieren wir auch in Richtung neue Märkte und Ne­arshoring wie etwa mit einer neuen Nieder­lassung in Kroatien. Das heißt, dass wir schneller wachsen, als es durch den beschränkten Arbeitsmarkt in der DACH-Region möglich wäre. 


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